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# taz.de -- Podcast-Boom in Deutschland: Die Jungs aus der Nerd-Ecke
> Podcasts erreichen in Deutschland eine beachtliche Zahl an Zuhörern.
> Besonders beliebt sind derzeit lustige Gesprächsformate.
Bild: In den Neunzigern war Nilz Bokelberg Viva-Moderator, heute macht er Podca…
Ausverkauft in noch nicht einmal zehn Minuten. Nichts Außergewöhnliches,
ginge es um das Konzert einer angesagten Band, allerdings sind es weder
Musiker noch Comedians, die hier auf der Bühne stehen. Genau genommen
sitzen die drei Männer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren den Großteil der
anderthalb Stunden in bequemen Sesseln und unterhalten sich.
Sie tun das, was man gemeinhin „labern“ nennt, und die Zuschauer, die ihnen
die Tickets förmlich aus den Händen gerissen haben, verfolgen ihre
aufgezeichneten Gespräche wöchentlich mit einer solchen Begeisterung, dass
sie die Gelegenheit unbedingt wahrnehmen wollen, das auch live zu erleben.
Der beschriebene Auftritt findet im Mai im eher kleineren Rahmen des Hard
Rock Café Berlin statt, aber Markus Herrmann, Donnie O’Sullivan und Nilz
Bokelberg haben auch schon das Astra ausverkauft, einen der beliebtesten
Liveclubs der Stadt. Sonst treten dort Acts wie Judith Holofernes, The
Notwist oder Clueso auf. Die drei sind die Stars des Podcasts „Gästeliste
Geisterbahn“, der seit zwei Jahren regelmäßig Woche für Woche über Kanäle
wie iTunes und Soundcloud gestreamt oder heruntergeladen werden kann.
Innerhalb kürzester Zeit haben sie sich damit deutschlandweit eine große
Fangemeinde erspielt, wie ihre gelegentlichen Liveauftritte beweisen.
Das liegt natürlich auch daran, dass sie als Medienmenschen seit Jahren in
der Öffentlichkeit stehen. Bokelberg als einer der ersten VJs des deutschen
Musiksenders Viva in den neunziger Jahren, aber mittlerweile vor allem als
Popkultur-Nerd und Social-Media-Aficionado. O’Sullivan als Moderator beim
populären Web-TV-Sender Rocket Beans und Herrmann als Blogger, Autor und
ehemaliger Social-Media-Redakteur der Pro7-Show „Circus Halligalli“.
## Podcasts sind raus aus der Nische
Dennoch ist es ein Phänomen, dass sie einem Audio-Format innerhalb einer
kurzen Zeitspanne so erfolgreich geworden sind, denn noch vor ein paar
Jahren war die Podcast-Kultur in Deutschland eine von der breiten
Öffentlichkeit [1][kaum wahrgenommene Nischenangelegenheit].
„Das erste Jahr in meinem Job habe ich größtenteils damit verbracht,
Menschen zu erklären, was Podcasts sind“, erinnert sich Maria Lorenz,
Produzentin von „Gästeliste Geisterbahn“ und weiterer Podcast-Formate.
Mittlerweile ist das anders. Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft
angekommen.
Über Smartphones oder Tablets begleiten sie die Hörer auf der morgendlichen
Fahrt zur Uni und zum Job oder ins Bett zum Einschlafen. Und seit sich ihre
Popularität herumgesprochen hat, probieren sich immer mehr namhafte
Medienpersönlichkeiten an diesem Format aus, bestätigt auch Lorenz:
„Künstleragenturen sagen zu ihren Künstlern: Das machen jetzt alle, das
musst du auch machen!“
## Podcasts verdienen sogar Geld
Maßgeblich zu diesem Boom beigetragen haben TV-Satiriker Jan Böhmermann und
Entertainer Olli Schulz, deren zweistündige Sendung „Sanft und Sorgfältig“
zwischen 2012 und 2016 beim Sender Radio Eins ausgestrahlt wurde und durch
die Bereitstellung in den Online-Mediatheken zum Podcast-Hit wurde. Der
medienwirksame Wechsel zum Streamingdienst-Anbieter Spotify, wo das Duo das
Konzept nun seit einem guten Jahr unter dem Titel „Fest und Flauschig“
fortsetzt, brachte den Begriff großflächig auf die medial-öffentliche
Agenda. Mehrere hunderttausend Menschen streamen wöchentlich die jeweils
neue Ausgabe, wird vermutet. Wie viele es genau sind, behält das
Unternehmen für sich.
Aus dem Umfeld von Böhmermann kommen auch Florentin Will und Stefan Titze,
die als Autoren für dessen Late-Night-Sendung „Neo Magazin Royale“
arbeiten. Seit Oktober 2015 gehören sie mit dem skurrilen
Unterhaltungspodcast „Das Podcast Ufo“ ebenfalls zu den populären Formaten
des Genres. Für den 26-jährigen Will ist es einer von fünf Podcasts, an
denen er regelmäßig beteiligt ist.
Obwohl es mittlerweile auch hierzulande durchaus üblich ist, über
Sponsoring und Crowdfunding damit tatsächlich auch Geld zu verdienen, will
er die Bedeutung nicht zu hoch hängen: „Vorrangig bringen mir Podcasts
einfach Spaß, das ist mein Hobby. Anstatt abends eine Stunde lang PS4 zu
zocken, nehme ich halt Podcasts auf“, sagt er.
## Wo sind die Frauen?
Auffällig ist allerdings, dass es wieder mal hauptsächlich Typen sind, die
beim Podcast-Boom breitenwirksam präsent sind. „Ich glaube, es spiegelt
einfach auch die Medienlandschaft im Allgemeinen wider“, vermutet Maria
Lorenz, die auch selbst als Podcasterin aktiv ist. „Es gibt viele
Bestrebungen, die weibliche Stimme im Podcast zu pushen“, und verweist auf
eine öffentliche Liste der Medienforscherin Nele Heise mit Frauenstimmen im
Netz.
Florentin Will ist sich ebenfalls sicher: „Da kommen auf jeden Fall welche
nach, es gibt hier und da kleinere Sachen, wie beispielsweise
‚Herrengedeck‘, die nachziehen. Wahrscheinlich hatten die Frauen da einen
kleinen Nachteil, weil das Ganze ursprünglich aus einer
Informatiker-Nerd-Ecke kam, aber ich glaube, sie werden da relativ schnell
aufholen.“
28 Jun 2017
## LINKS
[1] /Podcasts-in-Deutschland/!5259357
## AUTOREN
Jens Mayer
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