# taz.de -- Kolumne Mithulogie: Warum keine Hausabtreibung? | |
> Filme und Popkultur stellen Abtreibungen riskanter dar, als sie | |
> tatsächlich sind. Realistischere Darstellungen wären gut, mehr Forschung | |
> wäre besser. | |
Bild: Immer und immer wieder nötig: Teilnehmerin einer Pro-Abtreibungs-Demstra… | |
Liebe Leser*innen, sind wir schon auf Du und Du? Oder noch beim Sie? Und | |
sind wir schon intim genug, um miteinander über Abtreibung zu sprechen? Ich | |
würde sagen, die Zeit und wir sind reif dazu. Also: Wie war Deine/Ihre | |
letzte Abtreibung? | |
Ziemlich entsetzlich – wenn man Film und Fernsehen glaubt. Als Claire in | |
House of Cards verrät, sie hätte schon mal abgetrieben (tatsächlich hat sie | |
schon dreimal abgetrieben), dachte ich: Wow, es hat sich echt etwas | |
geändert seit das Codewort für Abtreibung „Blinddarmoperation“ war. Wie i… | |
Ich kann morgen nicht zur Arbeit kommen, ich habe eine Blinddarmoperation. | |
Doch dann eröffnet Claires Arzt ihr, dass sie nun keine Kinder mehr | |
empfangen kann. Damit kommt sie noch glimpflich davon. In Dirty Dancing | |
stirbt Penny beinahe und in Zeiten des Aufruhrs/Revolutionary Road stirbt | |
Kate Winslets Figur tatsächlich an den Folgen einer Abtreibung. | |
Nun könnte es an meiner selektiven Wahrnehmung liegen, dass Abtreibung im | |
Film meist schlecht ausgeht. Tut es aber nicht wie die Soziologinnen | |
Gretchen Sisson und Katrina Kimport herausgefunden haben. Von allen | |
Abtreibungen im us-amerikanischen Fernsehen und Kino zwischen 2005 und 2016 | |
führten 37,5 Prozent zu Komplikationen. Im Gegensatz zu 2,1 Prozent der | |
realen Abtreibungen. Ich spreche hier natürlich von legalen Abtreibungen. | |
Aber die meisten Filme spielen doch bevor Abtreibung legalisiert wurde? | |
(Als wäre Abtreibung inzwischen kein Problem mehr. Sogar in Deutschland ist | |
Abtreibung keineswegs legal, sie ist nur straffrei.) Auch für legale | |
Abtreibungen müssen die Filmfiguren – siehe Claire – einen Preis zahlen. | |
Dabei ist Unfruchtbarkeit keineswegs ein hohes Abtreibungs-Risiko. Das Kino | |
bringt es jedoch auf 22,5%. Und 5% aller TV-Abreibungen enden tödlich. Das | |
sind 7.000 mal mehr als in der Realität. | |
## Weil wir uns Zeit genommen haben | |
Was lernen wir daraus? Dass Abtreibung eine gefährliche Sache ist, sogar | |
wenn sie in der Zukunft passiert wie in Defying Gravity. Nur dass es bei | |
der Astronautin Zoe psychische Folgen sind. Oh Mann, die psychischen Folgen | |
… | |
Ich weiß nicht, wie es bei euch war, aber ich habe meine sexuelle Bildung | |
hauptsächlich aus Filmen bezogen. Bitte lasst uns beim Du bleiben, wenn es | |
um Sex geht. Und für mich hätten realistischere Darstellungen – und auch | |
die Exploration dessen, wie eine Abtreibung gut laufen kann – den | |
Unterschied zwischen noir und romcom bedeutet. | |
Deshalb ist meine Antwort auf die Frage vom Anfang: Meine letzte Abtreibung | |
war meine Lieblingsabtreibung. Weil mein Liebster und ich es dabei zum | |
ersten Mal schafften, weder so zu tun, als sei das alles eine Katastrophe, | |
noch als sei es keine besondere Situation. Weil wir uns Zeit genommen | |
haben, auf grünen Wiesen zu reden, was es bedeutet, dass wir uns gegen | |
weitere Kinder entschieden haben, und was wir statt dessen alles machen | |
wollen. Als Ergebnis habe ich jetzt einen Führerschein. So etwas möchte ich | |
im Fernsehen sehen. | |
Und wenn wir richtig utopisch werden wollen, sollten wir endlich Forschung | |
investieren, Abtreibungen anders durchzuführen als durch Absaugen oder | |
Ausschaben. Das wäre doch mal ein prima Dissertationsthema: alternative | |
Wege abzutreiben. Nur natürlich nicht auf eigene Faust und alleine. Wie | |
wäre es also, liebe Krankenkassen, wenn jede Abtreibungen von einer Hebamme | |
begleitet werden könnte? Das würde auch super gegen potentielle psychische | |
Probleme helfen. | |
6 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Mithu Sanyal | |
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