Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kirchentag in Berlin: Bibel-Hopping für Anfänger
> Prominente interpretieren jeden Morgen auf parallelen Veranstaltungen
> eine ausgesuchte Bibelstelle. Heute: Vier Kostproben zu Lukas 1, 39–56.
Bild: Was sagt uns dieser Text heute? Bibelarbeit gehört zum Kirchentag wie da…
39 „Maria brach auf.“ Bereits bei Vers 39 aus Lukas 1 muss die bekannteste
Theologin Deutschlands stutzen: „Warum geht eine hochschwangere Frau wie
Maria bitte alleine durchs Gebirge?“, fragt Margot Käßmann. 40 Das Publikum
ist noch unruhig, viele haben den „CityCube“ in der Messe Berlin am
Donnerstagmorgen nicht direkt gefunden, die Bibelarbeit ist eine der ersten
öffentlichen Veranstaltungen beim Kirchentag. 41 Käßmann freut sich, dass
Luther vom hüpfenden Kind in Marias Bauch spricht. Das könne jede Frau, die
schon mal schwanger war, nachvollziehen: Dieses Gefühl, wenn das Baby sich
zum ersten Mal im Bauch so richtig bewegt. 42 „Manche Frauen nehmen ja
sogar im neunten Monat noch an Bundesparteitagen teil.“ Der Seitenhieb auf
Frauke Petry kommt wie erwartet gut an.
43 „Wie kommt es, dass die Mutter meines Herrn gerade mich besucht?“ 44 Am
Brandenburger Tor beschreibt sich Berlins Kultursenator Klaus Lederer
(Linkspartei) zur selben Zeit als nichtgläubigen Juristen, weswegen auch
die Bibel für ihn „kein Glaubensfundament, sondern ein Stück Literatur“
sei. Trotzdem sei er gerne dafür zu haben, mit alten Texten modernen
Herausforderungen entgegenzutreten.
45 Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt referiert über denselben Text in
Halle 9. 46 „Und Maria antwortete: Mein Innerstes lobt die Größe der
EWIGEN.“ Göring-Eckardt spricht von „Brüdern und Schwestern“, wirkt dab…
aber trotzdem wie eine Politikerin. 47 Die Bühne ist umgeben von
Catering-Ständen. Es riecht nach deftiger Küche, die Rufe der
KüchenmitarbeiterInnen und die Kantinenatmosphäre stören. Die
ZuschauerInnen sitzen auf Papphockern. 48 Besonders wichtig ist
Göring-Eckardt, dass jeder und jede „bereit ist, seine und ihre Gewissheit
in Frage zu stellen“. 49 Es könne ja sein, dass der Mächtige gar nicht so
sehr an seinem Thron klebe oder dass nicht wir, sondern unser Gegenüber
die Magd sei.
50 „Barmherzigkeit schenkt sie von Generation zu Generation denen, die
Ehrfurcht vor ihr haben …“ Bibelarbeit für BläserInnen in Halle 12. 51
Volker Jung, Kirchenpräsident Darmstadt, ist bereits am Ende des
Bibeltextes angekommen und schließt den Bogen zum Kirchentagsmotto: „Gott
sieht Elisabeth und Maria und billigt trotzdem nicht deren Leid.“ Von Gott
gesehen zu werden, bedeute auch, dessen Widerstand gegen das Leid zu
erfahren.
52 Im Mittelpunkt steht in Halle 12 aber nicht das Wort, sondern die Musik.
Frank Vogel, Landesposaunenwart, sagt das letzte Lied an und die
BläserInnen blättern eifrig in ihren Noten. 53 „Hungernde erfüllt sie mit
Gutem.“ Der „Bläsertango“ „Tenemos esperanza“ ertönt und die Spielf…
ist den MusikerInnen anzumerken.
54 Alle RednerInnen sind sich einig: „Die Zukunft der Gesellschaft wächst
in schwangeren Frauen“ (Klaus Lederer) „und alle Kinder sollen willkommen
sein, egal in welche Umgebung sie geboren werden“ (Margot Käßmann). „Es
stimmt schon, die Welt ist zwar leider nicht so, aber sie könnte so sein“
(Katrin Göring-Eckardt) „und Gott leidet mit uns“ (Volker Jung).
55 Nach Veranstaltungsende beginnt erneut das fröhliches Verlaufen in den
unübersichtlichen Gängen. 56 Daran stören sich die frisch beschwingten und
inspirierten Bibelarbeitskreis-BesucherInnen aber nun überhaupt nicht mehr.
26 May 2017
## AUTOREN
Lara Kühnle
David Gutensohn
## TAGS
Margot Käßmann
Bibel
Kirchentag 2023
Katrin Göring-Eckardt
Kirchenmusik
Vegetarismus
Kirchentag 2023
Kirchentag 2023
Kirchentag 2023
Willkommenskultur
Homosexualität
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kirchenmusik-Studentin über Pop: „Mehr als Pfadfinder mit Klampfen“
Seit 2015 kann man in Witten einen Bachelor in kirchlicher Popmusik machen.
Kirchenmusik muss moderner werden, sagt die Studentin Henrieke Kuhn.
Kommentar Christen und Fleischkonsum: Christenfrust und Fleischeslust
Dürfen gläubige Christen Fleisch essen? Nein. Wer Prinzipien wie
Barmherzigkeit, Fürsorge und Achtung vor dem Leben befolgt, muss Vegetarier
sein.
Zweisamkeit auf dem Kirchentag: Gespürte Liebe und kein Gequatsche
Anmachsprüche, hier? Der Kirchentag verspricht viel Offenheit und reichlich
Flirts. Passen Sexualität und Glauben zusammen?
Soziologe über Sterbekulturen: „Sterben wird immer riskanter“
Es wird nicht mehr einfach so gestorben, sagt der Soziologe Werner
Schneider. Der Tod wird als Prozess gestaltet. Das „gute Sterben“ ist aber
nicht für alle verfügbar.
Kirchentag 2017 in Berlin: Schau mir in die Augen
Man kann den Kirchentag nervig finden oder von ihm lernen: sich
wahrzunehmen, zum Beispiel. Ein Aufruf zur Nächstenliebe.
Kirchentag in Berlin: „Alle sind für Menschenrechte“
In Messehalle 7 dreht sich alles um Willkommenskultur sowie ums
Kennenlernen von Deutschen und Geflüchteten. Das ist nicht immer einfach.
Kolumne Kreuz + Queer: Gott liebt auch Twinks
Wie queer ist der Evangelische Kirchentag – jenseits vom „Zentrum
Regenbogen“? Bunte Vielfalt, Provokation, ja, das geht, findet aber kaum
statt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.