# taz.de -- Fetischtreffen in Berlin: Hundeauslaufgebiet Schöneberg | |
> Seit 19 Jahren trifft sich am Osterwochenende die schwule Fetisch- und | |
> Lederszene aus Deutschland und aller Welt in Berlin. Eine Art | |
> Familientreffen. | |
Bild: Mal kein Hase: der Hund ist ein beliebtes Tier bei Fetischfreunden | |
Noch kurz vor dem offiziellen Startschuss zur Leather and Fetish Week | |
arbeitet Holger Neuber an einem Hundebett aus Leder, das spätestens zur | |
Abschlussveranstaltung am Ostermontag fertig sein soll. „Damit der arme | |
Hund sich von seinen Strapazen erholen kann“, sagt der Inhaber der | |
Lederwerkstatt Leathers in Prenzlauer Berg, die in diesem Jahr 20. Jubiläum | |
feiert. | |
Die Haustiere seiner internationalen Kundschaft tragen ebenfalls Leder oder | |
Latex oder beides und sind eigentlich Zweibeiner, die sich auf allen Vieren | |
fortbewegen, aus Näpfen essen und nach Befehlen ihres Herrchens lechzen – | |
so will es ihr Fetisch, der eng mit der schwulen SM-Szene verwandt ist, in | |
der sich fast alles um Dominanz und Unterwürfigkeit dreht. | |
Veranstaltet wird das lederne Osterfest „Easter Berlin“ vom Verein BLF, der | |
nicht mit dem Bayerischen Landesverein für Familienkunde zu verwechseln | |
ist: Der Berlin Leder und Fetisch e. V. wurde vor 19 Jahren gegründet und | |
organisiert seither das Familientreffen der schwulen Fetischfreunde – egal | |
ob sie auf Hundespielchen oder Anpinkeln, auf Leder oder Latex, auf Skins | |
oder auf Kerle in Militärklamotten stehen. Fast niedlich wirkt dagegen die | |
Party für Fans von Trachtenlederhosen, inklusive bayrischem Buffet. | |
Oft fallen die Fetische so speziell aus, dass sich die Teilcommunitys nicht | |
treffen. „Viele Partys haben eine strikte Kleiderordnung, Sneakers und | |
Rubber etwa schließen sich gewissermaßen aus“, sagt BLF-Vorstand Tom | |
Schenz. Es gibt aber auch Events wie das Fetish Dinner am Karfreitag, das | |
allen offensteht und einen quasi ökumenischen Grundgedanken verfolgt. Und | |
zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen beobachtet Schenz eine Art | |
neue Offenheit. „Es gibt viele, die Outfits kombinieren: Die nächste | |
Generation trägt ein Teil aus Rubber, dazu einen Schottenrock und | |
Sneakers.“ | |
## „Schmerzlich willkommen“ | |
Ihren Schwerpunkt hat die Fetischwoche mit Veranstaltungen wie „fuck, fist | |
& fly“ oder der „Biker Party“ im Homokiez Schöneberg. Es gibt aber auch | |
Außenstellen wie den Kreuzberger Verein Quälgeist (der seine Gäste | |
„Schmerzlich willkommen“ heißt) und das Stahlrohr 2.0 in Prenzlauer Berg | |
mit seiner Naked Sex Party. Zum Abschluss des mehrtägigen Spektakels lädt | |
der Schöneberger Club „Scheune“ beim „Grab the Leftovers“ am Ostermont… | |
zur „Resteverwertung“. | |
Das lederne Gipfeltreffen ist eins der größten seiner Art in Europa und | |
lockt jedes Jahr Tausende in die Hauptstadt, mal ein paar mehr, mal ein | |
paar weniger. 2017 dürfte zu den besseren Jahren gehören, weil Ostern so | |
spät stattfindet. Fallen die Feiertage in den März, tendieren | |
internationale Besucher, die oft schon ein Jahr im Voraus buchen, eher zum | |
Folsom-Straßenfest (siehe Kasten), das Berlin im September ausrichtet. | |
Auch wenn der Anblick von schwarz gekleideten Männern mit Gasmaske oder | |
Paaren, die beim Spaziergang auf Hundeleine statt Händchenhalten setzen, | |
nicht jedem gefällt: „Easter Berlin ist mit seinen vielen Besuchern ein | |
wirtschaftlicher Event geworden, da soll sich keiner aufregen“, findet | |
BLF-Vorstand Schenz. Dazu kommen die Spenden vom „Benefiz-Gulasch“, die an | |
jährlich wechselnde Hilfsorganisationen überwiesen werden – vergangenes | |
Jahr kamen 1.200 Euro zusammen. Dieses Jahr geht das Geld an das KIK, das | |
Kuratorium für Immunschwäche bei Kindern in Berlin e. V. | |
Bis 2014 wurde im Rahmen des österlichen Lederfestes auch ein Mr. Leather | |
gekürt, aber den gibt es frühestens wieder 2018. Das Interesse an dem Amt | |
ist geschwunden, sagt Tom Schenz und überhaupt: „Es gibt zu viele Scherpen | |
in diesem Land.“ | |
## Faszination Leder | |
Anderswo teilt man diese Ansicht nicht. Hamburg und Hessen etwa wählen | |
weiterhin lederne Würdenträger. Dass es ausgerechnet Berlin nicht auf die | |
Reihe kriegt, findet Leathers-Chef Neuber traurig. Schließlich ist so ein | |
Leder-Mister auch dazu da, die Community zusammenzuhalten. | |
Die Faszination Leder ist aber ungebrochen. An Ostern macht Neuber mit | |
Hundemasken, Cockringen oder Dildoharnessen so viel Umsatz wie andere | |
Branchen an Weihnachten. Den Fetisch muss man sich leisten können. Billig | |
ist es nicht, wenn man sich komplett eindecken will oder sich für das | |
Hundebettchen aus Leder interessiert. „Für das Geld“, sagt Neuber, „kauf… | |
sich andere Leute ein Motorrad.“ | |
14 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Kriss Rudolph | |
## TAGS | |
Lesbisch-schwules Stadtfest | |
Fetisch | |
Queer | |
Hundekot | |
Homosexualität | |
Paragraf 175 | |
Tunesien | |
taz.gazete | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Tütenpflicht für Hundekot in Berlin: Kacke ohne Ende | |
Mitgeführte Tüten sollten der neue Kniff im ewigen Kampf gegen den Hundekot | |
auf Berlins Straßen werden. Doch das Gesetz läuft offenbar ins Leere. | |
Beginn der CSD-Saison: Immer wieder samstags | |
Die CSD-Saison startet in Paderborn. Im September endet sie in Weimar. | |
Dabei ist der Christopher Street Day der 28. Juni. Warum wird er so lange | |
gefeiert? | |
Rehabilitierung von Homosexuellen: Zu späte Entschädigung | |
Die Entscheidung der Bundesregierung, die nach §175 verurteilten Schwulen | |
und Bisexuellen zu entschädigen, hat zu lange auf sich warten lassen. | |
Homosexualität in Tunesien: Acht Monate Haft für zwei „Schwule“ | |
Aufgrund ihrer behaupteten Homosexualität sollen zwei junge Männer in | |
Sousse ins Gefängnis. Das Urteil ist kein Einzelfall in Tunesien. | |
Interview über LGBTI-Filmfestival: „Konflikte gibt es überall“ | |
Seit sechs Jahren gibt es in der Türkei das Filmfestival Queerfest. Ein | |
Gespräch mit Organisatorin Esra Özban über Zensur und die Filmindustrie. |