# taz.de -- Kommentar NS-Opfer in Tschechien: Sehr eingeschränktes Erinnern | |
> Die Tschechen tun sich schwer mit dem Gedenken an die Nazi-Opfer. Als | |
> solche sehen sie sich selbst, es gab unter ihnen aber auch viele | |
> Kollaborateure. | |
Bild: Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma in Auschwitz. Tschechien will … | |
Die Schweinemast auf dem Gelände des ehemaligen „Zigeunerlagers“ Lety | |
aufzukaufen, [1][ist ein mutiger Schritt], besonders so kurz vor der Wahl. | |
Die Roma sind in Tschechien nicht gut gelitten und viele Tschechen würden | |
wahrscheinlich lieber ein neues „Zigeunerlager“ anstatt einer Gedenkstätte | |
in Lety sehen. Gerade deswegen ist es ein richtiger Schritt, dem Völkermord | |
an den Roma dort ein würdiges Gedenken zu ermöglichen. In einer | |
Gesellschaft, in der es völlig akzeptabel ist, „Zigeuner ins Gas“ zu | |
schreien, herrscht offensichtlich Aufklärungsbedarf. | |
Allerdings tut man sich in Tschechien bis heute schwer mit Gedenken, das | |
dem eigenen Geschichtsbild widerspricht. Die Tschechen waren Opfer der | |
Nazis, ohne Zweifel. Aber es gab unter ihnen auch genug Täter, | |
Kollaborateure. Lety ist ein Beispiel dafür. | |
Aber es gibt noch mehr. Den Brünner Todesmarsch, zum Beispiel, in dem Ende | |
Mai 1945 die Brünner Deutschen brutalst gen Österreich getrieben wurden. | |
Über die Zahl der Todesfälle wird bis heute gestritten, belegt sind um die | |
2.000. Der Todesmarsch wurde organisiert und durchgeführt von Arbeitern der | |
Brünner Waffenwerke, die ein paar Wochen zuvor noch eifrig für den | |
deutschen Krieg produziert hatten. | |
Gar nicht zurecht kommt man in Tschechien auch mit der Tatsache, dass es | |
auch deutsche Helden gab. Oskar Schindler zum Beispiel, der im heutigen | |
Tschechien geboren wurde. Seine Fabrik in Brünnlitz, heute Brněnec, | |
verfällt zusehends. Auch weil sich das Kulturministerium acht Jahre Zeit | |
gelassen hat, bis es die Gebäude unter Denkmalschutz stellte. Dabei handelt | |
es sich bei der Schindler-Fabrik um die einzige noch erhaltene | |
Holocaust-Stätte. | |
Doch wenn sich der tschechische Staat in Brünnlitz genauso viel Zeit lässt | |
wie in Lety, wird diese Fabrik eben nicht mehr erhalten sein. Und das nur | |
deswegen, weil der Staat keinen Willen zeigt. Eigentlich eine Schande. | |
3 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] /!5432185 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Mostyn | |
## TAGS | |
Roma | |
NS-Gedenken | |
Tschechien | |
Geschichtsaufarbeitung | |
Tschechien | |
Holocaust | |
Tschechien | |
Holocaust | |
Holocaust-Gedenktag | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nazi-Devotionalien in Tschechien: Brauner Spuk in Prag | |
Ein für Provokationen bekannter Verlag bietet für 2021 einen Kalender mit | |
Bildern von Nazigrößen an. Jetzt hagelt es erste Anzeigen. | |
Diskriminierung von Roma in Tschechien: Plötzliche Liebe zu den Toten | |
Auf dem Gelände des ehemaligen Arbeitslagers Lety soll eine Gedenkstätte | |
für im NS ermordete Roma entstehen. Das ganze Land diskutiert mit. | |
Uran-Arbeitslager in Tschechien: Die Hölle im Erzgebirge | |
Mukl – so nannten sich die Häftlinge von Jáchymov, die für die sowjetische | |
Atombombe Uranerz schürften. Viele von ihnen überlebten nicht. | |
Gedenkort für Sinti und Roma: Die Spur der Steine | |
In der Hamburger Hafencity wird am Mittwoch der Hannoversche Bahnhof | |
eingeweiht – ein Gedenkort auch für deportierte Sinti und Roma. | |
Die letzten Holocaust-Überlebenden: Scheidende Zeitzeugen | |
Die jüngsten Überlebenden des Holocaust sind heute 72 Jahre alt. Wenn sie | |
sterben, stehen Museumspädagogen vor einer Herausforderung. | |
Essay zum Holocaust-Gedenken: Trost der moralischen Überlegenheit | |
Als Kind träumte ich von Auschwitz, der Hölle, die meine Großmutter | |
durchlaufen hatte. Nun frage ich mich: Was, wäre ich Deutsche gewesen? |