# taz.de -- Zweiter-Weltkrieg-Gedenkstätte für Roma: Ein Schandfleck wird Ges… | |
> Eine Schweinemastanlage im böhmischen Lety weicht einer Gedenkstätte. Im | |
> Zweiten Weltkriege standen dort Internierungslager für Roma. | |
Bild: Nach Protesten: Die Mastanlage wird geschlossen | |
PRAG taz | Die Schweinefarm auf dem Gelände des ehemaligen „Zigeunerlagers“ | |
Lety in Südböhmen kommt weg. Das beschloss Ende Juli die Vollversammlung | |
der Aktiengesellschaft AGPI Písek, die die Mast betreibt. Mit einer | |
Mehrheit von 88 Prozent gaben die Aktionäre grünes Licht für den Verkauf | |
der sieben Hektar großen Anlage an den Staat. Dort fristen in 13 Hallen | |
jeweils 1.000 Schweine ihr Dasein. | |
[1][Über 20 Jahre hat es bis zu dieser Entscheidung gedauert]. Besonders im | |
Ausland wurde kritisiert, dass die Schweinemast das Gedenken an den | |
Völkermord an den Roma beschmutze. Das EU-Parlament hatte die Tschechische | |
Republik in zwei Resolutionen dazu aufgerufen, die Schweinemast zu | |
entfernen. | |
Das scheiterte bislang aber an der Forderung der AGPI Písek, der Staat möge | |
den Umzug und den Bau einer neuen Mastanlage an einem weniger | |
gedenkwürdigen Ort finanzieren. Einen Verkauf lehnte die Firma ab. | |
Die Proteste von Roma-Aktivisten scheinen die Schweinefarmer mürbe gemacht | |
zu haben. Schon im September soll der Verkauf fix gemacht werden. Die Summe | |
behalten beide Seiten bis dahin für sich. Laut Angaben des tschechischen | |
Nachrichtenportals [2][aktualně.cz], soll sie aber nicht höher sein als | |
eine halbe Milliarde Kronen – knapp 20 Millionen Euro. | |
## Ihnen fehlt das geschichtliche Bewusstsein | |
Anstelle der Schweinemast soll in Zukunft eine Gedenkstätte entstehen, die | |
laut Kulturminister Daniel Herman vom Museum für Roma-Kultur und dem | |
Komitee für die Entschädigung der Opfer des Völkermords an den Roma | |
betrieben werden. „Die Gedenkstätte soll daran erinnern, dass hier erst ein | |
Arbeits- und später ein sogenanntes Zigeunerlager stand“, sagt Herman. | |
Den Roma in Tschechien, die der latente Antiziganismus der | |
Mehrheitsbevölkerung in Ghettos treibt, ist der Bau einer Gedenkstätte in | |
Lety egal. Ihnen fehlt das geschichtliche Bewusstsein. Die meisten Roma, | |
die heute in Tschechien leben, sind erst nach dem Krieg aus der Slowakei | |
gekommen. Und sie haben andere Probleme: Armut, Bildungsferne und die | |
Diskriminierung durch die „weißen“ Tschechen. Daran wird auch eine | |
Gedenkstätte in Lety nicht viel ändern. | |
Das weiß auch Premier Bohuslav Sobotka. Der meinte vor drei Jahren, der | |
Staat solle lieber Geld in die Schulbildung der Roma oder eine Verbesserung | |
ihrer Lebensumstände stecken. Besonders unpopulär ist die Entscheidung, die | |
Schweinemast aufzukaufen, in der Bevölkerung. Nicht nur, weil die Roma eine | |
verhasste Minderheit sind – über 80 Prozent der Tschechen würden laut | |
Umfragen keine Roma als Nachbarn wollen. Sondern auch, weil das | |
„Zigeunerlager“ Lety das eigene Geschichtsbild stört. | |
Lety wurde noch vor dem Einmarsch der Deutschen und vor Errichtung des | |
Protektorats Böhmen und Mähren geplant, als Sammellager für Arbeitsscheue. | |
Auch wenn es die deutschen Besatzer waren, die Lety als „Zigeunerlager“ in | |
ihren Vernichtungsfeldzug in Mitteleuropa eingliederten, so waren es | |
Tschechen, die dort die Arbeit verrichteten. Zwischen August 1942 und Mai | |
1943 waren 1.308 Roma in Lety interniert. Katastrophale Hygienebedingungen | |
führten zum Ausbruch einer Typhusepidemie, an der die meisten der 327 | |
Todesopfer des Lagers starben. | |
Der Rest wurde nach Auschwitz deportiert. Es heißt, sie sollen in solch | |
einem erbärmlichen Zustand gewesen sein, dass selbst die Wärter so etwas | |
wie Mitleid empfanden. | |
3 Aug 2017 | |
## LINKS | |
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[2] https://www.aktualne.cz/?redirected=1501679772 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Mostyn | |
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