| # taz.de -- Taliban als Verhandlungspartner: Terroristen sind Mörder | |
| > Gespräche mit den Taliban bringen keinen Frieden. Erst wenn sie | |
| > militärisch niedergerungen sind, ergeben Verhandlungen einen Sinn. | |
| Bild: Beerdigung eines der Opfer des Talibanangriffs vom 22. April | |
| Die afghanischen Soldaten waren beim Freitagsgebet und in der Kantine, | |
| unbewaffnet und arglos, als die Terroristen der Taliban in die Kaserne | |
| eindrangen und sie kaltblütig niedermetzelten: ein unvorstellbares Blutbad | |
| mit 140 Toten und 160 Verletzten. | |
| [1][Dieses Attentat] ist nur der vorläufige Höhepunkt einer steten und | |
| tendenziell größer werdenden Zahl von Anschlägen, die oft | |
| Sicherheitskräfte, weit häufiger aber die Zivilbevölkerung treffen. Dennoch | |
| taucht auch jetzt wieder die Forderung auf, mit den Taliban zu verhandeln. | |
| Schon seit Anfang dieses Jahres ist das Thema auf der Tagesordnung. Dieses | |
| Mal jedoch mit neuem Gesicht: Russland beteiligt sich nun. Mitte April war | |
| Moskau Gastgeber der afghanischen Friedenskonferenz. „Die Taliban sollten | |
| in einen konstruktiven Dialog eingebunden werden“, sagt der russische | |
| Außenminister Sergej Lawrow. Begründung: Sonst könnte der „Islamische | |
| Staat“ (IS) in Afghanistan mächtiger werden. | |
| Nachvollziehbar ist das nicht. Der IS ist in Afghanistan schon seit Mitte | |
| 2015 aktiv. Die Terrororganisation jetzt als ernste Gefahr zu betrachten, | |
| kommt viel zu spät, denn sie hat längst ein Zuhause in Afghanistan | |
| gefunden. Die internationale Gemeinschaft und die afghanische Regierung | |
| haben das nicht rechtzeitig erkannt. | |
| ## Verhandlungen aus Angst | |
| Jetzt ist der IS bereits stark und ein Konkurrent für die Taliban geworden. | |
| Es gibt immer wieder Gefechte zwischen den Taliban und IS-Anhängern in den | |
| ostafghanischen Provinzen Nanganhar und Lugar. Aber zur Wahrheit gehört | |
| auch, dass der IS beileibe nicht so stark ist, dass die Taliban aus Angst | |
| vor ihm auf Forderungen und Verhandlungsangebote der afghanischen Regierung | |
| eingehen würden. | |
| Außerdem ist es der völlig falsche Ansatz, sich aus Angst vor einer in | |
| Afghanistan vergleichsweise schwachen Terrorgruppe wie dem IS auf die | |
| Taliban einzulassen. Die Taliban haben mehr als ein Jahrzehnt erfolgreich | |
| gegen afghanische und internationale Streitkräfte gekämpft. Heute sind wir | |
| in der unfassbaren Situation, dass diese skrupellosen Extremisten mehr als | |
| die Hälfte Afghanistans in ihrer Hand haben. | |
| Allein zu glauben, dass die Taliban jetzt, da sie auf dem Vormarsch sind | |
| und sich einer schwachen Regierung gegenüber sehen, auf ernsthafte | |
| Verhandlungen eingehen würden, ist vollkommen naiv und realitätsfremd. Das | |
| kann nicht die Lösung sein. | |
| Eines der größten Hindernisse für eine Befriedung Afghanistans ist die | |
| afghanische Regierung. Seit der Einführung der sogenannten | |
| Einheitsregierung ist Präsident Aschraf Ghani mit dem Machtkampf gegen | |
| seinen Gegner Abdullah Abdullah, derzeit Regierungsgeschäftsführer, | |
| beschäftigt. Dieser Konflikt vertieft die politische Lähmung. | |
| Außerdem hat die von internationalen Gebern finanzierte Regierung in Kabul | |
| mit ihrer menschenverachtenden Grundhaltung und systematischen | |
| Diskriminierung der Volksgruppe der Hazara das Land an den Rand einer | |
| Spaltung gebracht. Die Hazara sind die drittgrößte Ethnie in Afghanistan | |
| und werden aufgrund ihres schiitischen Glaubens und ihres anderen Aussehens | |
| von der paschtunischen Mehrheit schon seit Generationen massiv unterdrückt. | |
| Um Frieden zu schaffen, muss auch dieser Spaltung entgegengewirkt werden. | |
| Verhandlungen mit den Taliban, die die schiitischen Hazara als | |
| „Glaubensabtrünnige“ betrachten und sie besonders oft ins Visier nehmen, | |
| gehören sicher nicht dazu. | |
| Seit die USA und ihre Verbündeten einen Zeitplan für den Abzug aufgestellt | |
| haben, wurden die Anstrengungen für „Friedensgespräche“ mit den Taliban | |
| intensiviert. Allerdings ohne jeden Erfolg. Die Taliban haben bisher alles | |
| abgelehnt. Warum sollten sie auch gerade jetzt verhandeln? Im ganzen Land | |
| herrscht inzwischen Krieg, und die Taliban denken gar nicht daran, damit | |
| aufzuhören. Die Islamisten profitieren von der Schwäche der afghanischen | |
| Regierung. | |
| Es war ein großer Fehler der USA, aus Afghanistan abzuziehen. Das hat | |
| Washington später auch eingeräumt, allerdings war da der Schaden schon da. | |
| Die Taliban haben in den vergangenen zwölf Monaten große Teile des Landes | |
| unter ihre Kontrolle gebracht und stehen praktisch vor Kabul. Sie sind | |
| jetzt wieder eine starke Macht im Land geworden. Solange das so bleibt, | |
| besteht keine Hoffnung auf Frieden. | |
| Darüber hinaus ist Frieden und Sicherheit in Afghanistan auch von | |
| regionalen Akteuren abhängig. Saudi-Arabien, Katar und andere arabische | |
| Länder, vor allem aber das Nachbarland Pakistan spielen eine entscheidende | |
| Rolle. Pakistan sticht heraus, weil es die afghanischen Taliban immer | |
| unterstützt hat und ihrer Führung seit Jahren als sicherer Hafen und | |
| Rückzugsort dient. Der Schlüssel zum Frieden in Afghanistan liegt deshalb | |
| in der Hand Pakistans. Kabul und die internationale Gemeinschaft müssen | |
| zunächst mit Pakistan verhandeln. Danach erst kommen Gespräche mit den | |
| Taliban infrage. | |
| ## Die Taliban sind besiegbar | |
| Es ist wahr, dass bei allen Konflikten der Welt eine politische Lösung die | |
| beste wäre. Aber nicht um jeden Preis. Eine Terrororganisation für einen | |
| friedlichen Kompromiss zu begeistern, ist nur bedingt vernünftig. Die beste | |
| und vernünftigste Lösung ist im Falle Afghanistan ein hartes militärisches | |
| Vorgehen. Nach der militärischen Intervention der Nato in Oktober 2001 | |
| blieb von den Taliban nur der Name. Im ganzen Land gab es keine Spur mehr | |
| von ihnen. Das zeigt, dass die Taliban militärisch durchaus besiegt werden | |
| können. | |
| Der Fehler der USA und ihrer Verbündeten war jedoch, dass sie die sicheren | |
| Rückzugsgebiete der Taliban in Pakistan nicht angingen – mit der Folge, | |
| dass die Taliban jetzt wieder in Afghanistan zurück sind. Pakistan bekommt | |
| enorme finanzielle Unterstützung aus den USA – militärisch und auch in der | |
| Entwicklungshilfe. Die Aussetzung dieser Hilfe kann als Druckmittel | |
| eingesetzt werden. | |
| Die Taliban müssen wieder so schwach werden, dass sie weder in der Lage | |
| sind, Gebiete oder Ortschaften unter ihre Kontrolle zu bringen, noch sich | |
| in sichere Gebiete zurückziehen zu können. Erst dann machen Verhandlungen | |
| Sinn. Und erst dann wird es Frieden geben. | |
| 25 Apr 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mortaza Rahimi | |
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