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# taz.de -- Erfolg von Podcast-Serien: Die neuen Geschichtenerzähler
> Subjektiv statt steif, prozess- statt ergebnisorientiert: Innovative
> Hörformate aus den USA verändern auch das deutsche Radio.
Bild: Wie kann man den Hörer fesseln?
Dit – dit – didadida – dit – dit – didadida – diii. Zum dritten Mal…
diesem Tag ertönt die Titelmelodie des Podcast „Serial“. Wer über
Innovation und Erfolg beim Erzählen von Audiogeschichten redet, kommt an
dieser Serie nicht vorbei. Das gilt auch dann, wenn der Deutschlandfunk zu
einem Kongress zum Thema Audio-Storytelling nach Köln lädt, auf dem es
darum geht, wie man Radio- und Podcast-Produktionen so modern und
ansprechend macht, dass sie die Hörer fesseln.
Dabei liegt es nahe, in die USA zu schauen – dort werden nicht nur die
Hörer stetig mehr, sondern auch die attraktiven Shows, die Werbeeinnahmen
und die Podcast-Labels. Eine ganze Riege von Audiojournalisten hat sich
dort inzwischen herausgeschält, deren radikal subjektive,
konventionsbrechende und horizontal erzählte Produktionen sich vom
traditionellen Radio unterscheiden.
Wie genau das geht? „Wir wissen auch nicht, was die geheime Zutat ist“,
sagen Luisa Beck und Avery Trufelman, Autorin und Redakteurin beim
erfolgreichen kalifornischen Design- und Architekturpodcast „99 percent
invisible“. Sie verschweigen allerdings auch nicht, wie aufwendig,
personal- und zeitintensiv der Produktionsprozess dieser so mühelos
daherkommenden neuen Podcast-Serien ist – und vor allem wie wenig
finanziell lukrativ für all die Freiberufler, die Geschichten dafür
beisteuerten.
John Biewen, einst Reporter beim National Public Radio, heute Dozent an der
Duke-Universität, betont: Auch in den USA habe die Entwicklung hin zu
neuen, innovativen Audioformaten Zeit gebraucht: Innovative Köpfe hätten
sich erst noch von eingefahrenen Radiomacher-Konventionen befreien müssen.
Ira Glass etwa, der die erfolgreiche Show „This American Life“ seit zwei
Jahrzehnten mit Gesellschaftsthemen und starken Erzählerpersönlichkeiten
prägt, oder Jad Abumrad vom aufwendig montierten Wissenschaftspodcast
„RadioLab“. „Diese Podcast haben auch uns andere befreit – uns ermögli…
die Regeln zu brechen“; sagt Biewen.
## Lockerer, natürlich-subjektiver Ton
Auch in Deutschland hat man sich an mutigere und aufwendigere Projekte
gewagt. Nachdem „Serial“ 2014 endgültig den Erfolg einfuhr, den andere
innovative US-Radioproduktionen längst gesät hatten, trauten sich
hierzulande gleich mehrere öffentlich-rechtliche Sendeanstalten an Serien
über Kriminalfälle und Sozialdramen. Ohne „Serial“ hätte es zum Beispiel
die NDR-Serie „Ungeklärte Verbrechen im Norden“ nie gegeben, räumt Autorin
Anouk Schollähn ein.
Sven Preger, Audio-Serienmacher für den WDR, hebt hervor, dass bei „Serial“
der Erkenntnisprozess im Zentrum stand, die Recherche so für den Hörer
konsequent nachempfindbar gemacht wurde – statt, wie häufig im deutschen
Radio, einfach das Ergebnis der eigenen Recherchen zu präsentieren.
Immer und immer wieder geht es auf der Kölner Konferenz aber auch um den
Erzählton. Man ist sich einig: Den Erfolg von „Serial“ habe der lockere,
natürlich-subjektive Ton ausgemacht, die verbindliche Art, wie Macherin
Sarah Koenig den Hörer an ihren Recherchen teilhaben und ihn immer wieder
an Schuld oder Unschuld des Protagonisten zweifeln ließ. Also, einfach
kopieren?
„Hätte ich das so gemacht, wäre das schrecklich gewesen“, so RBB-Journali…
Philipp Meinhold, der in den vergangenen Jahren zwei Audioserien
produzierte: eine über den Mord an Burak B. in Berlin-Neukölln und eine
über die Radikalisierung eines jungen Hamburgers, der für den „Islamischen
Staat“ nach Syrien ging und dort ums Leben kam.
Andere sind da weniger zurückhaltend: Der Sendung „Einhundert“ von
Deutschlandradio Wissen ist deutlich anzuhören, wie stark man sich dort an
US-Vorbildern, vor allem „This American Life“, orientiert.
## Geschichten zum Nacherzählen
Es scheint schwer zu sein, sich von erfolgreichen US-Strickmustern im
Storytelling zu lösen. Droht dadurch Gleichförmigkeit? Ein Korsett, in das
nicht jede Recherche passt?
Ingo Kottkamp, Redakteur beim Deutschlandradio Kultur, stellt den
„Story-Imperativ“, das Erzählen als Sine qua non im Radio in Frage. Durch
eine stark formatierte Ansprache der Hörer wie etwa bei „Serial“ werde es
zwar leichter, Geschichten zu erzählen – sie drohten aber, sich zu
verselbstständigen und den eigentlichen Inhalt an den Rand zu drängen.
Radiogeschichten, die man gern in einer Bar nacherzählen würde, seien zwar
ideal. „Das sind die Geschichten, die zu erleben wir uns wünschen“, so
Kottkamp. Das Problem sei nur: In solcher Reinheit ereigneten sie sich
nicht. All das will Kottkamp hingegen nicht als Plädoyer gegen formatiertes
Erzählen verstanden wissen. Ihm gehe es um mehr Vielfalt. Darum, nicht auf
Rezepte zu vertrauen. Um den Versuch, eigene Geschichten zu finden.
13 Mar 2017
## AUTOREN
Meike Laaff
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