# taz.de -- Der Wahltag in Frankreich: Mit dem Kopf, nicht dem Herzen | |
> Mélenchon, Hamon, Macron, Fillon oder Le Pen – für wen entscheiden sich | |
> die Franzosen im ersten Wahlgang? Ein Streifzug durch die französischen | |
> Wahllokale. | |
Bild: Die Auszählungen laufen bereits | |
Pantin | |
Jean-Luc ist einer der Wähler, die „extrem viel Zeit gebraucht haben, um | |
sich zu entscheiden“. Der 30-Jährige hat in der Paul-Langevin-Schule in | |
Pantin, einer Stadt im nördlichen Speckgürtel von Paris, abgestimmt. Er ist | |
Stammwähler der Parti socialiste, doch der Manager in weißem Hemd und | |
polierten Schuhen findet, dass „keine regierungsfähigen Linken vertreten | |
sind“. Benoît Hamon? „Er hat den Wahlkampf damit verbracht, hinter | |
Mélenchon hinterherzurennen.“ Emmanuel Macron? „Zu liberal.“ Die linke | |
Mitte, für die er normalerweise stimmt, findet er dieses Mal nicht auf | |
seinem Wahlzettel, sagt Jean-Luc. | |
Nach der Schießerei auf den Champs-Éylsées am Donnerstag fürchtet er, dass | |
es Le Pen und Fillon in den zweiten Wahlgang schaffen könnten. Die „Gefahr“ | |
eines Duelles zwischen dem rechtsextremen Front National und einer Rechten, | |
die „den republikanischen Rahmen verlassen hat, seitdem Fillon dazu | |
aufgerufen hat, gegen die Justiz zu demonstrieren“. Jean-Luc hat die | |
„Machtverhältnisse“ studiert, um sich zu entscheiden. „Sie können selbst | |
raten, ob ich mich für Macron oder Mélenchon entschieden habe.“ | |
Rennes | |
Eine gewisse Anspannung liegt in der Luft – am Sonntagmorgen im | |
Villeneuve-Schulzentrum in Rennes, der Hauptstadt der Bretagne. Der | |
Verantwortliche des Wahllokals und sein Beisitzer, der etwas zu eifrig das | |
Funktionieren der Wahlurne testet, liefern sich einen verärgerten | |
Schlagabtausch. Ein stetiger Strom an Wählern kommt zur Tür herein. „Ich | |
denke, wir werden in etwa die gleiche Wahlbeteiligung wie 2012 haben“, sagt | |
der Vorsitzende einer der drei Wahllokale, der in den Halbschatten | |
geflüchtet ist, um sich vor der Sonne zu schützen. | |
„Wie kann es sein, dass wir dermaßen im Dunkeln tappen“, fragt Denise | |
beunruhigt. Sie ist 91, „das Alter der englischen Königin“. Als Louis aus | |
der Wahlkabine kommt, gibt er zu, „ganz leidenschaftslos“ Fillon gewählt zu | |
haben. Der pensionierte Architekt ist „allergisch gegen Extreme“ und ärgert | |
sich, dass er die Wahl „zwischen Pest und Cholera“ hatte. | |
Marseille (10. Arrondissement) | |
Der Rasen im Park nebenan sieht so verlockend aus. Aber trotzdem gibt es | |
einen regelrechten Ansturm auf die Wahllokale im 10. Arrondissement von | |
Marseille. In der lokalen Hochburg der Konservativen, wo der | |
republikanische Abgeordnete und Bürgermeister Guy Teissier regelmäßig in | |
der ersten Runde abräumt, scheinen die Wähler dieses Mal stärker | |
mobilisiert worden zu sein als üblich. Um 16 Uhr lag die Beteiligung bei | |
über 60 Prozent in beiden Lokalen. „Normalerweise enden wir bei 68 Prozent, | |
aber jetzt könnten wir sogar 80 Prozent erreichen“, sagt die Vorsitzende | |
des Wahllokals. „Ich habe das Gefühl, dass die Menschen mehr als sonst | |
aufgewacht sind, nicht unbedingt, um für einen Kandidaten zu stimmen, aber | |
um bestimmte Kandidaten aufzuhalten.“ | |
Es ist ein bisschen zu früh, um zu sagen, wer von der Wahlbeteiligung | |
profitiert, aber Benoît, der Abgeordnete von Emmanuel Macron im Lokal, ist | |
guten Glaubens. „Gestern habe ich mir selbst etwas Angst gemacht, aber | |
heute bin ich zuversichtlich“, sagt der 54-jährige Unternehmer. Karen und | |
Annael stehen mit ihren Umschlägen vor ihm. Für die 18-jährige Annael ist | |
es die erste Wahl. „Es ist wirklich wichtig für mich, ich habe das Gefühl, | |
dass meine Stimme wirklich zählt“, sagt sie enthusiastisch beim | |
Hinausgehen. Um sich zu entscheiden, hat sie vor allem auf ihre Eltern | |
gehört. In der Familie haben sich alle entschieden, für Macron zu stimmen. | |
„Für mich ist er das kleinste Übel“, sagt ihre Mutter Karen. „Und ich h… | |
Angst vor Marine Le Pen.“ Annael wollte auch die Extreme vermeiden. „Warum | |
Macron? Weil er jung ist, zum einen…“ Ihre Mutter mischt sich ein und | |
lacht: „Und weil sie ihn schön findet!“ | |
23 Apr 2017 | |
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