# taz.de -- Kunstbücher zum Hamburger Pudelclub: Aus dem abschüssigen Leben | |
> Kreatives Pudelclub-Umfeld: Zwei Bücher verkürzen die Wartezeit bis zur | |
> Wiedereröffnung der Hamburger Institution. | |
Bild: Ausschnitt aus einem Flyer, den Alex Solman für einen Pudelbenefiz-Abend… | |
Es gibt zwei Dinge, die vermisse ich schmerzlich, seit ich weggezogen bin | |
aus Hamburg: Nordsee-Krabbensalat und den Pudelclub. Ersterer gelangt an | |
hohen Feiertagen ganz selten als Mitbringsel nach Berlin. Dankeschön! Aber | |
das Lebensgefühl des Pudel, jenes Jugendzentrums für Erwachsene vis-à-vis | |
dem Hafen, lässt sich nicht portionsweise abfüllen und schon gar nicht in | |
die Fremde importieren. | |
Der Laden ist und bleibt ein Unikat. In Sankt Pauli gelegen, neben einer | |
Treppe nahe dem Fischmarkt, ist der kleine Musik-Club mit Platz für 250 | |
Personen seit einem Brand vor anderthalben Jahren momentan leider | |
geschlossen. Hoffentlich erstrahlt er bald wieder in vollem Glanz und kann | |
erneut eröffnen. | |
Tröstlich, dass die Atmosphäre im Pudel auch auf Menschen und ihre kreative | |
Ader abfärbt. Das zumindest ist der Eindruck beim Betrachten zweier sehr | |
inspirierender Kunstbücher, die einem die Wartezeit bis zur | |
Pudel-Wiedereröffnung verkürzen helfen. „Die Sweeten“ der Texterin Gepa | |
Hinrichsen und „Die Welt ist eine Pudel“ des Illustrators Alex Solman, | |
beide gehören auch zum Inventar des Clubs. Aus beiden Büchern spricht eine | |
Ideengeschichte der Kritzelei, Kunst ohne Weiteres. Man müsste eigentlich | |
von Erkenntnisblitzen und Bilderdonner sprechen, einem heftigen | |
Kreativitätsgewitter, das vom Pudel auf seine Gäste herniedergeht. | |
## Gedankliche Bretterbuden | |
„Die Sweeten“ hat Gepa Hinrichsen ihre Strichzeichnungen mit lakonischen | |
Bildlegenden genannt. Der schmale Band mit gerade mal 80 Seiten umfasst | |
Szenen aus einem leicht abschüssigen Leben, gedankliche Bretterbuden, mit | |
leichtem Strich entworfen. Bevor sie darin zusammengefasst wurden, waren | |
die Zeichnungen im Pudel ausgestellt. „Szenen, die in diesem Büchlein | |
gezeigt werden, haben sich genauso abgespielt … Aufgrund von Selbstzweifeln | |
wurde lediglich das äußere Erscheinungsbild der Protagonisten verändert.“ | |
Heißt es auf der Buchrückseite. | |
Diese Protagonisten können, je nach Lage, zwei Geisterwesen mit langen | |
Ohren und großen Augen sein. Manche verfügen über Riesen-Egos, die so | |
skizzenhaft wiedergegeben sind, dass sie zu den kleinen Egos ins Bild | |
passen. „Irgendwie geht’s mir heut nicht so doll.“ „Sehr interessant, | |
können wir jetzt wieder über mich reden?“ | |
Gelegentlich schlagen die Wesen resignativ ihre Tentakel-Arme über den | |
Köpfen zusammen, manchmal jubilieren sie, blinzeln verständnisvoll oder | |
lachen schmutzig. Zu sehen sind sie im Bett, zu Tisch, oder auf Achse. | |
Dicke Katzen tauchen auf, dünne, zarte Insekten. | |
Mit den meisten Geschöpfen würde man gerne Bekanntschaft schließen, weil | |
sie genialen Schmarrn reden: „Heute gehen wir mal wieder so richtig aus. | |
Mit Handy verlieren und allem pipapo.“ Auch wenn Missgeschicke | |
heraufbeschworen werden, Gefühlsturbulenzen zur Sprache kommen oder Launen | |
der Natur, so rückt Hinrichsen diese stets beiläufig ins Bild, als würde | |
sie ein weißes Blatt nur etwas pfeffern und salzen. | |
Damit gelingt ihr die Beschreibung einer absurd-existenzialistischen | |
Lebenswelt, mit unbestechlichem Blick und leicht schläfrigem Wording. Es | |
ist So-vor-sich-Hingedachtes, es sind Tresendialoge, plötzliche | |
Eingebungen, unerhört komische Abwandlungen des Daseins, wie man sie sich | |
gut im Pudel vorstellen kann. | |
## Ein schwammiger Typ | |
Alex Solman wiederum gestaltet seit 2004 Plakate und Flyer für die Konzerte | |
im Pudelclub. Aus einer Laune wurde eine sehr persönliche Signatur, eine | |
eigene Bildsprache zwischen Karikatur und geometrischen Schraffuren. „Die | |
Welt ist eine Pudel“ versammelt nun eine Auswahl seiner besten | |
Poster-Entwürfe. Flankiert sind sie von kurzen Texten der porträtierten | |
MusikerInnen. Diese Kultur des Austauschs, der gegenseitigen Befruchtung, | |
es gibt sie einzig und allein in diesem Biotop in Hamburg. | |
„Grundkenntnisse aus dem Kunst-LK, die noch nicht komplett verschütt | |
gegangen“ seien, so Alex Solman zu seiner Vorbildung, wie er in einem | |
Interview mit dem Netzmagazin kaput bekannt hat. Er habe immer schon ein | |
Faible für das Bauhaus und den Kubismus gehabt, erklärt der Künstler, der | |
in Heidelberg aufgewachsen war, bevor er nach Hamburg kam und den Pudelclub | |
eines Nachts für sich entdeckte. „Ich bin ein schwammiger Typ und sauge | |
Einflüsse beim Darüberwischen auf.“ | |
Solmans Plakate haben hohen Wiedererkennungswert. Zum einen, weil er die | |
MusikerInnen immer mit Symbolen und Gegenständen ins Bild rückt und damit | |
ihrem Klangkosmos durch seine Schwarzweiß-Bildsprache eine synästhetische | |
Variante hinzufügt. Zudem überzeugt der ätzende Humor, das fratzenhafte, | |
aber nie herabwürdigende Moment seiner Poster und Flyer. | |
Die Musikerkonterfeis des britische Duos Sleaford Mods zeichnete Solman | |
etwa auf Bierdosen, Sleaford Cans. „Seine Zeichnung entspricht so sehr den | |
Sleaford Mods wie unsere Musik. Als wir zum ersten Mal im Pudel gastierten, | |
fiel mir sofort das ranzige Interieur auf, es ist seinen Machern egal, wie | |
es dort aussieht, sie genießen das Leben in vollen Zügen. Ich habe mir so | |
immer das Leben nach dem Tod vorgestellt“, erklärt Jason Williamson von | |
den Sleaford Mods. Wie wahr. | |
20 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Julian Weber | |
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