# taz.de -- Kommentar Ergebnisse des G20-Gipfels: Chaos draußen, Chaos drinnen | |
> Der G20-Gipfel war ein Fehlschlag. Hinter den Randalen verschwand das | |
> Wichtigste: wie die Staaten bei allen drängenden Themen versagen. | |
Bild: Für den Klimaschutz ist Donald Trump genau zur falschen Zeit Präsident … | |
Jahrelang hatte sich A68 auf diesen Termin vorbereitet, dann kam er doch | |
drei Tage zu spät. Wäre der gigantische Eisberg schon am letzten Wochenende | |
vom Larsen-C-Eisfeld in der Antarktis abgebrochen, vielleicht hätte er die | |
mediale Katastrophe des G20-Gipfels von Hamburg noch verhindert. | |
Denn seit einer Woche sind alle Zeitungen und Talkshows voll von den | |
Randalierern, die im Schanzenviertel Feuer legten. Aber niemand spricht von | |
der mageren Bilanz der Chaoten, die in der Elbphilharmonie Beethovens | |
„Freude, schöner Götterfunken“ hörten. | |
„Philharmonie“ ist die Liebe zur Harmonie. Die aber fehlte nicht nur im | |
Schanzen-, sondern auch im Chancenviertel: Die Staats- und Regierungschefs | |
der G20 haben während ihres Treffens keinen einzigen Fortschritt dahin | |
gehend erreicht, dass die Welt besser oder sicherer würde. Weder beim | |
Klimaschutz noch bei der Armutsbekämpfung, noch der verbesserten Bildung, | |
noch dem Kampf gegen Seuchen, noch der Gleichstellung von Frauen hat | |
Hamburg wirklich Spuren hinterlassen. | |
In den Debatten über freien Handel, ein sicheres Weltfinanzsystem, die | |
Bekämpfung der Steuerflucht oder des Terrorismus gab es nichts Neues. Da | |
galt es schon als Fortschritt, dass es keinen Rückschritt gab. | |
Das ist nicht nur eine Bankrotterklärung der Politik. Sondern bei manchen | |
Themen schlicht falsch. Sicher gibt es Bereiche, wo Beschlüsse der G20 | |
zweitrangig sind. Aber bei anderen Themen hat Nichthandeln schwere | |
Konsequenzen. Wer die akute Hungersnot in Ostafrika nicht jetzt bekämpft, | |
verurteilt Hunderttausende von Menschen zum Tod. | |
## Die entscheidenden Jahre für den Klimaschutz | |
Wer nicht sofort in Bildung und Gesundheit investiert, schafft in vielen | |
Ländern die nächste verlorene Generation. Und wer nicht sofort drastische | |
Maßnahmen gegen den Klimawandel beschließt, wird bald noch viele Eisberge | |
wie A86 abbrechen sehen. | |
Da kommt US-Präsident Donald Trump genau zur falschen Zeit. Zehn Jahre | |
früher oder später hätte er kaum großen Schaden anrichten können. Doch | |
genau in seine Amtszeit bis 2020 fallen die entscheidenden Jahre des | |
globalen Klimaschutzes: Jetzt müssen die weltweiten CO2-Emissionen ihren | |
Höhepunkt erreichen und schnell fallen, jetzt müssen die Investitionen in | |
saubere Technik beschlossen werden, jetzt müssen technische und finanzielle | |
Hilfen für die armen Länder konkret werden. | |
All das müssen die G19 umso dringender umsetzen, je ignoranter und | |
gefährlicher die Politik aus Washington wird. Aber dafür bräuchte es mehr | |
als Freude über die Selbstverständlichkeit, dass das Pariser Abkommen zum | |
Klimaschutz gilt. | |
Zur miesen Bilanz von Hamburg gehört auch die Randale. Diskussionen über | |
die Gewalt von Autonomen und Polizei sind berechtigt, drängen aber eine | |
ehrliche Gipfelbilanz völlig in den Hintergrund. Wer meint, mit Krawallen | |
stoße er eine Debatte über globalen Kapitalismus, über Flüchtlingspolitik | |
und Klimawandel an, handelt falsch und lebt in einer Traumwelt. | |
## Die Riots sind systemstabilisierend | |
Die Wohlstands-Riots in Hamburg haben mit den dringend nötigen | |
Veränderungen auf der Welt nichts zu tun. Im Gegenteil, sie verstellen den | |
Blick darauf, was die G20 in Hamburg hätten tun müssen. Sie sind in diesem | |
Sinne systemstabilisierend, nicht etwa Teil einer ersehnten Revolution. | |
Für echte Veränderungen braucht es kluge Köpfe, Kompromisse und breiten | |
Widerstand der Zivilgesellschaft. Der simulierte Bürgerkrieg verhindert | |
genau das. Die nötigen Revolutionen kommen nicht durch brennende Autos im | |
Schanzenviertel, sondern durch technischen und sozialen Fortschritt in den | |
Industrie- und Schwellenländern, durch saubere Technik, weniger Korruption, | |
mehr Transparenz, bessere Bildung, Hilfe durch Kapital(!)flüsse. | |
An diesen Aufgaben ist der G20-Gipfel wieder einmal grandios gescheitert. | |
Wer beklagt oder sich freut, dass „Hamburg brennt“, sollte nicht vergessen: | |
Der Rest der Welt steht noch viel mehr in Flammen. | |
16 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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