# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Frankreich: Macron und Le Pen vorn | |
> Die Wahllokale sind zu, Hochrechnungen sehen Emmanuel Macron als Sieger. | |
> Das Ergebnis verschärft die Krise der etablierten Parteien. | |
Bild: Die Prognose sieht beide relativ klar in Führung | |
Paris taz | Bei einer starken Wahlbeteiligung von annähernd 80 Prozent | |
haben die französischen Stimmberechtigten am Sonntag unter den elf | |
Kandidierenden den Linksliberalen Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin | |
Marine Le Pen für die Stichwahl am 7. Mai qualifiziert. Der Kandidat der | |
Bewegung „En marche!“ (EM), der frühere Wirtschaftsminister Macron, liegt | |
nach auf den Teilergebnissen beruhenden Hochrechnungen des Fernsehsenders | |
France-2 mit knapp 24 Prozent der Stimmen in Führung, vor der Chefin des | |
Front National (FN), Marine Le Pen, mit knapp 22 Prozent. Der Konservative | |
François Fillon liegt derzeit bei 20 Prozent, während der Linke Jean-Luc | |
Mélenchon auf gut 19 Prozent kommt. | |
Dieses provisorische Wahlergebnis scheint also im Wesentlichen den Angaben | |
der Umfrageinstitute zu entsprechen, die diese vier seit Tagen mit solchen | |
Werten als mögliche Teilnehmer der zweiten Runde bezeichnet hatten. | |
Bestätigt wurde dadurch aber auch, wie knapp es ausgehen würde. | |
Es blieb spannend bis zum Schluss. Noch am Nachmittag zirkulierten | |
widersprüchliche Gerüchte. Aus Belgien wurden vom Radio- und Fernsehsender | |
RTBS angebliche Resultate von Befragungen beim Verlassen der Wahllokale | |
publiziert, aus anderen Quellen kamen andere ebenso wenig verifizierbare | |
Informationen. Glaubhaft war alles, denn von den vier hatten bis zuletzt | |
alle noch die Aussicht, dank eines Endspurts ihrer besonders mobilisierten | |
Anhänger einen der beiden Plätze im Finale zu erobern. Zuletzt scheinen | |
aber alle das Maximum an Kräften eingesetzt zu haben. | |
Emmanuel Macron konnte so den Vorsprung, der ihm vorausgesagt wurde, über | |
die Zielgerade retten und Marine Le Pen schaffte es, wie ihr ihr Vater | |
bereits bei den Präsidentschaftswahlen von 2002, in den zweiten Durchgang | |
zu kommen. Laut bisherigen Wahlsimulationen hat sie allerdings kaum | |
Chancen, dabei zu gewinnen. Demnach soll Macron bei dieser Ausgangslage mit | |
rund 60 zu 40 Prozent siegen und also als Nachfolger von François Hollande | |
Frankreichs nächster Präsident werden. | |
## Stichwahl ist bezeichnend für die Krise des Systems | |
Dem durch gerichtliche Ermittlungen geschwächten Fillon gelang es dagegen | |
nicht, zusätzliche Reserven aufzubieten, wie er das gehofft hatte. Er hat | |
einen Teil der bürgerlichen Wählerschaft an den triumphierenden Kandidaten | |
der Mitte, Macron, verloren und konnte sie nicht zurückgewinnen. Auch | |
Mélenchon ist es trotz einer sehr publikumswirksamen Kampagne nicht | |
gelungen, noch zum Führungsduo Macron/Le Pen aufzuschließen. Man kann davon | |
ausgehen, dass viele Linkswähler „nützlich“, das heißt aus rein taktisch… | |
Überlegungen, für Macron und nicht für ihn oder den Sozialisten Benoît | |
Hamon (6,3 Prozent) oder den Antikapitalisten Philippe Poutou (1,1 | |
Prozent), gestimmt haben. | |
Nach dieser historischen Schlappe für den Parti Socialiste zeichnet sich im | |
Lager der Regierung und des scheidenden Präsidenten eine schwere interne | |
Krise ab. In diesen Sog der unumgänglichen Reorganisierung werden auch die | |
Grünen gezogen, deren Spitzenkandidat Yannick Jadot zugunsten von Hamon auf | |
seine eigene Kandidatur verzichtet hatte. Er werde nun für Macron votieren, | |
obwohl der in keinster Weise die ökologische Wende verkörpern würde. | |
Dass die Stichwahl zwischen zwei Kandidaten ausgetragen wird, die beide | |
nicht traditionellen Parteien angehören, ist bezeichnend für die Krise des | |
Systems, das fast von allen der elf Kandidaten infrage gestellt oder | |
vehement attackiert worden ist. | |
## Sogar Finale zwischen „Extremisten“ für möglich gehalten | |
Die Enthüllungen über Fillons Scheinbeschäftigung seiner Gattin Penelope | |
als parlamentarische Assistentin auf Staatskosten hatten eine verheerende | |
Wirkung – jetzt zieht Fillon seine Partei, die nolens volens hinter ihm | |
stand, mit in seinen Sturz. Die moralische und politische Diskreditierung | |
der traditionellen „staatstragenden“ Parteien und ihrer Bewerber aber | |
vergrößerte zwangsläufig das Echo der populistischen Kampagnen der | |
FN-Chefin Le Pen und des selbsternannten linken Volkstribuns Jean-Luc | |
Mélenchon. In den letzten Tagen der Kampagnen erörterten französische | |
Zeitungen die Möglichkeit sogar einer Finalrunde zwischen „zwei | |
Extremisten“. | |
Und als hätte die Verunsicherung nicht gereicht, überschattete auch noch | |
ein terroristischer Polizistenmord auf der Avenue des Champs-Elysées das | |
Ende des konfusen Wahlkampfs. Niemand konnte wissen, in welcher Weise sich | |
dieses Ereignis auf das Wahlverhalten auswirken würde. | |
## Etablierte Politiker wollen für Macron stimmen | |
Die Kampagne vor dem zweiten Wahlgang hat derweil bereits begonnen. Sowohl | |
die Sozialisten wie Fillons Partei „Les Républicains“ haben für Macron | |
Stellung genommen, indem sie ihre Wählerschaft aufrufen, gegen die | |
Rechtsextremistin Le Pen zu votieren. „Die Enthaltung entspricht nicht | |
meinen Genen, vor allem wenn eine extremistische Partei sich der Macht | |
nähert“, sagte der gescheiterte konservative Präsidentschaftskandidat | |
François Fillon. | |
In diesem Sinne haben sich am Wahlabend auch die Sozialisten Bernard | |
Cazeneuve, der derzeit Premierminister ist, und Benoît Hamon geäußert. | |
## „Der einzige proeuropäische Kandidat“ | |
Die Bundesregierung hat Emmanuel Macron alles Gute für die Stichwahl | |
gewünscht. „Gut, dass Emmanuel Macron mit seinem starken Kurs für eine | |
starke EU und soziale Marktwirtschaft Erfolg hatte“, schrieb der Sprecher | |
von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Steffen Seibert, am Sonntagabend | |
[1][im Kurzbotschaftendienst Twitter]. | |
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hat das Abschneiden Macrons | |
begrüßt. „Ich bin sicher, er wird der neue französische Präsident“, sag… | |
Gabriel am Sonntag in der jordanischen Hauptstadt Amman. „Er war der | |
einzige proeuropäische Kandidat, der sich nicht versteckt hat hinter | |
Vorurteilen gegenüber Europa.“ | |
## Überseedepartements wählen extrem | |
In La Réunion im Indischen Ozean hat Jean-Luc Mélenchon mit 24,5 Prozent | |
das Rennen vor Marine le Pen (23,4 Prozent) gemacht. Macron belegt mit 18,9 | |
Prozent Platz drei, dahinter Francois Fillon mit 17,3 Prozent. | |
In der Gesamtheit der Überseedepartements liegt aber Marine Le Pen mit 21,9 | |
Prozent vor Jean-Luc Mélenchon (20,8 Prozent), dahinter kommt Francois | |
Fillon mit 20,7 Prozent und erst auf Platz vier Emmanuel Macron mit 20,4 | |
Prozent. | |
Mit Material von dpa | |
23 Apr 2017 | |
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[1] https://twitter.com/RegSprecher/status/856246245135921153 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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