# taz.de -- TV-Kritik zu „Durch die Nacht mit …“: Bildungsbürger sind nu… | |
> In der Arte-Serie „Durch die Nacht mit …“ streift Schauspielerin Martina | |
> Gedeck mit Schriftsteller Navid Kermani durch Neapel. | |
Bild: Gedeck und Kermani sind sich einig: ob Tanzen oder Sex – je besser, des… | |
„Durch die Nacht mit …“ geht in die Bildungsbürger-Edition. Während die | |
Arte-Serie in der Vergangenheit öfter mal Kultcharaktere aufeinander | |
knallen ließ wie Jonathan Meese und Jessica Schwarz, Katharina Thalbach und | |
Nina Hagen, wirkt das aktuelle Setting eher brav. Die Feuilletonschützlinge | |
Martina Gedeck und Navid Kermani wandern durchs nächtliche Neapel. Die | |
Großschauspielerin und der Großschriftsteller, unterwegs in der | |
italienischen Klischeegroßstadt – und dann kündigt der Pressetext auch noch | |
an, man spreche über „Liebe, Leidenschaft, Literatur“. Klingt zunächst | |
behäbig. | |
Doch dieses Urteil ist vorschnell. Klar gilt es zunächst den pädagogischen | |
Teil auszuhalten – Arte verpflichtet: Besuch der Katakomben, | |
Goethe-Referenzen, Gallerie d’Italia. Gedeck hält sich an ihrer getönten | |
Sonnenbrille fest und sagt Sachen wie: „Oh, diese Farben!“ Kermani doziert | |
über orientalische Liebesgeschichten und die heilige Ursula. Überhaupt ist | |
alles ziemlich transzendent; ein angestrengter Erklärbeitrag spricht vom | |
Blutwunder, es ist die Rede von Gott und Engeln. | |
Irgendwann aber fängt es an zu regnen (Petrus sei Dank?), und die Fassaden | |
weichen ein bisschen auf. Die beiden Kulturtouristen kommen in einem | |
Plastikplanen-Restaurant zu sitzen. Und je mehr die Schauspielerin und der | |
Schriftsteller sich gehen lassen, desto mehr genießt man als Zuschauer den | |
Abend. Auch Bildungsbürger sind nur Menschen. Ein mützetragender Musiker | |
trällert irgendwas auf Neapolitanisch. Martina Gedeck sagt mit vollem | |
Mund: „Schön, wie der singt, der steht einfach nur da.“ Kermani erzählt, | |
dass er sich mit seinem besten Freund statt zum Reden zum Autofahren | |
trifft. | |
Dann rekapitulieren die zwei ihr erstes Aufeinandertreffen bei der | |
Bundespräsidentenwahl. Der Dialog ist wie aus einem Drehbuch: „Eine | |
Freundin hat gesagt, ich soll Sie betrunken machen. (…) Sie meinte, Sie | |
seien so ernst.“ – „Ich hätte auch gedacht, dass Sie ernst sind.“ – … | |
Reichstag haben wir ernste Gespräche geführt, als wir da warteten auf den | |
Gauck. Äh, den Wulff.“ – „Haben wir da überhaupt gesprochen?“ | |
Befürchtete man am Anfang noch, das süditalienische Verkehrsverhalten | |
produziere die aufregendsten Momente der Folge, wird es schließlich auch im | |
Auto spannend. Auf dem Heimweg von einer Tango-Bar geht’s um Tanzen und | |
Sex. Je besser, desto blöder sieht’s aus – darauf einigen sich Gedeck und | |
Kermani und lutschen kichernd an Burgtheater-Minzbonbons. Es ist eine | |
dieser typischen komplizenhaften „Durch die Nacht mit“-Rückbankszenen, bei | |
der man selbst gern in der Mitte säße. Der Abend endet auf einer | |
Aussichtsplattform, mit Flaschenbier vom Kiosk. Gedeck zitiert Goethe vom | |
Smartphone. Und sagt: „Jetzt bleiben wir einfach hier.“ | |
2 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Kathrin Müller-Lancé | |
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