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# taz.de -- Frankreichs Sozialisten nach der Wahl: Schuld hat Hollande
> Paris-Belleville galt als Hochburg der Sozialisten. Dort holte der
> Kandidat Hamon nur 13 Prozent – ein Wahlhelfer rechnet ab.
Bild: Abgestürzt: Hollande (links) soll schuld an der Niederlage von Hamon (re…
Paris taz | Die Tische im Café Ménilmontant am Boulevard de Belleville im
gleichnamigen Pariser Stadtviertel sind an diesem frühen Nachmittag nur
spärlich besetzt. Einige englischsprachige Touristen mühen sich mit der
Speisekarte ab, in einer kleinen Boutique gleich nebenan preist die
Verkäuferin billige Damenmode an. Auf dem Platz gegenüber werden bereits
die Marktstände abgebaut.
In diesem Viertel wird traditionell links gewählt. So auch am vergangenen
Sonntag bei den Präsidentenwahlen. Der Linke Jean-Luc Mélenchon und der
Mitte-links-Kandidat Emmanuel Macron sind Spitzenreiter mit 30 Prozent. Der
Kandidat der Sozialisten (PS) Benoît Hamon bringt es gerade mal auf 13
Prozent. 2012 holte Noch-Präsident François Hollande hier immerhin 41
Prozent in der ersten Runde. Die Bruchlandung der Sozialisten ist eins der
großen Themen in den Zeitungen, die in den Kiosken ausliegen. „Hamon, noch
schlimmer als vorausgesagt“, schreibt L’Humanité. „Das Herz der PS hat
aufgehört zu schlagen“, stellt Le Figaro fest.
Fabien Duquesne beugt sich über die Tagespresse und studiert, wie die
Franzosen in den einzelnen Regionen abgestimmt haben. Er hat nicht viel
geschlafen, die Wahlnacht war lang. Der 30-jährige Politikwissenschaftler
arbeitet derzeit als Assistent für einen grünen Abgeordneten im Senat. Er
gehört seit zehn Jahren der PS an und hat sich jetzt eine dreimonatige
Auszeit genommen, um für die Wahlkampagne von Hamon zu arbeiten. „Die PS
wird explodieren, darauf wette ich“, sagt er. „Die Sozialisten sind tot.“
Für ihn liegen die Gründe für die vernichtende Niederlage der PS klar auf
der Hand: Das Erbe von François Hollande, des unbeliebtesten Präsidenten,
den die V. Republik je hatte.
„Hollande hat seine Wahlversprechen von 2012 nicht gehalten. Das sei eine
Politik für die Firmen und Betriebe gewesen, deren Steuerbelastungen um 40
Milliarden Euro gesenkt worden seien. Das alte Rechts-links-Schema gelte
nicht mehr. Vielmehr sei die heutige französische Gesellschaft in
mehrfacher Hinsicht gespalten. Ökologisch Fortschrittliche gegen
konservative Wachstumsbefürworter, Antieuropäer gegen Euroskeptiker.
## Angst vor dem Zerfall
Diese Spaltungen verliefen jetzt quer auch durch die Sozialistische Partei,
die es früher immer irgendwie geschafft habe, die unterschiedlichen linken
Strömungen zusammenzubringen, sagt er. „Es gab während der gesamten
Regierungszeit von Hollande immer PS-Abgeordnete, die gegen ihn gestimmt
haben. So nach dem Motto: Einen Fuß drinnen und einen draußen“, sagt
Duquesne.
Jetzt sind viele Anhänger der Sozialisten offensichtlich sowohl zu
Mélenchon, als auch zu Macron übergelaufen – eine taktische
Wahlentscheidung bereits im ersten Wahlgang. „Ein Teil wird versuchen,
unter Macron mitzuregieren, die anderen werden mit Hamon in die Opposition
gehen“, sagt Duquesne. „Also könnte die Partei in zwei Teile zerfallen.“
Die Chancen der PS für die kommenden Parlamentswahlen im Juni schätzt er
wegen des Mehrheitswahlrechtes eher schlecht ein. Dazu müssten sich die
linken Kräfte in den Wahlkreisen auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen,
aber das wird nicht passieren.
„Ich fürchte, die PS wird aus dem Parlament gefegt“, sagt Duquesne. So
scheint, a court terme, wie man in Frankreich sagt, für die Sozialisten
nicht viel drin zu sein. Aber mittelfristig, in den nächsten fünf Jahren,
gebe es eine Menge zu tun, meint Duquesne. Ihm schwebt ein neuer
Gründungsparteitag vor, auf dem versucht werden soll, die linken Kräfte neu
aufzustellen und zu bündeln. „Ökologie und soziale Gerechtigkeit gehören
untrennbar zusammen. Wer wohnt denn in verschmutzten Gegenden oder in der
Nähe von Atomkraftwerken? Das sind doch immer die Ärmsten“, sagt Duquesne.
Doch es geht nicht nur um Frankreich. „Es kann kein Europa geben, in dem
das einzige Ziel ist, die öffentliche Verschuldung zu reduzieren“, sagt
Duquesne. Ob er sich weiter bei den Sozialisten engagieren will? „Auf jeden
Fall bin ich auf der Seite von Hamon und damit ab morgen in der
Opposition.“
24 Apr 2017
## AUTOREN
Barbara Oertel
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