| # taz.de -- „The Singles“ der Krautrockband Can: Durch das Werk zappen | |
| > Eine Zusammenstellung vereint alle Singles der Kölner Krautrocker von Can | |
| > – eine gute Gelegenheit, sich mit dem Gesamtwerk der Band zu befassen. | |
| Bild: Lagen quer zum Rock-Mainstream ihrer Zeit: die Kölner Krautrocker von Can | |
| Eine der einflussreichsten deutschen Bands ever, wahre Pioniere, die ewige | |
| Trumpfkarte im Krautrock-Quartett. Klar: Can. Wobei man sich die | |
| Besonderheit der Musik dieser Band doch erst wieder vergegenwärtigen muss, | |
| weil eben mit der elektronischen Musik und den fröhlich experimentierenden | |
| Neopsychedelia-Bands allerorten die Anregungen Cans eingeholt sind und das | |
| Besondere so besonders gar nicht mehr klingen mag, heute. | |
| Nur kann man halt alte Äpfel nicht so recht mit nachgewachsenen Birnen | |
| vergleichen. Besser erinnert man sich vielleicht, um die Besonderheit von | |
| Can in ihrer Zeit herauszuschälen, an „Smoke on the Water“ und die anderen | |
| Sachen von Deep Purple, die Anfang der siebziger Jahre mit ihrem ziemlich | |
| breitbeinig aufgestellten Rock das Ding waren, auf das sich die Jugend | |
| einigen konnte. | |
| Can waren nie breitbeinig. Sie waren nicht einmal sonderlich jugendlich und | |
| sie spielten eigentlich auch keinen Rock. Sie machten eine verwegene | |
| musikalische Mischung, die man so bis dahin in Deutschland und auch | |
| anderswo tatsächlich nicht gehört hatte. | |
| Frische Möglichkeit, sich mit Can wieder oder gar erstmals vertraut zu | |
| machen, hat man mit der gerade erschienenen „The Singles“-Kompilation. Ein | |
| Vorspiel auch zum 50-jährigen Jubiläum, das es im nächsten Jahr zu feiern | |
| gilt: 1968 gründete sich die Band in Köln, die als musikalische Revoluzzer | |
| durchaus zeittypisch sich erst mal von allem frei machen wollten, was es | |
| damals so gab an Popmusik. | |
| Ein experimentell gestimmtes Kunstwollen und auch etwas Größenwahn. Hatten | |
| die Musiker des Kernquartetts doch vorher in der Praxis mit Pop überhaupt | |
| nichts zu schaffen. Keyboarder Irmin Schmidt und Bassist Holger Czukay | |
| hatten beim Neue-Musik-Mastermind Karlheinz Stockhausen Komposition | |
| studiert, der im Januar verstorbene Schlagzeuger Jaki Liebezeit trommelte | |
| Free Jazz in der Band von Manfred Schoof. Nur der 2001 verstorbene | |
| Gitarrist Michael Karoli hatte schon vorab in Schülerbands einen intimeren | |
| Kontakt mit Pop. | |
| ## Exkursionsfreudige Musik | |
| Mit den achtzig Minuten der alle Can-Singles in chronologischer Reihenfolge | |
| präsentierenden Kompilation bekommt man einen umfassenden Einblick in das | |
| Schaffen der Band und wohin sie sich je hat treiben lassen mit ihrer | |
| prinzipiell exkursionsfreudigen Musik – von dem psychotischen Jam von „Soul | |
| Desert“ (1969), zu dem man noch Blues sagen kann, bis zu der 1990 | |
| nachgereichten Single „Hoolah Hoolah“, die, auf dem modernen Tanzboden | |
| angekommen, schon House ist. | |
| Dazwischen hört man Studien über Minimal-Music-Pop, den Sog der | |
| Psychedelic, Annäherungen an den Jazzrock, Disco-Durcharbeitungen, es gibt | |
| auch den musikalischen (Weihnachts-)Witz mit einer „Stille Nacht“-Version. | |
| Und natürlich „Spoon“ (1971), irrlichternd und abgedreht, den motorischen | |
| Antrieb irgendwie noch in ein Popsong-Format gebracht. | |
| „Spoon“ war auch die einzige Single, mit der es die Band in die deutsche | |
| Hitparade geschafft hat. Dass das Lied von Can, immer wieder musikalische | |
| Zulieferer für Film und Fernsehen, als Titelmelodie der | |
| Durbridge-Krimiserie „Das Messer“ prominent im TV platziert war, war dabei | |
| mehr als eine kleine Hilfestütze. Durbridge-Verfilmungen waren zu der Zeit | |
| in Deutschland echte Straßenfeger. | |
| ## Das Gegenteil von einer Single-Band | |
| Von weiteren Hits ist nicht zu reden. Das liegt auch daran, dass – ohne | |
| damit am Heiligenschein von Can kratzen zu wollen – das Schaffen von | |
| erinnerungswürdigen Melodien nicht zur Kernkompetenz der Band gehörte. Weil | |
| das die Band gar nicht wollte. Weil Can, der Singles-Kompilation zum Trotz, | |
| so ziemlich das Gegenteil von einer Single-Band waren. | |
| Schließlich arbeitete die Band in ihren improvisatorisch angegangenen Jams | |
| mit einer repetitiven Lust hart an der Auflösung des Songformats. Ein | |
| Ansatz, von dem man nur recht ungefähr eine Vorstellung bekommt, wenn man | |
| etwa bei der Spacerock-Séance „Halleluwah“ bereits nach dreieinhalb Minuten | |
| einigermaßen rüde aus dem Track geschmissen wird, der im Original, auf Cans | |
| Referenzalbum „Tago Mago“ erschienen, über 18 Minuten dauern darf. | |
| Eine Annäherung an Can über ihre Singles ist deswegen auch so, als würde | |
| man sich bei der Lektüre von Romanen mit dem Studieren von kompetent | |
| verfassten Inhaltsangaben begnügen. Mit „The Singles“ hat man also eine | |
| hübsche Möglichkeit, sich durch das Werk von Can zu zappen. Und, besser, | |
| eine Anregung, sich vielleicht auch mal in einer eingehenderen Lektüre über | |
| die Alben mit dieser epochalen Band zu beschäftigen. | |
| 24 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Mauch | |
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