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# taz.de -- Festival für selbstgebaute Musik: Musik mit dem Riesendingsbums
> Das „Festival für selbstgebaute Musik“ findet am Sonntag zum fünften Mal
> in Moabit statt. Die Musik klingt vielleicht seltsam, interessant ist sie
> aber allemal.
Bild: Wer dieser Musik lauschen will, braucht Ohren, die was abkönnen.
Nichts verkommen lassen. Nachhaltigkeit. Das geht auch mit Musik.
Wenn man zum Beispiel ein paar Holzlatten bei sich zu Hause im Keller
herumliegen hat und etwas Draht, kann man das Recyclingprinzip mal
musikalisch fassen und aus diesen sonst unnütz gewordenen Gegenständen ein
Instrument bauen. Das mag dann vielleicht Töne von sich geben, mit denen
man nicht gleich in die Hitparade kommen wird (die doch mit der ganzen
Krise der Musikindustrie sowieso nicht mehr der place to be ist). Der Weg
aber zum „Festival für selbstgebaute Musik“ steht einem damit prinzipiell
offen.
Am Sonntag geht das Treffen für einen schon etwas erweiterten Musikbegriff
im Bezirk Moabit in seine fünfte Runde. Dort kann man bei Workshops für
Kinder und Erwachsene schauen, wie aus einfachem Material Instrumente zu
bauen sind. Und man darf natürlich auch hören, wie das bei denen klingt,
die sich in der Hauptstadt bereits etwas länger auf dem Feld der
selbstgebauten Musik tummeln.
## Schrott geht auch
Ausgangsmaterial kann da eine Sammlung an Schrott sein, die
Tausendpixelkurzekante mit elektronischen Hilfsmitteln musikalisieren wird.
Bei Puppe ’n’ Mucke ist der Selbstbau-Anteil etwas mehr in die ziemlich
schrillen und selbstgebastelten Puppenkostüme verlagert, in denen die
Kunstprojekt-Band ihren Trash-Pop mit forciertem Niedlichkeitsfaktor
zelebriert. Und geradezu vorbildlich in Sachen Nachhaltigkeit präsentiert
sich bei dem Festival Searchin’ the Roots, weil die Band das mit dem
Recycling auch musikalisch beherzigt.
Sie spielt Skiffle. Also diese fröhlich schunkelnde Musik, in der sich
Folk, Country, Blues und alter Jazz mischen. Neben so Handwerkszeug wie
Waschbrett und singender Säge kommt dabei neben handelsüblichem
Instrumentarium wie Gitarre und Geige bei Searchin’ the Roots auch der
Skiffle-typische (selbstgebaute) Kistenbass zum Einsatz.
Ein Instrument, das wirklich mal massenhaft gebastelt wurde aus den
Teekisten und Besenstielen. Ende der 50er Jahre, als Skiffle mit Lonnie
Donegan als Anführer eine echte musikalische Jugendbewegung war. In
Liverpool skiffelten zum Beispiel The Quarrymen, aus denen etwas später die
Beatles wurden.
Die weitere Geschichte kennt man ja. Und vielleicht erinnert man sich auch
noch an die frühen Tage von Punk und Neuer Deutscher Welle, als in den
Jugendzimmern gern auf Waschmittelkartons getrommelt wurde – bei vielen der
frisch gegründeten Bands mit dem Punk-Ethos im Herzen: „einfach machen“.
## Massenhaft Pop
Mit einem geringen finanziellen Aufwand (im Vergleich zu einem Kontrabass
kostet so ein Kistenbass wirklich nichts, von einem „echten“ Schlagzeug
nicht zu reden) selbst Musik machen zu können. Massenhaft. Diese
Selbstermächtigung ist schon wesentlicher Antrieb von Pop.
Do it yourself eben. Das grundlegende Motto des „Festivals für
selbstgebaute Musik“. Veranstaltet wird es von „Kollegen 2,3“, dem „Bur…
für Kulturangelegenheiten“, das zuletzt im Sommer dieses Jahres bei
„Ausnahmsleise Friedrichshain“ den Boxhagener Platz mit Schlafliedern von
Streichquartett-Konzerten bespielte.
Im Gegensatz dazu könnte es doch eher schroffer und möglicherweise etwas
lauter zugehen am Sonntag auf der Turmstraße und auf dem Otto-Spielplatz
bei dem Festival. Bei den Konzerten des Kinder Kaos Orchesters
beispielsweise, wenn Kinder an ihren selbstgebauten Instrumenten spielen.
Ein Mitmach-Orchester, das vor allem Spaß machen soll. Spaß an Musik. Und
Spaß am Selbermachen.
## Seltsam für die Ohren
Für Menschen, die allein an der wohltemperierten Musik Gefallen finden
können, ist das Festival mit der Eigenbau-Musik allerdings nur
eingeschränkt zu empfehlen. Da müssen sich die Ohren schon was trauen. Wenn
zum Schluss dann von mehreren Künstlern das aus verschiedenen groß
gebastelten Instrumenten gefügte „Riesendingsbums“ bespielt wird, ist das
halt auch einfach mal eine ziemlich seltsame Musik.
8 Oct 2016
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
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„Festival für selbstgebaute Musik“ glaubt man an das Gute der Marke
Eigenbau.
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