# taz.de -- „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF: Vom „Moma“ zum „Mima“ | |
> Willkommen im TV-Gemischtwarenladen: Das öffentlich-rechtliche | |
> Frühstücksfernsehen „Morgenmagazin“ feiert sein 25. Jubiläum. | |
Bild: Maybrit Illner, Dieter Stolte und Cherno Jobatey bei der ersten Sendung d… | |
Benjamin Stöwe, der Wettermoderator, ist leider nicht im Studio. Er ist auf | |
„Moma“-Jubiläumstour und präsentiert das Wetter jeden Tag aus einem ander… | |
Ort. Heute: Abentheuer, Rheinland-Pfalz. Dabei hätten ihn die Leute, die | |
später als Gäste ins ZDF-„Morgenmagazin“ kommen, bestimmt gern gesehen. | |
Wobei – heute kommen nur drei Schulklassen, und die interessieren sich eh | |
nicht so richtig für die Sendung. Ganz anders als die Seniorengruppen, die | |
oft zu Gast sind. Die lieben den Wettermann und die „mo:ma“-Tassen, und das | |
ist ja auch das Beste und Wichtigste im „Morgenmagazin“, oder? Nicht ganz. | |
Es ist Montag, 5.06 Uhr: Noch knapp drei Stunden, bis die Schulklassen ins | |
Moma-Café im Foyer des ZDF-Hauptstadtstudios kommen. Um 5.30 Uhr beginnt | |
die Livesendung, in der Bildregie ist der Abgleich der Studiokameras fast | |
fertig. Auf den Bildschirmen an der Wand sieht man die noch leere Kulisse | |
im Studio 1, hier wird der Großteil der Sendung produziert. Nur die letzte | |
halbe Stunde wird mit Publikum gesendet. | |
Die Schalten stehen schon – eine nach Abentheuer zu Wettermann Stöwe, eine | |
nach Mainz, wo aus dem „heute“-Studio, der grünen Hölle, die Nachrichten | |
gesendet werden. Später wird es auch noch eine Schalte nach München geben | |
und eine nach Holland vor das Quartier der deutschen Nationalelf. | |
## Dreieinhalb Stunden Livesendung | |
Die beiden Hauptmoderatoren Jana Pareigis und Mitri Sirin schreiben gerade | |
ihre Texte. Ein Supervisor ist mit ihnen während der Sendung verbunden, | |
schlägt die nächste Frage vor oder gibt die Zeit durch. | |
Dreieinhalb Stunden Livesendung liegen vor dem rund 30-köpfigen Team. | |
Moderator*innen, Maske, Kameramänner und Kabelhilfen, die | |
Aufnahmeleiterin, der Regisseur, Bildmischerinnen, ein Warm-upper für die | |
Gäste, ein Reporter, der rausgeschickt wird, wenn’s brennt. Die | |
Redakteur*innen sind zu Hause, denn das „Moma“ ist ein Schichtbetrieb. | |
Die Sendung funktioniert wie ein Bauchladen: Politik und Sport gibt es, | |
Wetter natürlich, Service, Kultur und Vermischtes. Dieses Prinzip hat sich | |
von Anfang an bewährt und dieser Anfang jährt sich nun zum 25. Mal. | |
## Morgens | |
Rückblick: Golfkrieg 1991. Während die USA irakische und kuwaitische Städte | |
angreifen und sich später Saddam Hussein zurückzieht, möchten ARD und ZDF | |
ihre Zuschauer*innen auch morgens über die Geschehnisse der Nacht | |
informieren. Damals gibt es keine Nachrichten in den frühen Stunden, nur | |
Frühstücksfernsehen bei den privaten Sendern. | |
Weil die Sondersendungen zum Golfkrieg gut ankommen, einigen sich ARD und | |
ZDF, den Sendeplatz für ein Nachrichtenmagazin zu teilen und so Kosten zu | |
sparen. Eine Woche sendet die ARD aus Köln, in der nächsten das ZDF aus | |
Berlin. Am 20. Juli 1992 ging das ZDF mit dem „Moma“ auf Sendung, eine | |
Woche zuvor hatte die ARD vorgelegt. | |
Eine Erfolgsgeschichte, dabei war am Anfang gar nicht klar, ob das | |
funktioniert, denn in Deutschland stehen nicht so viele Fernseher in der | |
Küche wie zum Beispiel in den USA. Doch die Zahlen steigen seit 25 Jahren | |
stetig. Begonnen mit 1,72 Millionen, liegt die Quote mittlerweile bei 3,9 | |
Millionen über die gesamte Sendezeit. Pro Minute schauen ungefähr 700.000 | |
Menschen zu. Die beiden Morgenmagazine von ARD und ZDF sind die meist | |
gesehenen Programme am Morgen. | |
7.10 Uhr: Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ist zugeschaltet. Es geht | |
um die Obergrenze für Geflüchtete. Als Jana Pareigis fragt, ob | |
EU-Mitgliedsstaaten, die keine Geflüchteten aufnehmen, sanktioniert werden | |
sollen, kommt Scheuer ins Schwimmen. Seine Antworten bleiben vage. Pareigis | |
unterbricht, hakt nach. | |
## Gern auch mal eine Straßenumfrage | |
Genau das sei ihre Aufgabe als politische Moderatorin, sagt sie später im | |
Büro. Mitri Sirin sitzt ihr gegenüber. „Man wirkt immer unhöflich als | |
Moderator, wenn man in einer Schalte dazwischen geht. Und trotzdem muss man | |
reingehen“, sagt er. „Politiker sind sehr geschult. Sie wissen natürlich, | |
dass sie, je länger sie sprechen, weniger Fragen beantworten müssen.“ | |
Fünf, maximal sechs Minuten bleiben für die Interviews. Nicht besonders | |
viel. Für die Sendung ist es trotzdem wichtig, dass jeden Tag die erste und | |
zweite Reihe der Bundespolitik im Studio steht oder zugeschaltet ist. | |
„Wir wollen die politische Debatte des Tages einläuten. Und dafür gibt es | |
vor allem den Deutschlandfunk und das ‚Morgenmagazin‘ “, sagt | |
Redaktionsleiter Andreas Wunn. In seinem Büro läuft stumm der Fernseher | |
weiter, in Studio 1 interviewt Mitri Sirin gerade Hubertus Heil. Das „Moma“ | |
wolle bunt und abwechslungsreich sein, sagt Wunn. „Aber der Fokus liegt | |
klar auf Aktualität.“ | |
Das ZDF sendet sein Morgenmagazin aus Berlin, mit der Politik direkt vor | |
der Tür. Die ARD muss für Politikerinterviews ins eigene Hauptstadtstudio | |
schalten. Dafür gibt es ein bisschen mehr Servicethemen, gern auch mal eine | |
Straßenumfrage. | |
Seit 2009 konzentriert sich das ZDF-Pendant mehr auf aktuelle Politik. | |
Damals wurde Wulf Schmiese als Hauptmoderator ins „Moma“ geholt. Eine | |
Überraschung, denn Schmiese war bis dahin politischer Korrespondent der | |
Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ein Printmann, der die politische | |
Berichterstattung stärken sollte. | |
## Der „Innovationsmotor“ | |
Schlüsseljahr war 2015: Im Oktober fuhr Dunja Hayali für das „Moma“ nach | |
Erfurt auf eine Demonstration der AfD. Der Beitrag, den sie mitbrachte, | |
sorgte für viel Aufmerksamkeit. Die einen feierten sie dafür, auf die | |
Demonstranten zuzugehen und einfach zu fragen, weshalb sie gekommen seien. | |
Die anderen schrien „Lügenpresse“ und „Zensur“. | |
„Wir haben danach das Rohmaterial ins Netz gestellt. Da ist es dann | |
explodiert. Von da an war Dunja und das Thema Hate Speech sehr stark im | |
Fokus“, sagt Mitri Sirin. Die Polarisierung der politischen Landschaft hat | |
das „Moma“ politisiert. „Wir sind im ‚Morgenmagazin‘ viel härter als… | |
vor ein paar Jahren und machen auch unsere halben Stunden regelmäßig mit | |
den großen politischen Themen auf“, sagt Wunn. | |
„Innovationsmotor“, nennt ZDF-Chefredakteur Peter Frey die Sendung. Aber | |
wie viel Innovation passt in ein Format, das so durchgetaktet und | |
vollgepackt ist? Alle halbe Stunde Nachrichten, ein kurzes Interview, | |
Kultur, Sport, ein bisschen Service, Wetter, ein kleiner Plausch am Rande. | |
Und wieder von vorn. | |
Vielleicht ist damit aber auch eben dieser Umgang mit den Aufnahmen der | |
AfD-Demonstration gemeint. Die journalistische Arbeit transparent machen | |
ist ein Thema, das viele Redaktionen beschäftigt. Es ist der Versuch, | |
irgendwie damit umzugehen, dass immer mehr Menschen alternativen Medien | |
vertrauen, wo sich Hass, Verschwörungen und Medienkritik vermengen. | |
In der Herangehensweise ist das keine Innovation. Quellen prüfen, sich ein | |
Bild von der Lage machen gehörte schon immer zum Handwerk. Aber wie | |
Journalismus vermittelt wird, ist neu. „Ich glaube, was sich generell | |
verstärkt, ist, dass man noch stärker zu Menschen geht“, sagt Pareigis. | |
Dies sei auch im Hinblick auf die Bundestagswahl wichtig. „Wie können wir | |
eine Verbindung zu den Menschen herstellen?“ | |
## Mittags | |
Die größte Reform steht aber 2018 noch bevor: Das ZDF-„Mittagsmagazin“ | |
zieht von Mainz nach Berlin und wird von derselben Redaktion verantwortet. | |
„Das ‚Mima‘ aus Berlin wird politischer werden, und es wird mehr prominen… | |
Gäste geben“, sagt Wunn. Die ARD macht es genauso: Ihr Mittagsmagazin wird | |
künftig vom Rundfunk Berlin-Brandenburg produziert, dessen Intendantin | |
Patricia Schlesinger ihrem Sender ein stärkeres politisches Profil geben | |
will. Das ARD-„Mima“ wird sogar in dasselbe Studio ziehen. | |
„Das technische Personal kommt von beiden Sendern, die Redaktion wird | |
strikt getrennt. Das ist eine Kooperation zwischen ARD und ZDF, die es so | |
in der Form bei einer täglichen Regelsendung bisher nicht gab“, sagt Wunn. | |
Konkurrenz, könnte man sagen, belebt das Geschäft. | |
21 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Amna Franzke | |
## TAGS | |
ARD | |
ZDF | |
Dunja Hayali | |
RBB | |
Journalismus | |
Öffentlich-Rechtliche | |
Liebeserklärung | |
taz.gazete | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Störer bei Hayali und Stelter: Lasst sie ihre Arbeit machen! | |
Ob ZDF-Morgenmagazin oder WDR-Karneval: Störenfriede, die einfach auf die | |
Bühne stürmen, sind nicht mutig, sondern respektlos. | |
Für den BR zu teuer, für den RBB nicht: Das leisten wir uns | |
Der RBB erneuert das „Mittagsmagazin“: Dafür zieht die Sendung von München | |
nach Berlin um. Es geht auch um Verschiebungen innerhalb der ARD. | |
Debatte Medienkritik: Lust am Dogma | |
Journalisten als eifernde Frontkämpfer? Warum es zu einer Vertrauenskrise | |
zwischen dem Schreiber und dem Leser gekommen ist. | |
Sportrechte bei den Öffentlich-Rechtlichen: Wer nichts mehr zu verlieren hat | |
Live-Sportrechte gehen gerade immer mehr an private Anbieter. ARD und ZDF | |
mögen das schlimm finden, dabei ist es eine große Chance für sie. | |
Kolumne Liebeserklärung: Nichts Neues aus Entenhausen | |
Rallyefahrerin Heidi Hetzer hat es allen gezeigt: Weltreisende kehren | |
ebenso kleingeistig wieder, wie sie von dannen ziehen. | |
Referendum in der Türkei: Nein, Ja, Jein! | |
Die Befürworter der Verfassungsänderung dominieren mit ihren Kampagnen die | |
klassischen Medien. Ihre Argumente überzeugen nicht alle. |