# taz.de -- Studie der Bertelsmann-Stiftung: Reiche sollen mehr zahlen | |
> Eigentlich geht es in einer Studie um Populismus. Doch bemerkenswerter | |
> ist ein anderer Befund: Die Wähler wollen Umverteilung. | |
Bild: Überraschende Erkenntnis: Das Reiche mehr zahlen sollen, ist populär | |
BERLIN taz | An dieser Stelle könnte es um Populismus in Deutschland gehen. | |
Zumindest behauptet das die Bertelsmann-Stiftung, die sich in einer am | |
Dienstag veröffentlichten Studie diesem Thema widmet. Viel interessanter | |
ist die ebenfalls in der Studie enthaltene Frage nach höherer Besteuerung – | |
und deren seltsame Aufbereitung. | |
Doch der Reihe nach: Die Meinungsforscher von Infratest dimap haben im | |
Auftrag der Gütersloher Stiftung im März mehr als 1.600 Wahlberechtigte zu | |
ihren politischen Einstellungen befragt. Als populistisch wurden Menschen | |
eingestuft, die sich auf Basis eines Fragebogens vollständig zu insgesamt | |
acht verschiedenen „antipluralistischen, Anti-Establishment- und | |
Pro-Volkssouveränität-Aussagen“ bekennen. | |
Das Ergebnis: Populistische Einstellungen seien verbreitet, aber nicht | |
mehrheitsfähig. Knapp 30 Prozent der Wahlberechtigten seien zwar | |
populistisch eingestellt – doch jeweils mehr als ein Drittel lehne solche | |
Positionen ab (36,9 Prozent) oder stimmten ihnen nur teilweise zu (33,9 | |
Prozent). So weit die Schlagzeile. | |
Die Forscher fragten die Teilnehmer auch nach ihrer Zustimmung zu | |
politischen Positionen. Dabei wurde der Position eines „Basiskandidaten“ | |
eine Gegenposition gegenübergestellt. | |
Als – willkürlich erscheinender – Basiswert dient eine politische Position, | |
zum Beispiel: „Ist für den Austritt Deutschlands aus der EU.“ Oder: „Ist | |
für die Aufnahme sehr viel neuer Flüchtlinge.“ Demgegenüber steht der | |
fiktive zweite Kandidat, der zur Auswahl mehrere davon abweichende | |
Positionen vertritt. Daraus lässt sich dann beispielsweise ablesen, dass | |
jene Kandidaten deutlich bessere Wahlchancen haben, die „für eine stärkere | |
Zusammenarbeit in der EU“ oder „für die Abschiebung einiger Flüchtlinge | |
sind“. Welche Position jetzt nun populistisch ist, lässt die Studie | |
allerdings offen. | |
Das bemerkenswerteste Ergebnis liefert jedoch eine Frage zur Besteuerung | |
von Reichtum. Der Basiskandidat fordert hier „sehr viel niedrigere Steuern | |
für Reiche“ – eine äußerst unpopuläre Position, die nicht einmal die FDP | |
vertritt. Dementsprechend verzerrt erscheint das Ergebnis. Denn der fiktive | |
Gegenkandidat, der „etwas niedrigere Steuern für Reiche“ fordert, steigert | |
seine Wahlchancen zwar um etwa 6 Prozent – allerdings mutmaßlich nur | |
deshalb, weil das Gegenangebot eine noch größere Steuerentlastung für | |
Reiche vorsieht. | |
Aussagekräftiger wäre es, die Forderung nach „etwas niedrigeren Steuern für | |
Reiche“ als Basiswert zu nehmen. Denn dann wäre sofort sichtbar geworden, | |
dass auch sie unpopulär ist. Denn laut Studie haben die Kandidaten die | |
besten Wahlchancen, die für „etwas höhere“ oder „viele höhere Steuern … | |
Reiche“ votieren – und zwar in fast gleicher Höhe. Und das gilt laut Studie | |
für populistische und nichtpopulistische Wähler in ähnlichem Ausmaß. | |
Die Stiftungsautoren bewerten das Ergebnis folgendermaßen: „Die | |
Zustimmungswerte lassen sich durch die Forderung nach sehr viel höheren | |
Steuern für Reiche gegenüber der moderateren Umverteilungspräferenz durch | |
etwas höhere Steuern für Reiche nicht weiter erhöhen.“ Die umgekehrte | |
Beobachtung, dass sich das Wählerpotenzial durch eine moderate | |
Steuererhöhung gegenüber einer starken Erhöhung kaum reduziert, läge | |
allerdings ebenso nah. Gute Nachrichten also für Parteien, die auf eine | |
rigorose Besteuerung von Reichtum und Umverteilung setzen. Davon gibt es | |
allerdings nicht so viele. | |
25 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Jörg Wimalasena | |
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