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# taz.de -- Arjouni-Adaption „Am Ruder“: Dann eben Kasperletheater
> Das ZDF verfilmt eine Kurzgeschichte von Jakob Arjouni. Doch dieses
> Unterfangen scheitert leider an den schwachen Darstellern.
Bild: Julia Koschitz spielt super, Wotan Wilke Möhring nicht so
Der Schriftsteller Jakob Arjouni (1964–2013) hat sein nicht allzu langes
Leben lang moralische Geschichten erzählt. Insofern ist eine Adaption, die
diese moralische Dimension eines für die deutsche Literatur nicht ganz
unbedeutenden Werkes bewahrt, schon mal an sich ein Verdienst – egal wie
dann die konkrete Umsetzung geraten sein mag.
Die Erzählung Arjounis, die der Grimme-Preisträger Stephan Wagner unter dem
Titel „Am Ruder“ verfilmt hat, heißt „Das Innere“ und stammt aus dem
Erzählungsband „Der Freund“ aus dem Jahr 1998. Die Erzählung selbst dürf…
sogar noch älter sein. Das vermutete Florian Ilies vor zwanzig Jahren in
seiner Rezension des Bändchens in der FAZ. Legitim, wenn nicht notwendig
also, für eine heutige Herangehensweise eine Menge Ballast loszuwerden.
Aus einem verhockten Slawistikstudenten ist ein bankrotter
Fitnessstudiobesitzer geworden, der natürlich keinen Roman heimlich in der
Mache hat, sondern einen Ratgeber, wie man mit rudern zum Traumkörper
kommt. Michael Schröder-von Hagen (Wotan Wilke Möhring) ist wie der Jürgen
Schröder-von Hagen der Vorlage ein auf den ersten und vielleicht sogar noch
auf den zweiten Blick liebenswerter Träumer mit süßem Arsch, der alle
Erniedrigungen, die ihm seine reiche Frau Elisabeth (Inga Birkenfeld)
zufügt, scheinbar großzügig weg- und ihr Geld ungerührt einsteckt.
Dass nett sein kein Beruf ist; dass aber vor allem hinter der harmlosen
Fassade allzu oft nur das uralte Monster lauert, das endlich rausgelassen
werden will – das ist eine klassische, fast schon obsessive
Arjouni-Konstellation. Sie greift zurück auf Charaktere der „Schwarzen
Serie“ Dashiell Hammetts und Raymond Chandlers.
Damit sich beim laschen Michael Schröder was regt, muss er in eine
Extremsituation versetzt werden. Die tritt ein, als er in der Bank frisches
Geld seiner Frau klarmachen will und plötzlich als einzige Geisel eines
maskierten, hypernervösen und wenig professionellen Bankräubers
zurückbleibt.
## Begrenztheit der deutschen TV-Schauspieler
Julia Koschitz als Gaunergöre Nina ist zweifellos der schauspielerische
Höhepunkt des Films, was nicht zuletzt dadurch auffällt, dass ihr Gegenüber
Wotan Wilke Möhring viele Dinge, die ein Darsteller können sollte, nicht
kann: zum Beispiel mehr als zwei Gesichtsausdrücke haben oder lachen; und
da hilft es es auch nicht, dass er einen Charakter spielt, der tatsächlich
nur deutsch-verkniffen aufzugreinen in der Lage ist.
Vielleicht ist es ja schlicht diese Begrenztheit der deutschen
TV-Schauspieler – Jan Josef Liefers wäre ein weiteres Beispiel – , die
Regisseure dann zwingt, alles immer ins Burleske und Öd-kabarettistische zu
drehen: Wo wenig Substanz vorhanden ist, muss eben chargiert werden.
In den Kammerspielsituationen zwischen Koschitz und Möhring führt das zu
echten Durchhängern in der Mitte des neunzigminütigen Films, in der
gänzlich neu erfundenen Zweithandlung rund um den die Bank belagernden
Trupp aus Polizei und Staatsanwaltschaft (besetzt mit Thelma Buabeng, Dirk
Borchardt, Rainer Piwek und Simon Licht) springt bei dem Kasperletheater
immerhin noch der ein oder andre gelungene Gag heraus.
Halten wir uns also an die Moral von der Geschichte, die auch in ihrer
Umsetzung zu überzeugen weiß. Aber verdrängen wir auch nicht die Wahrheit:
Mag man Abendunterhaltung wie „Am Ruder“ 1998 noch durchaus mit dem
Prädikat „Immerhin-besser-als-der-meiste-andere-TV-Müll“ gefolgt sein, so
muss man heute, in einem vollends globalisierten Home-Entertainement-Markt
doch eher der Fragen stellen: Was soll das? Wer sieht das? Und wer soll das
bezahlen?
7 Jun 2017
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Jakob Arjouni
Grimme-Preis
TV-Serien
Krimi
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Jörg Fauser
Literatur
Jakob Arjouni
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