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# taz.de -- Popalbum „Saigon Supersound“: Eine besondere Epoche
> „Vietnamese Funk, Soul & Latin 1965-1975“ bietet vergessene Musik aus der
> Zeit der Kriege in Vietnam. Zum Teil ist sie dort bis heute verboten.
Bild: Musikalisch wird Saigon oft mit dem Musical „Miss Saigon“ verbunden, …
In den Achtzigern gilt „Paris By Night“ als Zeitvertreib der weltweit
lebenden vietnamesischen Diaspora. Es ist eine bunte Unterhaltungssendung,
mit Elementen aus Kabarett, Livemusik und Tanz. Auf bis zu fünf Stunden
bietet sie Las-Vegas-haftes Eintauchen in die (ehemalige) Heimat.
Produziert wurde die Show in Paris. Nach Vietnam gelangte sie auf
geschmuggelten Videokassetten – für die vietnamesischen Behörden war „Par…
By Night“ ein reaktionäres Kulturprodukt. Oftmals sang Khánh Ly für „Par…
By Night“. Bei der Pilotfolge 1983 war sie bereits ein Star. Bekannt wude
die Sängerin schon in den 1960ern, als sie mit dem Komponisten Trịnh Công
Sơn in den Cafés von Saigon auftritt, um Antikriegslieder zu singen. Ly war
es auch, die zum 40. Jahrestag der Tet-Offensive und zur 91. Sendung die
Ballade für die Toten („Bài ca dành cho những xác người“) singt, d…
zivilen Opfern des Vietnamkrieges gewidmet ist. Das war 2008.
Ihr und dem vietnamesischen Pop in der besonderen Epoche von 1965 bis 1975
hat sich der Frankfurter Sammler Jan Hagenkötter gewidmet. Auf seinem
eigenen Label hat er nun eine Sammlung vietnamesischer Songs jener Jahre
veröffentlicht. Hagenkötter lebte länger selbst in Saigon, kam dort mit
lokaler Musik in Berührung. „Danach habe ich weiteres Material gesammelt,“
sagt er. Er kaufte Singles in aller Welt, viele mehrfach, um alte Aufnahmen
restaurieren zu können.
So entstand die Koppelung „Saigon Supersound“, eine Compilation mit 18
Songs, inklusive einer Originalaufnahme von Khánh Ly. In der Ballade „Diễm
Xư“ quinkeliert sie mit eindringlicher Stimme von Dauerregen, einer immer
kälter und bitter werdenden Seele. Es geht nicht direkt um Krieg,
oberflächlich handelt der Song vom vergeblichen Warten auf jemand. Um
Regen, der stürmisch ist wie die raue See. Und einem Vogel.
Komponiert ist der Song von Trịnh Công Sơn. Wer einmal Musik von ihm gehört
hat, erkennt sofort die zarte Brutalität seiner Tonpoesie. Die Musik
betört, ohne je kitschig zu klingen. Und das passt wiederum zu Ly: Die Frau
mit den langen glatten Haaren, immer im traditionellen Áo dài gekleidet,
wirkte stets zeitlos, aber auch schnörkellos.
## Beat als Protestsound
Ohne Hagenkötters Forscherdrang wäre die Existenz des vietnamesischen Pop
in Vergessenheit geblieben. Songs wie „Căn Nhà Ngoại Ô“ von Kim Loan u…
„Đoàn Người Lữ Thứ“ von Thanh Thuý, Văn Thanh, Hoàng Liêm und …
bedienen sich entrückt-atmosphärischer Klänge, weisen dabei auch
Stilelemente des US-Jazz auf. Zu den weichen Klängen von Streichern,
Marimba und Percussion bilden die Texte der Künstlerinnen einen Kontrast:
Sie singen vom Dschungel, von Schlachtfeldern, der Teilung Vietnams in Nord
und Süd. Oder geben dem Soldaten der Vietcong eine Stimme, der zu einem
Nachbarmädchen spricht.
Ohne lokale Unterstützung hätte Hagenkötter diese musikalischen Schätze nie
aufstöbern können: „Erste Hinweise gab es in Saigon in der
Antiquitätenstraße, nahe dem Ben-Thanh-Markt. Dort verkaufen Händler
gebrauchte Schallplatten. Leider waren viele verkratzt.“ Hagenkötter
recherchierte in Websites und Blogs zur vietnamesischen Musik weiter.
„Mithilfe von Freunden aus Vietnam und meiner Frau habe ich mich im Laufe
der Zeit durch 400 Alben gearbeitet.“
In vielen westlichen Ländern entwickelt sich aus Beatmusik gegen Ende der
60er progressiver Rock, zum Teil auch als Protestsound. In Vietnam
dominierte in der Popmusik Beat bis weit in die Siebziger. Dem Genre müsse
man auch die meisten Aufnahmen von „Saigon Supersound“ zurechnen. Besonders
sticht allerdings die schnelle Latin-Jazz-Nummer „Tình Đêm Liên Hoan“
hervor. Thanh Lan fordert darin für die Nacht des Abschieds Freude. Es ist
Frieden eingekehrt, Soldaten dürfen nach Hause. Eine Nacht gemischter
Gefühle, in der sie Spaß haben werden. Ein letztes Mal sollen sich manche
Herzen vereinen.
„Saigon Supersound“ an einem Stück zu hören fällt schwer. Die Texte
schmerzen, weil sie so authentisch sind. Stimmen, die die Hörerin in die
Zeit von Krieg und Bürgerkrieg zurückversetzen. Um die Atmosphäre zu
verdeutlichen, hat Hagenkötter alle Songtexte übersetzen lassen. „Sei es in
der Banalität von simplen Liebesliedern und mit der ein oder anderen Zeile,
die einen Subtext zur Geschichte liefert.“ Genau wie „Paris By Night“ bli…
auch die Musik von „Saigon Supersound“ größtenteils in Vietnam verboten.
Und ist es zum Teil heute noch. Daher weiß Hagenkötter um die Relevanz der
Texte, „auch um zu begreifen, wie absurd Zensur ist. Sie bedeutet auch ein
Verbot von Gefühlen – Gefühlen, die diese Musik auslöst.“
Enthalten ist auch eine „Ca trù“: gesungene Poesie und eine Form der
traditionellen vietnamesischen Folkmusik. Damit äußert Ngọc Giàu die sieben
Wünsche zum Tet-Fest („7 câu vọng cổ chúc Tết“): Glück, Frieden f…
Familie, Wohlstand, erfüllte Liebe, dass Fortgegangene zurückkommen, Stärke
für die Soldaten und langes Leben.
Bei einer der Partys zur Albumveröffentlichung in Vietnam sei es zu einer
besonderen Begegnung gekommen, sagt Hagenkötter. Eine Vietnamesin, die den
Krieg überlebt hat, tat ihre Freude darüber kund, dass heute junge Menschen
öffentlich zu dieser verfemten Musik tanzen. Hagenkötter sagt nicht ohne
Stolz: „Dadurch bekam ich das Gefühl, etwas von Wert produziert zu haben.“
Wäre zu hoffen, dass seine Compilation ebenso berühmt wird wie die TV-Show
„Paris By Night“.
19 Jun 2017
## AUTOREN
Du Pham
## TAGS
Pop
Soul
Funk
Vietnam
Lichtenberg
Literatur
Vietnam
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