Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: „Brumm, brumm!“
> Ein Verkehrsrichter im Wahrheit-Interview über Autoraser und Strafen, die
> bei Verkehrsverstößen tatsächlich Wirkung haben
Bild: Über die Autobahn rasen, liegt den Deutschen einfach im Blut
Dieter Sieboldt ist Richter am Amtsgericht Neu-Ulm. Erstmals gibt der
54-Jährige hier Auskunft über seine unkonventionellen Urteile in
Verkehrsstrafsachen.
taz: Herr Sieboldt, einige Ihrer Urteile haben bundesweit für
Gesprächsstoff gesorgt …
Dieter Sieboldt: Das war nicht meine Absicht. Aber wenn die Straftäter mit
meinen Urteilen leben müssen, dann muss ich als Richter eben auch mit
Urteilsschelte leben.
Sie haben zwei Zwanzigjährige wegen ihrer Beteiligung an illegalen
Autorennen dazu verurteilt, drei Jahre lang in einem Verkehrskindergarten
Dreirad zu fahren und dabei „Brumm, brumm, brumm!“ zu rufen.
Richtig. Und zwar täglich acht Stunden, fünfmal die Woche, auch an
Feiertagen, und ohne jeden Urlaub. Immer in die Runde! Wir haben einen
Live-Stream eingerichtet, damit man den beiden Delinquenten bei dieser
Verrichtung zusehen kann. Das ist wirksamer, als es Haftstrafen oder
Geldbußen wären.
Die Dreiräder sind jedoch auf die Anatomie von Kleinkindern zugeschnitten.
Nach uns vorliegenden Informationen sollen die Täter bereits nach vierzehn
Tagen über Bandscheibenbeschwerden und Knieprobleme geklagt haben.
Ich bitte Sie! Diese Burschen sind jung und gelenkig. Und da sie mit ihrem
Leichtsinn andere Verkehrsteilnehmer an Leib und Leben gefährdet haben,
müssen sie noch einmal von der Pike auf lernen, was es mit der
Straßenverkehrsordnung auf sich hat. Sie stehen dabei unter der Aufsicht
erfahrener Kindergärtner und Schülerlotsen und haben bei guter Führung das
Recht, in drei Jahren auf Laufräder umzusteigen. In sechs Jahren kommen
dann vielleicht kleine Tretroller in Betracht.
Einem anderen Angeklagten haben Sie den Führerschein auf Lebenszeit
entzogen …
Da blieb mir keine andere Wahl. Der Mann war mit 190 Stundenkilometern
durch eine Spielstraße gebrettert, um noch rechtzeitig zum Casting für
einen Donald-Trump-Ähnlichkeitswettbewerb zu erscheinen.
Stimmt es, dass Sie dem Mann auch sein Toupet entzogen haben?
Ja, aber nur für die Dauer von dreißig Jahren.
Kommt es auch vor, dass Sie mal ein Auge zudrücken?
Vor zwei Jahren wurde hier in der Nähe des Stadtparks eine Frau von einem
Fahrradkurier gerammt, der das Rotsignal ignoriert hatte. Sie brachte ihn
daraufhin zu Fall, indem sie ihren geschlossenen Regenschirm zwischen die
Speichen des Hinterrades stieß. Anschließend fügte sie dem Mann mit seinem
eigenen Kettenschloss Würgemale am Hals zu und sorgte auch für Frakturen im
Lendenwirbelbereich des Kuriers. Ich habe es mit einer kostenpflichtigen
Verwarnung für ihn bewenden lassen.
Und die Frau?
Auf meinen Vorschlag hin ist sie mit einem Sonderpreis der Deutschen
Verkehrswacht ausgezeichnet worden.
Wahrscheinlich sind Sie auch kein großer Fan der Formel 1 …
Ich gebe zu, dass es mir unverständlich ist, was den Leuten daran gefällt.
Das wahrhaft Ordinäre ist aber ja gar nicht das Rennen an und für sich,
sondern das Ritual bei der Siegerehrung, wenn die Autowettrennfahrer sich
gegenseitig aus kräftig geschüttelten Magnumflaschen Champagner ins Gesicht
spritzen. Erklären Sie das mal jemandem aus der Sahelzone.
Sie bedienen sich hier aber selbst gerade aus einer Flasche
Piper-Heidsieck.
Das ist ja wohl etwas anderes, als ihn Sebastian Vettel ins Gesicht zu
spritzen.
In Internetforen sind Ihnen harte Gegenmaßnahmen angedroht worden. Ein
wahllos herausgegriffenes Zitat hat den Wortlaut: „Richter Sieboldt, du
krancke Sau, wir lassen dich Auto-batterie-Säure saufen!!! & dann wirrstu
gefickt du Hurensohn von eimnem Deutschn der dir dass maul stopfen wird du
Misgeburt einer Kralle!!!“
Kralle?
Ja, da steht „Kralle“.
Sonderbar. Vielleicht stammt das von einem Falschparker, der schlechte
Erfahrungen mit Autokrallen gesammelt hat.
Können Sie den Volkszorn nachvollziehen, der Ihnen entgegenschlägt?
Den Volkszorn nachvollziehen? In meiner Freizeit habe ich wahrlich Besseres
zu tun.
In einem besonders aufsehenerregenden Fall haben Sie einem Raser die
Tatsache, dass an seiner Heckscheibe der Aufkleber „Ein Herz für Kinder“
prangte, als strafverschärfend angekreidet und den Mann zu 14.000 Stunden
unentgeltlicher Sozialarbeit in einer Krabbelstube verurteilt. Warum?
Der Aufkleber, von dem Sie sprechen, geht auf eine heuchlerische Initiative
der Bild-Zeitung zurück und deutet auf charakterliche Defizite aller
Kraftfahrer hin, die ihren Wagen damit verzieren. Der betreffende Herr hat
jetzt die Gelegenheit, sich zu bessern. Was soll daran verkehrt sein?
Fahren Sie selbst Auto?
Wo denken Sie hin? Ich habe eine Dienstlimousine mit Chauffeur. Und davon
abgesehen genügt es mir, mit den Verkehrssündern in meinem Gerichtssaal
Schlitten zu fahren.
Vielen Dank für das Gespräch und Hals- und Beinbruch, Richter Sieboldt!
26 Jun 2017
## AUTOREN
Gerhard Henschel
## TAGS
Raser
Biologie
Russland
Christian Wulff
Poesie
Illegale Autorennen
Russland
Adolf Hitler
Reichsbürger
## ARTIKEL ZUM THEMA
Revision im Prozess gegen Ku’damm-Raser: Bundesgerichtshof kippt Mord-Urteil
Der „nachträgliche Tötungsvorsatz“, den das Landgericht Berlin anführte,
sei im Strafrecht irrelevant. Das Gericht muss neu über den Fall
entscheiden.
Die Wahrheit: „Bsss wsss wsss …“
Im Wahrheit-Interview spricht Fliegenpsychologe Dieter Neumann erstmalig
über das stetig summende und brummende Getier.
Die Wahrheit: Blaue Bohnen im Ural
Moderner Städtebau: Am russischen Nordpolarmeer entsteht die Metropole
Schrödergrad für Millionen eisgestählte Einwohner.
Die Wahrheit: Liftboy mit Ehrensold
Deutschlands fleißigster Geringverdiener: die vielen Nebenjobs des
ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff.
Die Wahrheit: Gottes leiser Atem
Er ist nicht totzukriegen und rappelt sich munter durch die Welt der
komischen Poesie: Neues vom Schüttelreim. Eine Pulsabnahme.
Bundestag zu Verkehrsrowdys: Straftat „Rasen“
Illegale Autorennen können künftig härter bestraft werden, auch wenn sie
nicht zu Unfällen führen. Das gilt auch für „Allein-Raser“.
Die Wahrheit: Und Russland dankt
Insgesamt 570 Megatonnen Zahnstein als neues Mittel der Völkerfreundschaft:
Wie wir dem Iwan helfen, ohne dass es uns etwas kostet.
Die Wahrheit: „Ich habe eine Strähne“
Weil die Zeitzeugen rar werden, spricht nach Jahren des Schweigens nun
endlich auch der Neffe des Arztes von Hitlers Friseur.
Die Wahrheit: „Wir kehren mit eisernem Besen!“
Im Wahrheit-Interview spricht das neue deutsche Staatsoberhaupt, der
Reichsbürger und gewählte Kaiser Florian Bohrbach.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.