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# taz.de -- Fette Bassmusik von Schlachthofbronx: Riesenviecher mit Rhythmusgef…
> Aufreizend gemächlich: Das Münchner Elektronikduo Schlachthofbronx
> drosselt auf seinem soliden neuen Album „Haul & Pull Up“ das Tempo.
Bild: Woop, woop: Bene und Jakob von Schlachthofbronx
Wenn man wissen will, was in den acht Jahren, die es Schlachthofbronx gibt,
geschehen ist, muss man auf die Feature-Liste ihres neuen Albums schauen:
Wurden zum Debütalbum 2009 noch die Münchner Lokalhelden Ron Foto, G. Rag
und die Landlergeschwister zum „Munich Bass“-Frühschoppen eingeladen,
finden sich auf dem neuen Werk „Haul & Pull Up“ der kalifornische
Sonderling Gonjasufi, die britische Rapperin Warrior Queen und
Miami-Bass-Legende Otto von Schirach zur Afterhour ein.
Das DJ-Duo ist dem Schlachthofviertel, ihrer Münchner Basis, längst
entwachsen, inzwischen bereisen die beiden Künstler Bene und Jakob alle
Kontinente im Namen der Bassmusik. „Haul & Pull Up“ ist das vierte Album
des Duos. Dass es nun veröffentlicht wird, ist wohl eher der
Aufmerksamkeitsökonomie des Musikbetriebs geschuldet, als dass es
bevorzugte Ausdrucksform von Schlachthofbronx wäre.
Es fasst kurzerhand drei kürzlich unter gleichem Titel erschienene EPs
zusammen. Diese entsprechen viel eher dem Produktionsprinzip der beiden
Musiker: Hin und wieder hauen die Münchner zwingend gute Tracks raus, die
unbedingt veröffentlicht werden müssen, damit sie andere DJs auflegen
können.
Für den größeren Zusammenhang der Langstrecke sind die Tracks von
Schlachthofbronx nicht unbedingt gemacht. Trotzdem gibt „Haul & Pull Up“
für alle Nicht-DJs einen guten Überblick über den state of the art, was die
beiden eben gerade interessiert: Musikalisch geht etwas gemächlicher zu als
auf den früheren Alben. Lediglich die Vorliebe für komplexe Rhythmen und
Bassmusik entlang der Genres Grime, Dancehall, Dub und Techno ist
geblieben.
## Hybride Clubsounds
Dass hybride Clubsounds in den späten nuller Jahren, als Schlachthofbronx
anfingen, aufregender und crisper klangen, geschenkt. Das Interesse an
tropischen und afrikanischen Rhythmen begann in diesen Breitengraden damals
gerade erst über Szenegrenzen hinaus populärer zu werden. Schlachthofbronx
waren, neben dem Berliner Übervater-DJ Daniel Haaksman, die Ersten, die
hierzulande mit Global-Dancefloor-Genres experimentiert haben. Inzwischen
gelten Künstler dieses Felds wie Major Lazer und M.I.A. als Weltstars,
Bassmusik ist Allgemeingut geworden. Schlachthofbronx dürfte das egal sein.
So lange sie das tun dürfen, was sie tun, geht es weiter.
Bei aller hektischer Betriebsamkeit haben sie eine angenehm ironische
Distanz zu ihrem Schaffen. Man erkennt das schon am Cover des Albums: Die
Musiker sind als Elefant und Giraffe abgebildet. Die beiden Riesenviecher
verstärken so auch den gemütlichen Eindruck, den das gemächliche Tempo der
Musik vorgibt.
Überdrehte Hochgeschwindigkeits-Tracks wie „Pump Drop Wine“ und „Double
Dub“ gibt es dennoch, grundsätzlich regiert auf „Haul & Pull Up“ eine
aufreizende Relaxtheit. Den Ton der von Gonjasufi gesungene Blues
„Goodbye“, der mit dräuenden und sägenden Synthiewänden hinterlegt ist: …
würde der Weltuntergang unmittelbar bevorstehen.
## Distanz zum Schnell-Schnell
Die Distanz zum Schnell-Schnell zeigt sich auch auf andere Weise: Während
im jamaikanischen Dancehall die Geschlechterverhältnisse in der Regel
traditionell ausgelegt sind, – Männer sagen, wo es langgeht, Frauen wackeln
mit den Ärschen – , werden auf „Haul & Pull Up“ Tierärsche auf dem Cover
abgebildet. Und die britische Rapperin Warrior Queen liefert gleich für
zwei Tracks die Vocals. In ihnen besteht kein Zweifel, wer das Sagen hat:
sie und kein anderer.
Auch US-Produzent Otto von Schirach setzt sich in ironisch überzeichneter
Form über Genrestandards hinweg. Als schmieriger Zuhälter-Imitator rappt er
„Bitch Betta Have My Money“ von AMG, wirkt dabei aber mehr, als
verballhornte er das Original, und weniger als dessen Affirmation. Durch
Schirachs eigenwilligen Flow treten die sexuellen Metaphern des Originals
und dessen Stumpfheit absurd übersteigert und umso deutlicher hervor.
Schirach verweist in einer Art Anmoderation des Tracks übrigens auf etwas,
was Schlachthofbronx trotz aller internationaler Anbindung bis heute nicht
erreicht haben: Außerhalb des deutschsprachigen Raums spricht kaum jemand
ihren Namen korrekt aus. Bei Schirach klingt er wie Schlatzhopfbronx.
2 Jun 2017
## AUTOREN
Elias Kreuzmair
## TAGS
München
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Tuareg
Wien
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