| # taz.de -- Verwahrloste Wohnblocks: Jetzt wird Verslumung gemacht | |
| > Delmenhorst will Wohnblocks im Wollepark abreißen und vertreibt die | |
| > Mieter mit einer Wassersperre, um Investoren den Spaß an Rendite-Objekten | |
| > zu nehmen | |
| Bild: Stehen noch von der letzten Wassersperre bereit: Mobilklos im Delmenhorst… | |
| Delmenhorst taz | Am kommenden Montag wollen die Stadtwerke Delmenhorst in | |
| den beiden Wohnblocks Wollepark 11 und 12 wieder das Wasser abstellen. Es | |
| dürfte dann nicht mehr lange dauern, bis die Gebäude vollends verslumen. | |
| Das ist offenbar die Absicht der Stadt, die die Gebäude abreißen will. Die | |
| Wohnungen gehören allerdings rund 70 Eigentümern, für die sie bislang | |
| keineswegs wertlos waren. Das ist das Problem. | |
| Am Mittwochabend hatte das Nordwestradio Verantwortliche aus den | |
| Delmenhorster Behörden, die mit dem Problem der beiden Blocks zu tun haben, | |
| in die nahe Volkshochschule eingeladen. Die eine Frage ist, wie es | |
| weitergehen kann, die andere, wie es dazu kommen konnte. Denn „schon seit | |
| dem Jahr 2000 ist es schlimmer geworden“, berichtete Franz-Josef Franke vom | |
| Diakonischen Werk Delmenhorst. Schon vor mehr als zehn Jahren, so die | |
| CDU-Politikerin Annette Schwarz, habe man ein Nachbarschaftszentrum | |
| eingerichtet. Rund um das städtebauliche Sanierungsgebiet Wollepark sei | |
| viel passiert. Aber eben nur rundherum. | |
| Die Wohnblocks hatte die Neue Heimat in den 1970er-Jahren errichtet, damals | |
| für die Nordwolle-Arbeiter. Die Nordwolle ging bald darauf Konkurs. Nach | |
| der Neuen Heimat kamen wechselnde Besitzer, schließlich gehörten die beiden | |
| Häuser einem Hedgefonds. Die Wohnungen wurden einzeln zwangsversteigert. | |
| Vor einem Jahr hat der Immobilien- und Gold-Händler Mehmet Erdem die | |
| Verwaltung übernommen und offenbar eine größere Zahl von Wohnungen in | |
| seinem Familien- und Freundeskreis weitergereicht. | |
| Unter Migranten vom Balkan scheint sich die Adresse herumgesprochen zu | |
| haben – und vermutlich war die Stadt froh, dass sie nicht für andere | |
| Unterkünfte sorgen musste. Wie viele der 350 offiziellen Bewohner von | |
| Zahlungen des Jobcenters oder der Stadt leben, hat die Verwaltung nicht | |
| ausgerechnet. Sie verweist nur darauf, dass es auch einige gebe, die von | |
| einem Job leben oder zeitweise gelebt haben. | |
| Irgendwann muss zwischen Eigentümern und Verwalter die Idee entstanden | |
| sein, die Nebenkosten, die zum großen Teil von kommunalen Institutionen | |
| gezahlt werden, nicht mehr an die kommunalen Stadtwerke weiterzureichen. | |
| Warum haben die das ausstehende Geld nicht schlicht eingeklagt? Das sei | |
| nicht üblich bei den Stadtwerken, erklärt deren Prokurist Dieter Meyer, die | |
| Praxis des Abstellens sei effektiver. | |
| Das Problem bei den Blocks im Wollepark ist zudem, dass es nicht für jede | |
| Wohnung eine Gas- und Wasseruhr gibt, sondern nur pro Block. Die Stadtwerke | |
| hätten auch Zähler einbauen können, dann hätten die Bewohner direkt | |
| gezahlt. Das passierte jedoch nicht, weil die Stadt die Gebäude eigentlich | |
| abreißen will. | |
| Normalerweise reagieren Mieter, wenn ihnen Wasser und Gas abgestellt | |
| werden, direkt mit Mietminderung. Aber die Wollepark-Bewohner wüssten nicht | |
| um ihre rechtlichen Möglichkeiten, sagte bei der Diskussion am Mittwoch | |
| eine Frau, die eine betroffene Familie betreut. Sie fürchteten die rabiaten | |
| Methoden der Männer, die kommen und die Miete in bar kassieren. Und sie | |
| scheuten das Risiko, einen Anwalt zu nehmen. Oft wüssten sie nicht einmal, | |
| wer gerade der Eigentümer ist. | |
| Auf den Gedanken, für die Bewohner eine anwaltliche Vertretung zu stellen, | |
| die dann mit Mietminderung die Eigentümer und ihren Verwalter in die Knie | |
| zwingt, ist die Stadt nicht gekommen – sie will ja abreißen. Auf die Frage, | |
| wohin mit den Bewohnern, wenn sie ausziehen wollen, gibt es den Hinweis: | |
| „Die Stadt kann nur Notunterkünfte anbieten.“ | |
| Wenn weder Mieter noch Eigentümer ihre Wohnungen zum Abriss freigeben | |
| wollen, dann bleibt offenbar nur das Faustrecht: Mit dem Abstellen des | |
| Wassers sollen die Mieter aus ihren Wohnungen getrieben werden, die dann | |
| wertlosen Objekte würde die Stadt dann von den Eigentümern günstig | |
| erwerben. „Wir werden versuchen, rechtsstaatliche Prinzipien | |
| durchzusetzen“, sagte Petra Gerlach, Fachbereichsleiterin der Stadt | |
| Delmenhorst. Auf dem Weg dahin nimmt man die Mieter als Geiseln, um die | |
| Eigentümer zu erpressen. | |
| 12 May 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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