Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Jubiläum des Beatles-Albums „Sgt. Pepper“: Eine großartige Ze…
> Singuläres Werk einer singulären Band: Vor 50 Jahren erschien mit „Sgt.
> Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ das erste Pop-Konzeptalbum.
Bild: The Beatles im Juni 1967, nach Veröffentlichung von „Sgt. Pepper“
„Wir haben uns gar nicht mehr wie Briten gefühlt. Wir glaubten, dass wir
fortan zur Brüderschaft des Rock’ n’ Roll gehören würden. Und daher mach…
wir nur noch das, wonach uns der Kopf stand. Alter, verstehst du?“ Derek
Taylor, Pressesprecher der Beatles, 1967.
Im September 1966 nahmen die Beatles zum ersten Mal in ihrer Existenz als
Band eine kreative Auszeit. Unmittelbar zuvor hatten sie – Präzedenzfall im
Popbiz – durchgesetzt, keine Tourneen mehr absolvieren zu müssen. Bis zu
diesem Zeitpunkt veröffentlichten sie teilweise mehrmals pro Jahr neue
Alben, dazu zwang sie ihr Vertrag mit der Plattenfirma EMI. Dieser
ökonomische Kreislauf aus aufreibenden Konzertreisen und intensiver
Studioarbeit war nun unterbrochen.
Selbst Paul McCartney, der Pflichtbewusste, der Diplomat, der
harmoniesüchtige Bassist der „Fab Four“, wollte in jenem Moment 1966
einfach durchatmen: Frei von der „Beatlemania“, dem Teenie-Gekreische, das
sofort ausbrach, wenn einer der vier Musiker in der Öffentlichkeit
auftauchte. Aber auch frei von den Künstleregos der anderen drei Beatles,
die Musiker saßen sich jahrelang auf der Pelle.
McCartney reiste nach Frankreich und legte sich ein Alias zu: Mit Bart,
Brille und gegeltem Haupthaar besichtigte er Schlösser entlang der Loire
und wandelte unerkannt durch Paris, um mit einer brandneuen Super-8-Kamera
zu filmen, wozu er durch die Underground-Streifen von Andy Warhol
inspiriert war. Ein Heidenspaß, bis zur Ankunft in Bordeaux: Dort kam der
Verkleidete nicht am Türsteher einer Diskothek vorbei. Um so empfangen zu
werden, wie es einem Paul McCartney gebührt, musste er seine Verkleidung
wieder ablegen.
## Im Schatten Dylans
Die Beatles waren zu jener Zeit Weltstars, Abermillionen ihrer Alben waren
verkauft worden, sie tauchten als Helden in Spielfilmen auf, jede Regung
der Band wurde in westlichen Massenmedien thematisiert. Aber im Sommer 1966
hatte Dylan ihnen die Show gestohlen, als er „Blonde on Blonde“
veröffentlichte, das erste Doppelalbum eines Popstars, entstanden in
künstlerischer Selbstbestimmung und mit einer Textpoesie, die mit
reichlich Drogenreferenzen gespickt war.
In dieser Situation kam nun McCartneys Maskerade zur Sprache, im November
1966, als sich die Beatles in London eingefunden hatten, um Ideen zu
pitchen für ein neues Werk: Was, wenn sie sich ein Alter Ego zulegen
würden? „Wir waren definitiv keine Jungs mehr, wir waren den einheitlichen
Pilzkopffrisuren entwachsen. Wir wollten jetzt Künstler sein und unser
nächstes Album sollte richtig funky klingen“, erklärte McCartney seinem
Biografen Barry Miles. Funky könnte man mit „sarkastisch“ übersetzen, aber
auch mit „durchgeknallt“.
Drogen befeuerten den angestrebten Imagewechsel: Haschisch, Speed und vor
allem LSD, alle vier Musiker machten damit Erfahrungen, teils
haarsträubender Natur. „I get high with a little help from my friends“
singt Ringo Starr in dem Song „With a Little Help From My Friends“. Im
Swinging London der mittleren Sechziger mischte sich dieses verschärfte
Angeturnt-Sein mit einer aufkommenden Mode für alles Antiquarische.
Edwardianische Klamotten und Jahrmarkt-Artisten-Flair des 19. Jahrhunderts
wurden kurzgeschlossen mit indischer Meditation. Mehr Flash, mehr Farbe,
mehr Tand musste helfen, um die Gegenwart der Sechziger erträglich zu
machen.
## Liebe und Frieden
McCartney interessierte sich zudem für E-Musik, zusammen mit dem
Produzenten George Martin begeisterte er sich für neue Aufnahmetechniken,
besuchte regelmäßig Klassikkonzerte und ging in Ausstellungen angesagter
bildender Künstler. Und natürlich las er Zeitung: Der Vietnamkrieg war
Dauerthema. Und in den Kreisen, in denen die Beatles verkehrten, wurde die
Idee populär, diese zivilisatorische Krise mit Hilfe der Idee von Liebe und
Frieden zu lösen.
„Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band“, das Alter Ego, das sich die
Beatles im November 1966 zulegten, war das Abbild einer Zirkus-Blaskapelle.
Dieser scheinbar harmlose Spaß kann als Absage an alles Militärische
verstanden werden. Denn die Inszenierung ist altbacken und infantil
zugleich, aus der Zeit gefallen und trotzdem up to date, funky eben. „Penny
Lane“ und „Strawberry Fields Forever“, ursprünglich für das Album gedac…
wurden schon im Februar 1967 als Single veröffentlicht und kletterten an
die Spitze der Charts. Von den dreizehn Songs, die es dann auf das „Sgt.
Pepper“-Album geschafft haben, wurden auch einige zu Hits: „With a Little
Help From My Friends“ und „When I’m 64“ etwa.
The Beatles sind 1966 versierte Komponisten. Und die Musik von „Sgt.
Pepper“ war dann noch einmal experimentierfreudiger als alles, was sie
zuvor komponiert hatten. Einerseits härter, mehr dem Rock-’n’-Roll-Gestus
ihrer Anfangszeit verpflichtet, andererseits mit Bläsersätzen und
Streicherarrangements von einem Orchester eingespielt. Mal gemächlich im
Walzertakt daherschnaufend, wie „When I’m 64“ (aus der Feder von
McCartney), mal psychedelisch verbrämt, wie Lennons „Lucy In the Sky With
Diamonds“. Mal countryesk-rockend, wie „With a Little Help From My
Friends“. Die Songwriter-Gemeinschaft Lennon-McCartney lief auf Hochtouren
– auch wenn sie privat weniger miteinander zu tun hatten. Sie
funktionierten als kreatives Team. Auch George Harrison steuerte einen Song
bei: „Within You Without You“ ist voller indischer Versatzstücke, bestimmt
von Sitarklängen und Tabla-Percussion. Mit dieser musikgewordenen
Schlangenbeschwörung im Schneidersitz wird das Hippie-Zeitalter
eingeläutet.
## Konzept für Musik und Optik
Von der Chronologie der Songs (der Titelsong „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts
Club Band“ bildet den Auftakt des Albums und kommt kurz vor Schluss erneut
als Reprise) und dem Albumtitel (der ja auf eine fiktive Blaskapelle
anspielt, die beim Ball der einsamen Herzen aufspielt) bis hin zum
Erscheinungsbild des Albums: Fotos, Titel und Texte passen zusammen.
Erstmals waren Songtexte einer Band auf der Rückseite abgedruckt. Alle
Ingredienzen korrespondieren spielerisch miteinander. Daher gilt „Sgt.
Pepper“ als erstes Konzeptalbum des Pop.
Der Albumtitel wird auf dem Cover inszeniert: Die Musiker sind in
orchideenfarbigen Fantasieuniformen abgelichtet. Dazu ist neben dem Vinyl
auch ein Bastelbogen mit der Abdeckung der Basstrommel zum Ausschneiden
enthalten. Und noch ein Novum: Der bildende Künstler Peter Blake war für
die Gestaltung zuständig und erarbeitete Fotos und Illustrationen in
Absprache mit der Band.
Außer den Beatles, die in Uniform vor einem Buchstabenblumenbeet des
Bandnamens abgelichtet sind, verwendet Blake auch eine Fotocollage auf der
Frontseite, in die er Persönlichkeiten der jüngeren Weltgeschichte montiert
hat: Kollegen und Künstler wie Dylan, Marilyn Monroe oder Karlheinz
Stockhausen, aber auch Edgar Allan Poe und William S. Burroughs,
Fußballspieler der Beatles-Lieblingsvereine, der Boxer Sonny Liston sowie
die Komiker Stan Laurel und Oliver Hardy. Auch die Beatles selbst tauchen
auf, als Madame Tussauds Wachsfiguren. Wenn es nach John Lennon und George
Harrison gegangen wäre, hätten auch Hitler und Gandhi Platz gefunden – doch
EMI befürchtete Komplikationen.
Dass „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ zu einem der kommerziell
erfolgreichsten Alben aller Zeiten werden sollte und gleichzeitig für das
künstlerische Potenzial des Pop steht, ist 50 Jahre nach dem Erscheinen des
Werks im Juni 1967 etwas in den Hintergrund geraten. Die singuläre Karriere
der Beatles, ihre circa 250 Songs und die geschickte Vermarktung all ihres
Materials, ist selbst zu einer Art DNA von Pop geworden. Man assoziiert
sofort bestimmte Songs, wenn die Rede auf die Beatles kommt, weniger ein
einzelnes Album.
„A splendid time is guaranteed for all“ steht unten rechts auf der
Rückseite von „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. Niemand muss eins…
und alleine bleiben: Die Songs der Beatles, ihre Anmutung und die Ästhetik
des Albums insgesamt machen Freude, spenden Trost und helfen beim
Abschweifen.
Auch das gab es bis zu jenem Moment im Juni 1967 noch nicht: Der Künstler
Peter Blake und die Beatles verewigen sich mit diesem einen Satz.
31 May 2017
## AUTOREN
Julian Weber
## TAGS
The Beatles
Pop
Bob Dylan
Beatles
The Beatles
The Beatles
Gedicht
Hippies
Rolling Stones
Yoko Ono
Folkmusik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Paul McCartney auf Welttournee: Hydraulisch rauf und runter
Heißlaufende Best-Ager-Smartphones: Die britische Popikone Paul McCartney
hat auf ihrer Welttournee Station in Kopenhagen gemacht.
Doku „It was fifty years ago today!“: Wo sind die Beatles?
Eine Doku feiert das 50-jährige Jubiläum von „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts
Club Band“ der Beatles – ohne dass ein Song des Albums zu hören ist.
Doku „Sgt. Pepper’s Musical Revolution“: Es geht nur um die Musik
Ein Musiklehrer erklärt zum 50-jährigen Jubiläum das Album „Sgt. Pepper’…
Dabei geht es nicht um die Beatlesmania, sondern um Harmonien und Töne.
Gedenken an Luís Vaz de Camões: Ein Humanist, der nichts ausließ
Am 10. Juni feierten Portugiesischsprechende in aller Welt den Dichter Luís
Vaz de Camões. In Deutschland war er mal so bekannt wie Shakespeare.
Geschichte des Summer of Love: Eine Überdosis Hippies
Im Spannungsfeld von freier Liebe, Dauerrausch und Genitalinfekt: Wie sah
der Alltag in San Francisco 1967 aus?
Ron Wood zum 70. Geburtstag: Gitarrist mit Einfluss
Er war der erste Stone mit Vokuhila, stieß erst 1975 zur Band. Bekannt
wurde er schon, als er bei den Faces spielte. Ein Geburtstagsständchen.
Retrospektive zu Yoko Ono: Gut, dass sie so weit gegangen ist
Yoko Ono stiftete mit ihren Alben eine Verbindung zwischen Pop und
konzeptueller Kunst. Lange bevor alle anderen darauf kamen – und lauter.
Nobelpreisträger Bob Dylan: Die Songs sind die Stars der Show
Diese Ehrung war überfällig: Bob Dylans Lieder prägten eine ganze
Generation und sind ins globale kulturelle Gedächtnis eingegangen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.