# taz.de -- Tarifflucht in Deutschland: Weiße Flecken des Systems | |
> Die Zahl der verbindlichen Tarifverträge ist seit 2014 rückläufig. Das | |
> damals eingeführte Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie hat also nicht | |
> geholfen. | |
Bild: Wer kriegt Tariflohn – der Gebäudereiniger oder die Bewohnerin des Hau… | |
Berlin afp | Trotz eines neuen Gesetzes ist es der Bundesregierung nicht | |
gelungen, die Tarifflucht zu stoppen. Als das Gesetz zur Stärkung der | |
Tarifautonomie 2014 in Kraft trat, gab es noch 496 allgemeinverbindliche | |
Tarifverträge – bis 2016 ging die Zahl um etwa elf Prozent auf 444 zurück, | |
wie aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der | |
Grünen-Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke hervorgeht. | |
Mit dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie führte die große Koalition | |
nicht nur den Mindestlohn ein, sondern erleichterte auch die Bedingungen | |
dafür, dass nicht tarifgebundene Betriebe Tariflöhne zahlen müssen. Das | |
Arbeitsministerium kann Tarifverträge seitdem leichter für | |
allgemeinverbindlich erklären. Zuvor mussten mindestens 50 Prozent der | |
Beschäftigten einer Branche bereits Tariflöhne erhalten. Seitdem kann die | |
Allgemeinverbindlichkeit erklärt werden, wenn es „im öffentlichen Interesse | |
geboten erscheint“. | |
Grünen-Politikerin Müller-Gemmeke bezeichnete das Gesetz am Montag als | |
„Fehlschlag“. Die Bundesregierung habe es nicht geschafft, die Tarifbindung | |
zu stärken, die „weißen Flecken des Tarifsystems“ würden immer größer. | |
Grund dafür sei die Veto-Möglichkeit der Spitzenorganisationen im | |
Tarifausschuss. | |
Der Tarifausschuss muss zustimmen, wenn das Arbeitsministerium einen | |
Tarifvertrag für alle Unternehmen in einer Branche verbindlich machen will. | |
So könnten Arbeitgeber jederzeit ihr Veto gegen Tarifverträge einlegen, | |
kritisierte die Grünen-Politikerin. Sie forderte die Bundesregierung dazu | |
auf, die Veto-Option für die Vertreter der Spitzenverbände abzuschaffen. | |
Auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie übte Kritik an der | |
wachsenden Tarifflucht. Der Landesbezirksleiter für Hessen und Thüringen | |
Volker Weber bezeichnete sie am Samstag in Wiesbaden als „Krebsgeschwür“. | |
Unternehmen, die keine Tariflöhne zahlten, handelten verantwortungslos und | |
würden „unsere Wirtschafts- und Sozialordnung von innen her zerfressen“. | |
Wer die Mitbestimmungskultur in der deutschen Wirtschaft aufs Spiel setze, | |
„setzt auch den Wohlstand aufs Spiel“, erklärte Weber. | |
8 May 2017 | |
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