| # taz.de -- Kolumne Der rote Faden: Stay classy, Britain! | |
| > Die Welt ist manchmal gar nicht so schlecht, wie sie aussieht: kein Krieg | |
| > um Gibraltar, dafür Nacktschnecken auf der Reeperbahn. | |
| Bild: Auf der Reeperbahn hätte diese Schnecke eindeutig zuviel an | |
| Gelegentlich, wenn die Weltlage wieder über einem zusammenschlägt, braucht | |
| man gute Nachrichten. Und die gibt es immer, sogar in dieser Woche. | |
| Hier also ohne weitere Umschweife die erste: Immerhin ein Krieg brach diese | |
| Woche gar nicht erst aus, den unverhohlenen Fantasien eines britischen | |
| Konservativen zum Trotz. Michael Howard hatte erklärt, er sei sicher, dass | |
| Premierministerin Theresa May für Gibraltar in den Krieg ziehen würde, | |
| ebenso wie Margaret Thatcher es einst für die Falklandinseln getan habe. | |
| Der Hintergrund: Laut einem kürzlich veröffentlichten Entwurf der EU zu den | |
| anstehenden Brexit-Verhandlungen soll Spanien ein Vetorecht bei allem | |
| bekommen, was den formell unter britischer Hoheit stehenden Landzipfel im | |
| iberischen Süden anbetrifft. Insofern ist das nachvollziehbar, als viele | |
| Spanier in Gibraltar arbeiten, was sich in Zukunft schwierig gestalten | |
| könnte – oder gibt es schon eine Pendlerpasskontrollenwartezeitpauschale? | |
| Gibraltar selbst will verständlicherweise weder vom einen noch vom anderen | |
| gegängelt werden – und hatte außerdem für den Verbleib in der EU gestimmt, | |
| was nun vom imperialistischen Gehabe der Briten nochmals nachträglich mit | |
| einer Ohrfeige bedacht wird. Denn, auch wenn die Panzer noch in der Garage | |
| stehen: Natürlich findet auch Theresa May diesen EU-Entwurf gar nicht | |
| lustig. | |
| ## Die Tories wollen Schiffe versenken spielen | |
| Das hätten sich nicht mal Monty Python schöner ausdenken können: Kaum ist | |
| der Brexit in die Wege geleitet, wollen die Tories wieder Schiffe versenken | |
| spielen. Glücklicherweise dürfte ein echter Krieg aber höchstens auf Lord | |
| Howards Polorasen stattfinden. In diesem Sinne kann man nur hoffen und | |
| wünschen: Stay classy, Britain! | |
| Dieses Attribut gebührt in dieser Woche allerdings schon jemand anderem: | |
| Twitter geht gerichtlich gegen die Regierung Trump vor, die den Konzern zur | |
| Herausgabe von Nutzerdaten eines Trump-Kritikers zwingen wollte, unter | |
| anderem von dessen IP-Adresse und Telefonnummer. | |
| Beruhigend, dass Twitter bei Meinungsfreiheit und Datenschutz keine Gnade | |
| kennt – nicht mal dann, wenn das Gesuch von einem der besten Pferde im | |
| Stall kommt, denn Donald Trump hat fast 28 Millionen Follower und dient | |
| Twitter teilweise sogar als Werbegesicht. Andererseits wäre es eigentlich | |
| interessant gewesen, zu sehen, was Trump mit einer Telefonnummer anzufangen | |
| gewusst hätte – seine kommunikative Brillanz liegt ja eher im Drücken | |
| einzelner Knöpfe, insbesondere desjenigen für sehr! viele!! | |
| Ausrufezeichen!!! | |
| Die good news der Woche aber ist die Geschichte einer Auferstehung von den | |
| Toten. Dazu ein Rätsel: Was ist nackt, liebt Bier und treibt sich nachts | |
| auf St. Pauli herum? Wer jetzt auf die Namensnennung von Bundesligaprofis | |
| oder Politikern hofft, den muss ich leider enttäuschen: Es ist der | |
| Bierschnegel. | |
| ## Nackt um halb 1 auf der Reeperbahn | |
| Den kennen Sie nicht? Kein Wunder. Die etwa zehn Zentimeter lange | |
| Nacktschneckenart, benannt nach ihrem bevorzugten Lebensraum, dem | |
| Brauereikeller, galt als ausgestorben – zumindest in Hamburg. 1935 wurde | |
| sie das letzte Mal im Stadtteil Othmarschen gesichtet, vermutlich auf dem | |
| Weg zum Feierabendbier. Nun tauchte sie plötzlich wieder auf. Und zwar | |
| ausgerechnet auf der Reeperbahn. Mitten in der Nacht und, natürlich, | |
| splitterfasernackt. | |
| Gefunden hat das fantastische Bierwesen – und jetzt kommt der Teil der | |
| Geschichte, der fast zu schön ist, um wahr zu sein – ein | |
| Evolutionsbiologiedoktorand und Schneckenexperte der Uni Hamburg. Er wusste | |
| dem NDR zu berichten: „Der Bierschnegel lebt sehr zurückgezogen und kommt | |
| kaum vor 22 Uhr aus seinem Versteck.“ Wie man das halt so macht am | |
| Hamburger Berg. | |
| Auf der Reeperbahn nackt um halb eins, immer auf der Suche nach Bier – eine | |
| lässigere Rückkehr auf die Weltbühne der Spezies kann man sich kaum | |
| vorstellen. | |
| Endlich wieder da ist auch, wenngleich in der Regel angezogen, Thomas de | |
| Maizière. Hurra! Mitgebracht hat er zur Abwechslung mal einen guten Plan: | |
| Die NPD soll, wenn sie schon nicht verboten werden kann, in Zukunft kein | |
| Geld mehr vom Staat bekommen. Dazu habe man „eine entsprechende | |
| Formulierungshilfe für die notwendige Änderung des Grundgesetzes“ an die | |
| Fraktionen von Union und SPD im Bundestag geschickt. | |
| Allerdings ist die zündende Idee gar nicht von de Maizière selbst. Vielmehr | |
| hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Urteilsbegründung angedeutet, | |
| dass man die Sache mit der NPD ja auch ganz elegant übers Geld regeln | |
| könnte – und nicht gleich die ganz große Verbotskeule auspacken müsste. | |
| Schade eigentlich. Aber auch in Sachen Bundesinnenminister gilt: Die | |
| Hoffnung stirbt zuletzt. | |
| 9 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Johanna Roth | |
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