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# taz.de -- Kolumne Mittelalter: Neues zum NSU
> Die Revolution wird immer bekämpft – und mit den immer gleichen Mitteln.
> Das zeigt ein Besuch im Münchner Stadtmuseum.
Bild: Nacht über München – geschichtlich immer mal wieder
Meine Geburtsstadt München ist immer für eine Überraschung gut – manchmal
sogar für eine Revolution. Nächstes Jahr im November stehen die 100-Jahr
Feierlichkeiten zur Gründung des demokratischen Freistaats Bayern an. Und
deswegen zeigt das Stadtmuseum schon mal vorab die Ausstellung
[1][„Revolutionär und Ministerpräsident – Kurt Eisner (1867–1919)“], …
einem Sonntag Ende Mai selbst bei bestem Biergartenwetter gut besucht war.
Da 2018 noch genug von Eisner, seiner Ermordung und dem Gemetzel der
Rechtsextremen und Sozialdemokraten bei der Niederschlagung der Revolution
die Rede sein wird, hier nur zwei Eindrücke.
An Eisner könnte heute interessieren, dass er sich für eine „ethische
Grundlage“ (Ausstellungstext) des Marxismus einsetzte und dies in
praktische Politik zu überführen suchte. Wenn man fragt, warum sich Linke
eigentlich heute für Geflüchtete, für ein Recht auf Asyl, das den Namen
wert ist – und für ein ebensolches Einwanderungsgesetz –, starkmachen
sollen; dann nicht, weil dadurch die soziale Revolution befördert wird oder
das Bruttosozialprodukt: sondern weil es ethisch alternativlos ist. Man
kann das aber auch umdrehen und sagen: Für einen Bildungsbürger wie Eisner
war ein global-gleichberechtigtes Zusammenleben aller nur denkbar, wenn es
mit der sozialen Revolution einherging.
Deswegen vor allem – weil Eisner umverteilen wollte – wurde gegen ihn und
die anderen Anführer der bayerischen Revolution antisemitisch gehetzt,
deswegen wurde sie gejagt und entmenschlicht. Die Münchner Ausstellung
zeigt die Ursprünge des Ungeists von Nazismus, Pegida und AfD, frühe
Fake-News und anonyme Hate-Speech in primitiven Schreiben und Steckbriefen
– „Wer Eisner tötet bekommt 30.000 Mark“.
## SA-Lederhosenoptik
Da meine Laune nach diesem Dreck schon mal eine wütende war, trank ich
keine sanft beschattete Halbe Bier im Innenhof des Stadtmuseums; sondern
ging gleich noch in die Dauerausstellung [2][„Nationalsozialismus in
München“], deren Einrichtung der „Hauptstadt der Bewegung“ ja gut zu
Gesicht steht.
Ehrlich gesagt erwartete ich mir nichts Neues. Als ich dann jedoch die
Lederhosenoptik der SA-Uniform der Gruppe „Hochland“ sah, wurde es mir
schon anders. Aber da kann man immerhin noch an Oskar Maria Graf denken,
den großen bayerischen Schriftsteller, Antifaschisten und Emigranten, der
auch im New Yorker Exil die Lederhose nicht ablegen wollte – und der
anlässlich seines 50. Todestages im Münchner Literaturhaus gerade mit einer
Ausstellung geehrt wird.
Wie und als wer aber kam eigentlich – lernte ich im Weitergehen durch die
düsteren Räume – ein Herr Hitler zu der ultrarechten Wirtshaus-Gruppierung,
die sich in ihren Anfängen 1919/20 Deutsche Arbeiter Partei nannte? Als
V-Mann! Als Geheimdienst-Spitzel, der dann ermutigt wurde, bestärkt und
beschützt. Wer die Traditionslinien des NSU-Skandals, die Verquickung der
Interessen von alten Eliten und aufsteigenden Mördern studieren möchte, der
ist in München richtig.
Was, wenn ich ehrlich bin, mich dann doch nicht überrascht hat.
15 Jun 2017
## LINKS
[1] https://www.muenchner-stadtmuseum.de/sonderausstellungen/revolutionaer-und-…
[2] https://www.muenchner-stadtmuseum.de/daueraustellungen/nationalsozialismus-…
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Kurt Eisner
München
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Serie Alt-Right-Bewegung
Mittelalter
SPD Bayern
Sean Spicer
Schwerpunkt Deniz Yücel
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