| # taz.de -- Debüt-Soloalbum von Peter Perrett: Space-Shuttles in seinem Blut | |
| > Peter Perrett, Sänger der Only Ones, war verschollen. Nach | |
| > jahrzehntelangem Konsum von Heroin und Crack ist es ein Wunder, dass er | |
| > lebt. | |
| Bild: Viel Licht, aber auch viel Schatten: Peter Perrett | |
| Ach, das klingt ja wie Lou Reed. Das dürfte bei vielen Hörern des | |
| Auftaktstücks von Peter Perretts Album „How the West Was Won“ die erste | |
| Reaktion sein. Angesichts eines an den Velvet-Underground-Gassenhauer | |
| „Sweet Jane“ erinnernden Riffs und Perretts näselnder lakonischer Stimme | |
| ist das verständlich. Der britische Musikjournalist Nick Kent hielt frühe | |
| Demos von Peter Perrett für unveröffentlichtes Velvet-Underground-Material. | |
| Es ist natürlich völlig in Ordnung, wie Lou Reed zu klingen. Zumal Reed | |
| bekanntlich tot ist. | |
| Dass Peter Perrett lebt, ist ein Wunder. Er konsumierte jahrzehntelang | |
| Heroin und Crack. Im Rentenalter von 65 Jahren hat der frühere Sänger und | |
| Komponist der Only Ones nun sein Solodebüt veröffentlicht. Die Alben der | |
| 1976 gegründeten Band, deren Equipment Perrett einst durch Einnahmen aus | |
| Drogendeals finanziert haben soll, wurden unter Punk einsortiert. Ihre | |
| Songs hatten zwar eine entsprechende Frische, bezogen sich aber eher auf | |
| Bob Dylan und die Kinks – und natürlich Lou Reed. | |
| Eigentlich waren die Musiker für Punk auch schon zu alt, am Schlagzeug saß | |
| der Anfang dieses Jahres verstorbene Mike Kellie, der in den späten | |
| sechziger Jahren unter anderem schon für die Psychedelic-Band Hapshash and | |
| the Coloured Coat gespielt hatte. | |
| Nachdem die Only Ones bis 1980 drei Alben aufgenommen hatten, lösten sie | |
| sich ein Jahr später auf. 1996 erschien unter dem Bandnamen Peter Perrett | |
| and the One ein recht mittelmäßiges Album („Woke Up Sticky“), ab 2007 | |
| traten die Only Ones für kurze Zeit wieder auf. Zwischendurch verschwand | |
| Perrett drogenbedingt völlig in der Versenkung. Er sei, wie es seine | |
| aktuelle Plattenfirma Domino formuliert, für „den Großteil seines | |
| Erwachsenenlebens nicht zu kontaktieren gewesen“. | |
| ## Heroin konsumiert, kein Junkie gewesen | |
| „I didn’t die, at least not yet, I’m still just about capable of one last | |
| defiant breath“, singt er nun in dem Song „Something in my brain“. Zu ein… | |
| trotzigen letzten Atemzug sei er also gerade noch in der Lage. | |
| Für die Only Ones hat Perrett Songs geschrieben, die allen, denen sie | |
| vertraut sind, vorkommen, als wären sie quasi-kanonische Klassiker, | |
| tatsächlich haben Songs wie „The Immortal Story“ oder „Out There in the | |
| Night“ nie auch nur annähernd die Verbreitung gefunden, die sie verdient | |
| gehabt hätten. Die Only Ones sind eher eine Band’s Band, zu ihren Fans | |
| gehören The Replacements und Peter Hein & Family Five. Beide hatten oder | |
| haben „Another girl, another planet“ im Live-Repertoire. | |
| Das mit Abstand bekannteste Stück der Only Ones, in dem Perrett von „space | |
| shuttles in my blood“ singt, gilt als Song über Heroin. Perrett verneint. | |
| Er habe zu der Zeit zwar Heroin konsumiert, aber er sei noch kein Junkie | |
| gewesen, lautet seine dialektische Argumentation. | |
| Sein maximal spätes Solodebüt nutzt Perrett nun glücklicherweise nicht, um | |
| seinen (typisch britischen linken) Antiisraelismus auszuleben, der einem | |
| begegnet, wenn man ihm bei Twitter folgt. | |
| ## Traurig macht das Album natürlich auch | |
| „How the West Was Won“ ist ein sehr privates Album geworden, Perrett | |
| besingt seine eigene Wiederauferstehung und gleich in mehreren Songs die | |
| Liebe zu seiner Frau und Managerin Xenoulla „Xena“ Kakoulli, mit der er | |
| seit 1970 verheiratet ist. „If I could live my whole life again, I’d choose | |
| you every time“, singt er zum Beispiel in „Epic Story“, einem der | |
| zahlreichen Songs, mit denen er an die Als-ob-Klassiker der Only Ones | |
| anknüpft. | |
| Privat ist sein Album auch insofern, als seine Söhne als Bassist und | |
| Gitarrist mitwirken. Mit ihnen hat er Stücke aufgenommen, die sich auf die | |
| grobe Formel Only Ones minus Wildheit bringen lassen. Die lässigen, | |
| teilweise schlicht schönen Songs klingen, wenn man einmal von den Texten | |
| absieht, nicht danach, als hätte es in Perretts Leben Brüche gegeben. | |
| Ein großes Wunder ist es angesichts seiner Drogenkarriere auch, dass seine | |
| zuweilen blasiert anmutende Stimme kaum anders klingt als vor 40 Jahren. | |
| Traurig macht einen das Album natürlich auch, weil es die Frage aufwirft, | |
| wie sich seine Künstlerkarriere hätte entwickeln können, wenn er früher in | |
| der Lage gewesen wäre, solche Musik aufzunehmen. | |
| Vor allem klingt „How the West Was Won“, als wäre Peter Perrett mit sich | |
| selbst im Reinen, aber das ist wiederum eine Formulierung, mit der man | |
| schnell bei der Hand ist, wenn Künstler Krankheiten und andere Lebenskrisen | |
| überstanden haben. Auf jeden Fall weckt dieses Album die Hoffnung, dass es | |
| nicht Peter Perretts trotziger letzter Atemzug gewesen ist. | |
| 1 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| René Martens | |
| ## TAGS | |
| Musik | |
| Comeback | |
| Debütalbum | |
| Drogensucht | |
| Musik | |
| Krautrock | |
| DIY | |
| Antisemitismus | |
| Michael Jackson | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tansanische Taarab-Musik und House: Wahlverwandt mit dem Berghain | |
| Zwei Norweger haben Acid-House und tansanische Taarab-Musik fusioniert. Das | |
| Ergebnis ist ein teils urplötzlich pulsierendes Klanggebilde. | |
| Amon-Düül-Sängerin über neues Projekt: „Eine Art Urschrei“ | |
| Renate Knaup hat mit Amon Düül II Musikgeschichte geschrieben. Nun tritt | |
| sie zusammen mit Dot Product beim Krake Festival in Berlin auf. | |
| Feministischer Art-Punk von Beißpony: Wenn die Pferde wild werden | |
| Feminismus ohne Zeigefinger: ein Besuch bei dem britisch-bajuwarischen Duo | |
| Beißpony in seiner Münchener Wunderkammer. | |
| Festspiele Bayreuth: Der Brandstifter | |
| In seiner Inszenierung der „Meistersinger“ setzt sich Barrie Kosky mit | |
| Wagners Antisemitismus auseinander. Und setzt damit Maßstäbe. | |
| Millionen aus Jackson-Nachlass: Don't Stop 'Til You Get Enough | |
| Er produzierte für Michael Jackson Megahits. Dafür bekommt Produzent Quincy | |
| Jones auch nach dem Tod des Superstars noch Geld, entschied nun ein | |
| Gericht. |