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# taz.de -- Esens ohne Geld: Rammelplantschen rettet den Haushalt nicht
> Das ostfriesische Esens ist so überschuldet, dass es viele seiner
> Altenwohnungen verkaufte. Gründe für die Misere sind ein Spaßbad und eine
> illegale Umgehungsstraße
Bild: Zu Unrecht enteignet und mitten im Europäischen Vogelschutzgebiet: Ortsu…
Man sollte meinen, das ostfriesische Esens schwämme im Geld. Zu dem
7.000-Einwohner-Städtchen gehört das Heilbad Bensersiel mit dem
Fähranschluss zur Insel Langeoog. Mit rund 850.000 Übernachtungen jährlich
ist es ein touristischer Schwerpunkt an der Küste. Trotzdem ist die
Haushaltslage mittlerweile so dramatisch, dass die Stadt den größten Teil
ihrer Altenwohnungen verkauft hat. Grund für das Desaster sind eine Reihe
kostspieliger Fehlplanungen.
Allein für das laufende Jahr geht der stellvertretende Stadtdirektior
Herwig Hormann von einem Defizit von 214.000 Euro aus. Bis zum Jahresende
rechnet Erwin Schulz vom oppositionellen Bündnis Zukunft Esens (BZE) mit
einem Anstieg der Gesamtverschuldung auf 17 Millionen Euro. Der gesamte
Haushalt 2017 beträgt nur acht Millionen Euro. Die Mehrheit im Rat stellen
SPD und Grüne.
Der Verkauf von 55 der 76 günstigen Altenwohnungen alarmierte jetzt die
Öffentlichkeit. „Es hatte sich über die Jahre ein Sanierungsstau ergeben“,
rechtfertigt Hormann die Entscheidung. „Aus eigener Kraft hätten wir die
notwendigen Sanierungen nicht mehr leisten können.“
Der neue Investor, der Makler und CDU-Fraktionsvorsitzende im Leeraner
Kreistag, Dieter Baumann, hat dabei ein echtes Schnäppchen gemacht. Nicht
mal eine Millionen Euro zahlte seine Firma Real Immobilien für die
Wohnungen in bester Lage. Die lässt er jetzt abreißen und baut neue
Wohnungen, Praxen und Büros. Die Mieten werden steigen.
Das Geld wird das Esenser Stadtsäckel aber schwerlich spürbar entlasten.
Denn allein die stadteigene Tourismus-Gesellschaft, früher „Touristischer
Eigenbetrieb“, schiebt einen Schuldenberg von fast zwölf Millionen Euro vor
sich her. Der ergibt sich aus Umbauten des Bensersieler Spaßbades. Das
machte bundesweit Furore, nachdem eine Abenddisco bei Schummerlicht, im
Volksmund Rammelplantschen genannt, angeboten wurde.
„Leider haben die Arbeiten in Bensersiel den Kostenvoranschlag weit
überschritten“, sagt der Vizestadtdirektor Hormann. „Aber wir sind
gezwungen, in den Tourismus zu investieren, sonst sind wir nicht mehr
konkurrenzfähig.“ Ohne die Investitionen in den Fremdenverkehr wäre Esens
in 15 Jahren schuldenfrei, sagt Hormann.
Wenn er sich da mal nicht irrt. Denn neben vielen anderen Baustellen – der
Stadtsanierung, dem Ausbau der Infrastruktur und der Verbesserung der
Kanalisation, droht Ungemach durch den illegalen Bau einer Umgehungsstraße
für Bensersiel. Die hat die Stadt mitten in ein faktisches Europäisches
Vogelschutzgebiet platziert. Und weil der Eigentümer seinen Grund und Boden
für den Bau nicht hergeben wollte, wurde er enteignet.
Gerichte erklärten den Straßenbau für rechtswidrig und die Stadt Esens
wurde zur Entschädigung des Grundeigentümers verdonnert. Dies ist bis heute
nicht geschehen. Außerdem droht der Rückbau der Straße. Sämtliche Versuche,
den Streit zu schlichten, misslangen, zumal die Stadt Esens mit vielen
Tricks versuchte, den Bau der Straße im Nachhinein zu legalisieren.
„Ich weiß, es geht in der Stadt das Gerücht um, wir bräuchten das Geld
durch den Verkauf der Altenwohnungen als Rücklage für eventuelle
Forderungen, die sich aus dem Bau der Umgehungsstraße ergeben könnten“,
sagt Hormann. „Dem ist nicht so, wir haben jetzt schon zwei Millionen als
Sicherheit zurückgestellt.“ Die Frage, ob dadurch die Forderungen abgedeckt
wären, beantwortet Hormann mit einem schlichten Nein. „Wenn es soweit ist,
werden wir neu überlegen müssen, wie wir das Geld aufbringen können“, sagt
der stellvertretende Stadtdirektor.
18 Apr 2017
## AUTOREN
Thomas Schumacher
## TAGS
Ostfriesland
Haushalt
Verschuldung
Tourismus
Enteignung
Ostfriesland
Landwirtschaft
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