# taz.de -- Bilanz der G20-Gipfel-Gegner: „Die Lösung muss global sein“ | |
> Vernetzung, vielfältiger Protest, Diskussionen über Alternativen zu G20: | |
> Drei internationale AktivistInnen ziehen ihre Bilanz des Gegengipfels. | |
Bild: „Die Leute waren alle total friedlich“: feiernde Demonstrant*innen be… | |
Vor dem G20-Gipfel haben wir AktivistInnen aus aller Welt nach ihren | |
Erwartungen gefragt. Haben diese sich in Hamburg erfüllt? Drei Protokolle: | |
„Kurz bevor mein Panel beim Gipfel für globale Solidarität begann, hatte | |
ich den Eindruck, dass die Polizei ganz Hamburg übernommen hat. Wegen dem | |
Besuch der Staatsgäste hatten wir Probleme, uns in der Stadt zu bewegen und | |
Kampnagel überhaupt zu erreichen, es fuhren keine Busse. Trotzdem waren auf | |
dem Gegengipfel Tausende Menschen. Jedes Panel, jeder Workshop, bei dem ich | |
war, war bis auf den letzten Platz gefüllt. | |
Ich habe mich sehr darüber gefreut, VertreterInnen verschiedener NGOs zu | |
treffen, die mich sehr beeindruckt haben. Allein bei meinem Panel „Für eine | |
offene Gesellschaft: Solidarität gegen Abschottung und Rassismus“ haben | |
auch eine Frau aus Kenia von Women in Exile gesprochen, einer Initiative | |
von Flüchtlingsfrauen, und der Präsident einer Selbstorganisation | |
abgeschobener Menschen aus Mali. Der Gipfel war für mich ein sehr | |
besonderes Ereignis. Wir sind eine Graswurzelorganisation, wir arbeiten | |
direkt mit MigrantInnen und haben normalerweise nicht so viel | |
internationalen Austausch. Aber jetzt nehme ich viele interessante Kontakte | |
mit nach Hause. | |
Wir müssen anfangen, stärker zusammenzuarbeiten. Flucht und Vertreibung | |
sind globale Probleme, die die Menschen überall vor dieselben | |
Schwierigkeiten stellen. Manche müssen mit Kriegen umgehen, andere nicht – | |
aber strukturell ist es überall dasselbe. Das Problem ist global, deshalb | |
muss auch die Lösung global sein.“ | |
MARTA SÁNCHEZ SOLER, 76, Migrations-Aktivistin aus Mexiko | |
*** | |
„Ich war einige Tage in Hamburg und habe viele Demos und Aktionen | |
mitgemacht: Die Tanzdemo, mehrere Workshops beim Gipfel für globale | |
Solidarität, die Demo am Donnerstagabend, bei der die Polizei so stark | |
provoziert hat, und ich war auch Teil der Blockaden und des zivilen | |
Ungehorsams am Freitag. | |
Mein Eindruck von der Demo am Samstag war dann, dass unglaublich stark | |
mobilisiert wurde. Die Anzahl der TeilnehmerInnen war enorm, und die | |
Menschen haben es geschafft, die Angst zu besiegen, das Gefühl der | |
Unsicherheit, das in den letzten Wochen und Tagen von der Polizei und dem | |
Hamburger Senat geschürt wurden. | |
Die Stimmung wurde den Anliegen der Demo absolut gerecht. Es gab | |
vielfältige, kreative Artikulationen zu verschiedenen Themen, Migration, | |
Flucht, Klima und weltweiter soziale Gerechtigkeit. Bei der Demo wurde | |
klar, dass es Alternativen zur gegenwärtigen Politik gibt. | |
Die Mächtigen haben in diesen Tagen ihre Unfähigkeit gezeigt, die großen | |
Herausforderungen der Welt anzugehen. Ich bin ungern pessimistisch, aber | |
wenn man die Abschlusserklärung des offiziellen Gipfels liest, ist es, als | |
ob die G20 versuchen, das Ende der Welt zu managen. Sie tragen dazu bei, | |
unser Ökosystem zu zerstören. Sie schützen die Interessen von wenigen. Sie | |
lassen Millionen Menschen verhungern und im Elend leben. Sie machen all dem | |
kein Ende – aber das bedeutet, dass wir sie stoppen müssen. | |
Die Erkenntnis bleibt, dass wir eine stärkere, bessere Strategie als zuvor | |
brauchen, um uns zu vernetzen. Wir haben in den vergangenen Jahren nicht | |
genügend Allianzen gebildet. Man kann zwar auf lokaler oder städtischer | |
Ebene zum Teil schon sehen, dass es Alternativen zur gegenwärtigen Politik | |
gibt. Aber das brauchen wir auch auf nationalem und globalem Level. Unsere | |
Aufgabe wird nun sein, nicht nur für ein paar Tage zusammenzukommen, | |
sondern uns langfristig zu vernetzen. Damit müssen wir jetzt unbedingt | |
anfangen.“ | |
GIUSEPPE CACCIA, 48, Exvizebürgermeister und Allzeitaktivist aus Italien | |
*** | |
„Mein Besuch in Hamburg war eine sehr intensive Erfahrung. Ich konnte gar | |
nicht anders, als das, was ich gesehen habe, mit Argentinien zu | |
vergleichen. Vor allem die jungen Menschen haben hier offenbar einen ganz | |
anderen Zugang zu Politik und Demonstrationen als in Argentinien. Sie sind | |
viel radikaler hier, viel antikapitalistischer. Das war, muss ich sagen, | |
wirklich überwältigend zu sehen. | |
Ich war auf zwei Demos, bei „Lieber tanz ich als G20“ und bei „Welcome to | |
hell“. Die waren natürlich sehr unterschiedlich – die erste war bunt und | |
fröhlich, das war einfach eine Party. Aber auch bei der zweiten waren die | |
Leute total friedlich. Trotzdem hat die Polizei die Demo direkt gestoppt – | |
wegen diesem deutschen Gesetz, das DemonstrantInnen verbietet, ihr Gesicht | |
zu verdecken. Ich musste ein paar Mal ganz schön rennen, das war natürlich | |
nicht so schön. Aber ich wiederhole gerne noch mal: Die Leute waren alle | |
total friedlich. | |
Zusammen mit anderen habe ich einen Workshop gegen den neoliberalen | |
Welthandel gegeben, bei dem es um den WTO-Gipfel Ende 2017 in Argentinien | |
ging. Gleichzeitig war das natürlich auch schon eine Vorbereitung auf den | |
nächsten G20-Gipfel, der 2018 ebenfalls in Argentinien stattfindet. Wir | |
haben Kontakte zwischen AktivistInnen in Deutschland und Argentinien | |
geknüpft, um uns langsam auf die Organisation des Gegengipfels | |
einzustellen. Auch beim argentinischen Gegengipfel wird es natürlich um den | |
globalen Kampf gegen die Politik der G20 gehen. Ich bin sicher, dass das | |
ein riesiges Ereignis werden wird.“ | |
LUCIANA GHIOTTO, 39, Attac, organisiert 2018 den G20-Gegengipfel aus | |
Argentinien | |
9 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Patricia Hecht | |
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