| # taz.de -- Klagerechte für Umweltverbände: Verstoß gegen Völkerrecht | |
| > Der Bundestag debattiert ein Gesetz über Klagerechte in Umweltfragen. Der | |
| > Entwurf erfüllt die internationalen Vorgaben abermals nicht. | |
| Bild: Bleibt eine ewige Baustelle: das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz | |
| Berlin taz | Wenn eine Energiesparlampe zu viel Quecksilber enthält, | |
| verstößt das gegen das Umweltrecht. Um die Zulassung zu verhindern oder | |
| zurückzunehmen, könnte ein Umweltverband dagegen klagen. Könnte – denn in | |
| Deutschland haben die Umweltverbände dieses Klagerecht nicht. Genau dies | |
| sieht jedoch eine internationale Konvention vor, für deren mangelhafte | |
| Umsetzung die Bundesrepublik mehrfach gerügt wurde. Heute debattiert der | |
| Bundestag nun die Überarbeitung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), das | |
| die Vorgaben der Aarhus-Konvention umsetzen soll. | |
| Fast 20 Jahre ist die Unterzeichnung des ersten völkerrechtlichen Vertrags | |
| her, der Zugang zu Recht und Information in Umweltfragen garantiert. Die | |
| Aarhus-Konvention sieht vor, dass betroffene Bürger*innen und | |
| Umweltvereinigungen jeden Umweltrechtsverstoß gerichtlich verfolgen können | |
| – ob in gesetzlichen Regelungen, behördlich genehmigten Bauvorhaben oder | |
| Produktzulassungen. 47 Staaten, darunter die EU und ihre Mitgliedsländer, | |
| haben den Vertrag ratifiziert. Doch mit der Umsetzung hapert es | |
| hierzulande. | |
| Der Europäische Gerichtshof (EuGh) hatte 2015 geurteilt, dass das aktuell | |
| geltende UmwRG gegen EU-Recht verstößt. Das kritisierte Gesetz schließt | |
| Argumente, die in einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren nicht | |
| vorgebracht wurden, vor Gericht aus. Die heute debattierte Gesetzesnovelle | |
| wird dies ändern. Der Bundesverband der deutschen Industrie ist darüber gar | |
| nicht erfreut: „Das Gesetz ist investitionsunfreundlich“, sagt Oliver | |
| Schollmeyer. Wenn auch Einwendungen im Gerichtsverfahren erhoben werden | |
| dürfen, die vorher nicht auf dem Tisch lagen, führe dies zu größerer | |
| Rechtsunsicherheit. | |
| Mit dieser Änderung im UmwRG wolle man dem EuGh gerecht werden, sagt | |
| Rechtsexperte Remo Klinger. Doch auch das UN-Komitee, das die Einhaltung | |
| der Konvention überprüft, hatte das UmwRG bereits 2014 gerügt – und | |
| Deutschland damit erstmals einen Völkerrechtsverstoß im Umweltbereich | |
| vorgeworfen. In einem Zwischenbericht habe das Komitee nun klargestellt, | |
| dass auch die Novelle des UmwRG die rechtlichen Verpflichtungen nicht | |
| erfülle, so Klinger. Denn der neue Entwurf sehe nach wie vor unzählige | |
| Ausnahmen vor – etwa im Produktbereich. Gegen Produkte, die gegen | |
| Umweltauflagen verstoßen, können Umweltverbände nach wie vor nicht klagen. | |
| ## „Man ist peinlich berührt“ | |
| Andere Bereiche, zum Beispiel die Verkehrswegeplanung auf Bundesebene oder | |
| die Festlegung von Flugrouten, blieben im UmwRG ebenfalls außen vor. | |
| Letztere seien Rechtsverordnungen – und die fallen in der Novelle gänzlich | |
| durchs Raster. Das sei unzulässig, sagt Anwalt Klinger. Bei der | |
| öffentlichen Anhörung im Bundestag äußerte er als Sachverständiger: „Man | |
| ist eher peinlich berührt darüber, dass es nach den vielen Jahren immer | |
| noch nicht gelungen ist, einen Entwurf vorzulegen, der den übergeordneten | |
| rechtlichen Verpflichtungen entspricht.“ | |
| Auch Hubertus Zdebel, Obmann der Linken im Umweltausschuss des Bundestags, | |
| kritisiert die Vorgehensweise der Bundesregierung. Monatelang haben SPD und | |
| CDU/CSU die Überarbeitung des UmwRG vor sich hergeschoben, beklagt Zdebel. | |
| „Ganz offensichtlich ist es das Ziel, im Interesse der Industrie das | |
| Klagerecht von Umweltorganisationen so weit wie möglich zu behindern – auch | |
| gegen verpflichtende Bestimmungen“, so Zdebel. Er weist darauf hin, dass | |
| auch gegen Pläne, die Flächen für den Rohstoffabbau ausweisen, nicht | |
| geklagt werden kann. | |
| CDU/CSU und SPD scheinen um die problematischen Ausnahmen zu wissen. So | |
| haben beide Fraktionen im Bundestag einen Antrag eingebracht, der die | |
| Bundesregierung auffordert, „in der kommenden Legislaturperiode einen | |
| Gesetzentwurf zur vollständigen Integration der naturschutzrechtlichen | |
| Verbandsklage vorzulegen“. Dies „soll ohne inhaltliche Abstriche erfolgen�… | |
| heißt es in dem Antrag. | |
| ## „Die Koalition betreibt Opposition in der Regierung“ | |
| So bleibe die Novelle europa- und völkerrechtswidrig, sagt Peter Meiwald, | |
| umweltpolitischer Sprecher der Grünen. Dass die Regierungsparteien die | |
| kommende Regierung auffordere, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, sei | |
| absurd. „Die Koalition betreibt Opposition in der Regierung“, so Meiwald. | |
| Unklar ist, inwiefern die EU Druck auf Deutschland ausübt, damit die | |
| Aarhus-Konvention vollständig umgesetzt wird. „Wir wissen, dass die | |
| Kommission mit den Staaten, die die Konvention nicht einhalten, | |
| verhandelt“, sagt Anne Friel von der Umwelt-NGO Client-Earth. „Aber sie | |
| weigern sich, uns darüber Auskunft zu geben“, sagt die Anwältin. | |
| Tatsächlich verstößt die EU selbst gegen die Aarhus-Konvention. Zu diesem | |
| Befund kam das Komitee, das die Einhaltung überprüft, im März. So sei es | |
| Bürger*innen und Umwelt-NGOs nicht möglich, gegen EU-Entscheidungen in | |
| Umweltfragen vor den EuGH zu gehen. | |
| 27 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Merle Groneweg | |
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