Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Austrocknung und Rekultivierungsstau: Die größte Kiesgrube Europas
> Im brandenburgischen Mühlberg wehrt sich eine Bürgerinitiative gegen den
> Abbau von Sand und Kies. Nicht nur dort gibt es Probleme damit.
Bild: 500 Millionen Tonnen Kies, Sand, Naturstein und Quarzsand fördert die Br…
Berlin taz | Zehn Quadratkilometer, das ist in etwa die Fläche eines
größeren Dorfs. Im brandenburgischen Städtchen Mühlberg soll in dieser
Größenordnung Kies und Sand abgebaut werden. Seit 40 Jahren leben die
Mühlberger nun schon mit und von dem Verkauf von Baustoffen nach Berlin
oder Hamburg.
Doch der Widerstand wächst. Am Donnerstag reagiert der Brandenburger
Landtag; die Abgeordneten wollen beschließen, die Genehmigungen der
Bergwerksbetreiber künftig jährlich zu überprüfen, außerdem drohen Strafen,
wenn die Betriebe stillgelegte Flächen nicht rekultivieren.
Für Sigrid Käseberg ist das zu wenig. Die Vorsitzende des Vereins „Für eine
Heimat mit Zukunft“ hat vor allem Angst um das Grundwasser der Region. „Die
Kiesgruben bei Mühlberg sind bis zu 40 Meter tief“, sagt sie, „darum gibt
es einen Austausch mit dem Grundwasser“. Es werde verschmutzt – vor allem,
wenn die benachbarte Elbe Hochwasser führe. „Künftig soll sogar in
Polderflächen direkt am Fluss Kies gewonnen werden“, sagt Käseberg.
Die entsprechenden Flächen würden von der Bodenverwertungs- und
-verwaltungs GmbH schon zum Verkauf angeboten – und seien für den
Hochwasserschutz dann nicht mehr geeignet, so Käseberg. Abgesehen davon
seien tiefe Baggerseen grundwasserzehrend – das heißt, Brunnen, Teiche und
Böden in der Region trocknen aus.
Auch die Grünen im Brandenburger Landtag sehen Handlungsbedarf in Mühlberg.
Dort herrsche ein „Rekultivierungsstau“, der so schnell wie möglich
abgebaut werden müsse, fordert die Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky.
Man sei nicht gegen den Abbau von Kies und Sand generell, sagt Käseberg von
der Bürgerinitiative, doch in Mühlberg werde zu viel und zu schnell
gegraben. Inzwischen gilt Mühlberg als größte Kiesgrube Europas.
## Bürgerinitiativen gibt es überall
Die Probleme – sinkende Grundwasserspiegel und Zielkonflikte mit anderen
Arten der Bodennutzung, etwa der Landwirtschaft oder dem Naturschutz –
finden sich aber nicht nur in der Riesengrube im Süden Brandenburgs. Zwar
sagt der Bundesverband mineralische Rohstoffe (Miro), dass der Widerstand
gegen den Tagebau von Kies und Sand überall dort am geringsten sei, wo
schon Kiesgruben arbeiteten. Rund 1.600 Unternehmen zählt die Branche, 500
Millionen Tonnen Kies, Sand, Naturstein und Quarzsand fördern sie jährlich
– je nach Konjunktur. Doch gibt es in der ganzen Republik
Bürgerinitiativen und Umweltgruppen, die sich gegen den Tagebau wehren,
aber nur lokal arbeiten und überregional nicht sichtbar werden.
In Hannover etwa streiten Archäologen und Wirtschaftsförderer, weil das
„Römerlager Wilkenburg“ in Niedersachsen einer Kiesgrube weichen soll. Die
Römerfreunde wollen dort lieber weiter nach Münzen aus der Zeit um Christi
Geburt suchen – das Baustoffunternehmen Holcim aber Baustoffe fördern.
Im hessischen Werschau fürchtet die Bürgerinitiative gegen die Erweiterung
des Kieswerks um den Lebensraum seltener Tiere und Pflanzen. Der
Zielkonflikt des Tagebaus mit dem Naturschutz bereitet auch dem Verband
Miro Kopfzerbrechen. Es gebe eine Überplanung mit Schutzgebieten, immer
weniger Flächen seien zur Rohstoffgewinnung nutzbar.
Das Öko-Institut hatte kürzlich in seinem Bericht „Deutschland 2049 – Auf
dem Weg zu einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft“ gefordert, die
Bundesrepublik müsse bis zur Mitte des Jahrhunderts mit knapp der Hälfte
des heutigen Verbrauchs klarkommen. Beim Miro hält man das für
realitätsfern: Höchstens 12 Prozent der Primärmenge ließe sich
substituieren.
29 Jun 2017
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Tagebau
Bergbau
Umweltschutz
Kiesgrube
Hochwasser
Archäologie
Recycling
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nachfrage steigt, Angebot stagniert: Zu wenig Kies in Deutschland
Sand gibt es hierzulande eigentlich genug. Aber er kann oft nicht abgebaut
werden – und das lässt die Preise für den Baurohstoff steigen.
Hochwasser in Niedersachsen: Land unter
In Hildesheim steigen die Pegel der Innerste wieder. Goslarer Altstadt
stand unter Wasser. Wie hoch der Schaden am Weltkulturerbe ist, ist unklar.
Streit um Ausgrabungsstelle: Kiesabbau im Römerlager
Hannover will Rohstoffgewinnung auf archäologisch interessantem Terrain
erlauben. Denkmalpfleger sind empört.
Kreislaufwirtschaft in Deutschland: Schutt bleibt Dreck
Recyclingfirmen werden ihre Ware nicht los, denn diese könnte belastet
sein. Über Konflikte zwischen Ressourcen- und Umweltschutz.
Landkreis XXL: Eine Grube für die Bauern
Eine Abfalldeponie im Vogelschutzgebiet? Nicht nur Bauer Witte ist dagegen.
Auch der Kreistag der Region lehnt die 400-Tonnen-Schutthalde ab.
Naturparadies im Bauschutt: Laute Landschaften
Markus Gastl hat Tonnen von Bauschutt auf sein Grundstück gekippt und
darauf ein Paradies erschaffen. Er sagt, dass Vielfalt Armut braucht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.