# taz.de -- Ostfriesland im Film: Schwarz-weiß und kalt | |
> Zwischen dem 7. und 14. Juni findet wieder das Filmfest Emden-Norderney | |
> statt. Dort laufen auch zwei Filme, die in Emden und auf Norderney | |
> gedreht wurden | |
Bild: Ein Farbklecks: „Fenster Blau“ ist schwarz-weiß – bis auf die blau… | |
Norderney im Winter, schwarz-weiß und eiskalt. Ob die Norderneyer ihre | |
Insel bei der Premiere „Fenster Blau“ so sehen wollen, wie Sheri Hagen sie | |
zeigt, kann bezweifelt werden. Die als Schauspielerin bekannte Hagen | |
(„Tatort“, „Bella Block“, „Das Deutschlandspiel“) stellte im Jahr 2… | |
dem Filmfest auf Norderney ihr Regiedebüt „Auf den zweiten Blick“ vor. | |
Dafür bekam sie den Preis „Schreibtisch am Meer“, der aus einem | |
Kurzstipendium auf Norderney bestand. | |
Mit im Gepäck hatte sie bei ihrem Inselbesuch den Text des Theaterstücks | |
„Muttermale Fenster Blau“ von Sasha Marianna Salzmann und sie fühlte sich | |
so von der Nordsee inspiriert, dass sie es als ihren zweiten Langfilm | |
„Fenster Blau“ adaptierte und diesen dann zur Hälfte auf Norderney drehte. | |
Rund 100 Filme werden vom nächsten Mittwoch an wieder beim Filmfest | |
Emden-Norderney gezeigt. In „Fenster Blau“ist Norderney ein karger, | |
stürmischer, alles andere als idyllischer Ort, wo der junge Mann Ljöscha, | |
der nachts in den Dünen zeltet, damit rechnen muss, dass auf ihn geschossen | |
wird. Sein bewaffneter Verfolger ist sein eigener Großvater. Die beiden | |
raufen sich langsam zusammen, reden dabei aber leider in unnatürlichen, für | |
das Theater gedrechselten Sätzen, die es dem Zuschauer schwer machen, sich | |
in die Figuren einzufühlen. | |
So gut wie unmöglich ist dies bei dem zweiten Paar des Films, einem | |
Bildhauer und seinem Modell, welches in einem Berliner Zimmer haust, das | |
aber, wie sie selber sagen, auch das „Jenseits“ oder das „Paradies“ sein | |
könnte. Ganz von dieser Welt ist dieser Raum mit seinen Bewohnern sicher | |
nicht, denn in ihm gibt es eine einzige, aus dem Schwarzweiß heraus | |
leuchtende Farbe: ein Marineblau, mit dem die Frau mit den Fingern ein | |
Fenster bemalt und dann sich selber beschmiert. | |
Es wird schnell klar, dass beide Paare durch einen Inzest miteinander | |
verbunden sind – also der Vater mit seiner Tochter geschlafen hat und | |
deshalb der Großvater zugleich auch der Vater ist. Aber dies wirkt weder | |
schockierend, weil die Figuren so offensichtlich Kopfgeburten sind. Sheri | |
Hagen hat dies wohl auch selber gemerkt, und so gönnt sie zumindest Ljöscha | |
einen kleinen Ausbruch, indem sie eine stumme Frau einführt, in die der | |
junge Mann sich schließlich verliebt. So bekommt der Film sogar ein Happy | |
End und das Meer wird blau und die Wiese grün. Dann ist Norderney wieder | |
schön. | |
Auch die Emder können ihre Stadt auf der Leinwand bewundern. Doch „Die | |
Stille Revolution“ könnte gegensätzlicher als „Fenster Blau“ nicht sein… | |
ist ein Werbefilm einer Emder Hotelkette, deren Parkhotel das Festivalhotel | |
ist. Da kann man als Festivalmacher den Film wohl schlecht ablehnen, | |
immerhin ist er am Ende des Festivals versteckt. Er wurde kaum aus | |
künstlerischen Gründen ausgewählt. Dabei ist er so seltsam und unfreiwillig | |
komisch, dass er in seinen 65 Minuten zumindest nicht langweilt. Er ist | |
eine Auftragsarbeit des Regisseurs und Produzenten Kristian Gründling, der | |
schon Filme für Siemens, Volvo, Bosch und Mediamarkt gemacht hat. „Die | |
Stille Revolution“ ist „nach einer Vision von Bodo Janssen“ entstanden und | |
auch bezahlt. Janssen ist Unternehmersohn der Geschäftsführer der Firma | |
Upstahlsboom, die das besagte Hotel betreibt. | |
In einer Umfrage im Jahr 2010 bewerteten ihn seine eigenen Angestellten als | |
überflüssig. Janssen ging in sich, besuchte ein Kloster und brachte eine | |
neue Unternehmenskultur in seine Firma. Er setzte auf Eigeninitiative der | |
Mitarbeiter und organisierte eine Kletterexpedition auf den Kilimandscharo. | |
Im Jahr 2013 war er dann plötzlich der beliebteste Unternehmer. „Die | |
Revolution von oben“ wäre also ein besserer Titel. Im Film wird er als ein | |
Visionär stilisiert, der barfuß im Watt stehend den Schiffen | |
hinterherschaut. Ansonsten besteht der Film fast nur aus talking heads, | |
Experten und Angestellte bestätigen, dass er mit seiner Firma auf dem | |
richtigen Weg ist. | |
Bodo Janssen stilisiert sich als Lokalpatriot. Als guter Ostfriese taucht | |
er bei der Teezeremonie die Sahne so ein, dass ein Wölkchen in der Tasse | |
entsteht. Immerhin also ein schöner Heimatfilm. | |
1 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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