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# taz.de -- AKW Brokdorf darf wieder ans Netz: Rostlaube auf halber Kraft
> Das Atomkraftwerk in Schleswig-Holstein darf wieder mit Brennstoff
> beladen werden, aber nur mit gedrosselter Leistung.
Bild: Der Betreiber des Atomkraftwerks Brokdorf muss die Leistung des Meilers z…
Hamburg taz | Kein Atomkraftwerk in Norddeutschland war und ist so
umstritten wie Brokdorf im Südwesten Schleswig-Holsteins. In den 1970er-
und 1980er-Jahren lieferten sich Atomkraftgegner blutige
Auseinandersetzungen mit der Polizei. Jetzt ist es ruhiger um den Meiler
geworden. Wegen Rostbefall der Brennstäbe steht er schon seit mehr als fünf
Monaten still. Im August könnte er wieder ans Netz gehen, allerdings mit
gedrosselter Leistung.
Das Energie- und Umweltministerium in Kiel hat bereits zugestimmt, dass der
Reaktorkern mit frischen Brennelementen beladen werden kann. Voraussetzung
ist, dass die Leistung und der sogenannte Lastfolgebetrieb nun reduziert
werden. „Der Betreiber Preussen Elektra dreht jetzt das Rad elf Jahre
zurück und stellt die Anlage auf den Betrieb von vor 2006 ein“, sagte
Energiewendeminister Robert Habeck (Grüne) am Montag in Kiel. Für diese
Zeit gebe es eine gesicherte Betriebserfahrung mit dem betroffenen
Hüllrohrmaterial.
„Brokdorf fährt künftig also im abgesicherten Modus“, so Habeck. Die
Leistung werde auf 95 Prozent reduziert, die Lastwechselgeschwindigkeit –
also das schnelle Hoch- und Runterfahren des Reaktors – halbiert. Mit der
Zustimmung zum Beladen des Kerns sei noch nicht automatisch die Zustimmung
zum Wiederanfahren verbunden, betonte der Grünen-Politiker. Der Leiter der
Atomaufsicht, Jan Beckmann, rechnet damit, dass der Meiler in zwei Wochen
zumindest bereit zum Wiederanfahren sein könnte.
Bei der bislang letzten planmäßigen Revision Anfang Februar 2017 hatten
Ingenieure entdeckt, dass etliche Brennstäbe im Reaktor zu stark oxidiert
sind. Oxid-Ablagerungen auf den atomaren Brennelementen sind nichts
Besonderes: Sie entstehen, wenn sich ihre metallene Außenhaut mit
Sauerstoff und Wasserstoff im Kühlwasser verbindet. Grenzwerte legen fest,
wie dick diese Schicht nach einer bestimmten „Brennzeit“ im Reaktor sein
darf. Eine zu starke Oxidation kann die Schutzhülle der Brennstäbe
angreifen und brüchig machen. Im schlimmsten Fall könnte Radioaktivität
freigesetzt werden.
## Die CDU unterstützt Habecks Kurs
Der Grenzwert liegt für die gesamte Einsatzdauer eines Brennelementes – in
der Regel sind das etwa fünf Jahre –bei einer Oxidschichtdicke von
höchstens 100 Mikrometer – ein Mikrometer entspricht einem tausendstel
Millimeter. In Brokdorf lag der Wert bei mehreren Brennstäben bei 152
Mikrometer, obwohl sie erst zwei Jahre im Einsatz waren.
Umweltminister Habeck verfügte damals umgehend, dass das AKW nicht wieder
hochgefahren werden darf. Er sprach von einem ernsten Fall: „Ein solch
schnelles Anwachsen der Schicht ist in Deutschland noch nicht bekannt
geworden und sprengt alle bisherigen Prognosen.“ Die Auflage: Erst müsse
der Betreiber die Ursache geklärt haben, ehe das AKW wieder ans Netz gehen
dürfe.
Dies war offensichtlich nicht einfach. Erst im Mai legte Preussen Elektra,
die beim Energiekonzern Eon für die Atomkraftsparte zuständig ist, einen
Schadensbericht vor. Diesen hat das Ministerium in den vergangenen Wochen
geprüft und mit eigenen sowie externen Untersuchungen abgeglichen.
Habeck zufolge haben mehrere Faktoren zu der Oxidation geführt. Neben dem
Hüllrohrmaterial seien der Hochleistungskern und ein immer häufigeres,
schnelles Hoch- und Runterfahren des Reaktors die Gründe. 2006 hatte das
Ministerium eine Leistungserhöhung genehmigt, die eine elektrische
Bruttoleistung von 1480 statt zuvor 1440 Megawatt ermöglichte. Seit 2011
praktizierte der Betreiber zudem häufiger den Lastfolgebetrieb, je nach
Auslastung der Stromnetze. Ab 2015 sei diese Lastwechselfahrweise weiter
intensiviert worden, sagte Habeck.
Ergänzend zu den Betriebsänderungen soll Preussen Elektra noch weitere
Maßnahmen ergreifen, um die chemischen Randbedingungen im Reaktor zu
verbessern. Die CDU unterstützt Habecks Kurs. „Sicherheit geht vor“, sagte
gestern der christdemokratische Landtagsabgeordnete Andreas Hein. „Die seit
dem Jahr 2015 durchgeführten Lastwechsel haben sich nicht bewährt und sogar
der Anlage geschadet.“
17 Jul 2017
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Brokdorf
AKW
Schleswig-Holstein
Robert Habeck
Anti-Atom-Bewegung
Atomaufsicht
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Schwerpunkt Atomkraft
Tschernobyl
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