# taz.de -- Do-It-Yourself-Bewegung: Mixed Zone der Moderne | |
> Im Punk war die Strategie des D.I.Y. noch subversiv. Beim Moabiter | |
> „Festival für selbstgebaute Musik“ glaubt man an das Gute der Marke | |
> Eigenbau. | |
Bild: Wenn sie keine Schwofmusik spielen, liegen sie auch gern mal im Heu rum: … | |
Ein Lied. „Was du auch machst“, singen also Tocotronic, „mach es nicht | |
selbst / Auch wenn du dir den Weg verstellst / Was du auch machst, sei | |
bitte schlau / Meide die Marke Eigenbau“. Was ja erst mal ein kerniges | |
Statement ist. | |
Selber machen kann man eigentlich fast alles – wenn man nur eine Anleitung | |
dafür bekommt. In den besser sortierten Bahnhofskiosken findet sich zum | |
Beispiel weiterhin dieses Magazin, das noch einigermaßen oldschool im Titel | |
proklamiert: Selbst ist der Mann. | |
Erstmals erschienen ist das Do-it-yourself-Magazin Ende 1957. Als erste | |
Zielgruppe hatte es die Aufbau-Generation nach dem Zweiten Weltkrieg im | |
Auge, die sich mittlerweile schon ordentlich satt essen konnte und nun auch | |
ihr neues Heim genauso ordentlich einrichten wollte. Ohne dafür allzu tief | |
in die weiter recht klamme Kasse greifen zu müssen. Die Lösung: Heimwerken | |
eben. Der Eigenbau. | |
Beim Selbermachen – so eine Mixed Zone der Moderne – treffen sich also | |
ökonomische Notwendigkeit und die Selbstverwirklichung, in je | |
unterschiedlichen Kräfteverhältnissen. Und dazu kommt hier ein | |
grundsätzlicher Zweifel an Autoritäten und Fachkräften zum Zug, die einem | |
ja doch nur erklären wollen, dass man besser mal alles von einer Fachkraft | |
erledigen lässt – für das richtige Ergebnis. | |
So wäre es allemal hübsch, wenn jetzt bei dem am Donnerstag startenden | |
„Festival für selbstgebaute Musik“ in Moabit hier und da mal auf den Bühn… | |
dieses „Mach es nicht selbst“-Lied von Tocotronic geschmettert würde, und | |
zwar gerade aus dem D.I.Y.-Gedanken heraus, den man bei dem Festival | |
beherzigen will: D.I.Y. wie Do it yourself. Selber machen. Stand ziemlich | |
weit oben auf der Agenda des schon mal prinzipiell autoritätsskeptischen | |
Punk, der auch musikalisch seine Zweifel daran hatte, dass nur Fachkräfte | |
zum „richtig“ klingenden Ergebnis kommen können. | |
## Heimwerken eben | |
Wobei das Selbermachen die Popgeschichte seit je begleitet. In der | |
Erinnerungsliteratur zu den ersten Beatbands ist so stets auch was von | |
selbst zusammengebastelten Verstärkern und eigenhändig geschraubten | |
Gitarren zu lesen, alles Anfang der sechziger Jahre teure Mangelware. | |
Bei Punk mit seiner „Lerne drei Akkorde und gründe eine Band“-Faustregel | |
zur Selbstermächtigung ging man das Selbermachen aber doch etwas | |
organisierter und auch ideologischer an. Die Musik selber machen. Sie | |
selbst produzieren, selbst für ihre Vermarktung zu sorgen und für die | |
Konzerte gleich dazu, um so immer die Kontrolle in der eigenen Hand zu | |
behalten. | |
Wie man das eigentlich auch mal beim Indierock wollte, bevor der Begriff zu | |
einer eher geschmacklichen Kategorie wurde. Indie wie Independent. | |
Unabhängigkeit. Und zwar von den Major-Plattenfirmen, die damals zur | |
goldenen Zeit von Punk und Indierock – bis in die neunziger Jahre hinein – | |
ja wirklich noch eine Macht waren und damit auch die eigentlichen | |
Fachkräfte, die den Zugang zum Markt regulieren konnten. | |
Mit der Krise der Musikindustrie (und dem sonstigen digitalen Drumherum mit | |
der Krise des Musikjournalismus und so weiter) ist diese Macht längst | |
dahin. Was damit das Selbermachen neu beleuchtet. Nicht nur die Absolventen | |
der Popakademie Mannheim wissen längst, dass neben dem Musikmachen | |
gleichermaßen das Marketing von entscheidender Bedeutung ist, dessen Regeln | |
man schon verstanden haben sollte. | |
Weil man als Musiker heute oft halt alles selber machen muss. Die Zwänge | |
der Ökonomie. Was man auch vergangene Woche auf der Berlin Music Week | |
diskutierte und dabei von D.I.Y. eben auch als einer neoliberalen Strategie | |
zur Selbstoptimierung sprach. Genau das hatten ja Tocotronic mit ihrem Lied | |
im Auge. „Mach es nicht selbst“ ist ein beinhartes Protestlied. | |
## D.I.Y. in Vollendung | |
Wo sich aber die eine Tür schließt, heißt es doch immer, muss man eben eine | |
andere aufmachen. Beim „Festival für selbstgebaute Musik“ will man das | |
Selbermachen so noch einmal prinzipiell erweitern. Hier soll an vier Tagen | |
nicht einfach nur selbst gemachte Musik zu hören sein, sondern dazu eine, | |
die an selbst gewerkelten Instrumenten verfertigt wird. D.I.Y. in | |
Vollendung. | |
Wobei es dabei gar nicht so sehr um die Selbstverwirklichung oder gar um | |
eine Selbstoptimierung geht, sondern eher um die Neugier, wie denn dann so | |
eine Musik aus dem Bastelansatz heraus mit Schlauchtrompeten oder | |
Pappinstrumenten klingt. | |
Neue Versuchsanordnungen. Irrlichternder Krautrock mit | |
Selbstbauinstrumenten von der Band Kulku wird bei dem Festival etwa zu | |
hören sein oder auch die aus Balkan und Russenska zusammengepuzzelte | |
Schwofmusik vom Skazka Orchestra. Einen Soundtrack des Neoliberalismus | |
sollte man bei dem „Festival für selbstgebaute Musik“ jedenfalls nicht | |
erwarten. | |
9 Sep 2014 | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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