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# taz.de -- Islamexperte über Mossul-Offensive: „Nicht nur symbolische Niede…
> Der IS wird schrittweise aus der Stadt im Irak vertrieben. Doch die
> Auffanglager sind zu klein für alle fliehenden Zivilisten, meint Guido
> Steinberg.
Bild: Seit Monaten dauern die Kämpfe an: Polizisten, die auf Seiten der Regier…
taz: Herr Steinberg, seit Oktober versuchen regierungstreue Truppen, die
Terrormiliz „Islamischer Staat“ vollständig aus Mossul zu vertreiben. Im
Ostteil der Stadt waren sie erfolgreich. Wie sieht es westlich des Tigris
aus?
Guido Steinberg: Die Operation im Westen scheint im Moment sogar etwas
schneller abzulaufen als die im Osten, die insgesamt vier Monate dauerte.
Es gibt teils heftige Kämpfe, aber die Regierungstruppen rücken
schrittweise vor. Es geht so langsam, da immer noch bis zu 800.000
Zivilisten in der Stadt sind.
Die Regierungstruppen hatten ihre Offensive am Wochenende zusätzlich wegen
schlechten Wetters unterbrechen müssen. Die Kampfpause nutzten Tausende
Bewohner, um zu flüchten. Wohin fliehen die Zivilisten?
Die Zivilisten flüchten sich zunächst in den Süden der Stadt, wo die UN
Auffanglager errichtet haben. Die Versorgungslage in der Stadt ist
katastrophal, doch der IS verbietet auch Zivilisten die Flucht. Deshalb
sind immer noch viele Menschen in der Stadt gefangen. Die Erfolge der
Regierungstruppen führen aber schon jetzt zu einer kleinen Fluchtwelle, für
die die bestehenden Lager zu klein sein dürften.
Vor bald drei Jahren nahm der IS Mossul ein. Damals hörte eine breite
Öffentlichkeit erstmals von der Terrorgruppe. Wäre die vollständige
Rückeroberung der Stadt also vor allem ein symbolischer Sieg?
Mossul war und ist die wichtigste Hochburg des IS. Als seine
Vorgängerorganisation „al-Qaida im Irak“ 2004 von den Amerikanern aus
Falludscha vertrieben wurde, zogen sich seine Kämpfer hierhin zurück.
2007/2008 schien die Gruppierung schon vollständig geschlagen, doch konnte
sie sich in Mossul halten, bis sie 2011 zu einem erstaunlichen Comeback
ansetzte. Es ist deshalb kein Zufall, dass Abu Bakr al-Baghdadi in dieser
Stadt das Kalifat ausrief. Der Verlust von Mossul wird für den IS also sehr
viel mehr als eine wichtige symbolische Niederlage sein.
Wer ist an der Mossul-Offensive gegen den IS beteiligt?
Es sind vor allem irakische Regierungstruppen, darunter mehrere von den USA
für die Terrorismus- und Aufstandsbekämpfung ausgebildete Spezialeinheiten.
Auch amerikanische und europäische Kräfte sind im Hintergrund an den
Kämpfen beteiligt. Die von den USA angeführte Koalition fliegt auch
Luftangriffe, die allerdings mit dem Vorrücken der Bodentruppen an
Intensität nachgelassen haben.
Sind auch die umstrittenen schiitischen Milizen beteiligt?
Die irakische Regierung hat den schiitischen Milizen die Sperrung der
Verbindungslinie von Mossul nach Syrien übertragen. Die letzte Straße wurde
Anfang März von ihnen geschlossen. Sie kämpfen vor allem in und um die
Stadt Tal Afar (westlich von Mossul, Anm. d. Red.).
Werden diese Kräfte von der lokalen Bevölkerung als „Befreier“ akzeptiert…
Die schiitischen Milizen sind bei den Sunniten verhasst und gefürchtet,
weil sie in anderen Städten und Regionen schwere Verbrechen begangen haben.
Vor allem haben sie in einigen Gegenden näher an Bagdad ganze Ortschaften
zerstört und ihre sunnitischen Bewohner vertrieben. Auch zahlreiche Morde
an Gefangenen und Zivilisten, Entführungen und Folter werden ihnen
zugeschrieben.
Hat denn die Zentralregierung in Baghdad die Kontrolle über diese Milizen,
mit denen sie ja – etwa bei der Mosul-Offensive – kooperiert? Oder hören
sie auf den Iran?
Die Zentralregierung versucht sie zu kontrollieren, aber das gelingt ihr
nur teilweise. Die wichtigsten Milizen sind vollkommen unabhängig von der
Regierung und dem Einfluss der iranischen Revolutionsgarden ausgesetzt, die
auch Militärberater stellen. Insbesondere die Badr-Organisation, die auch
das irakische Innenministerium kontrolliert, gilt als Instrument Irans im
Irak.
Die schiitischen Milizen im Irak haben sich in den sogenannten
„Volksmobilisierungseinheiten“ zusammengeschlossen? Sind die mit der
libanesischen Hisbollah vergleichbar, die als Miliz und als politische
Partei die Interessen des Irans im Libanon vertritt?
Die iranische Führung würde gerne eine Organisation wie die Hisbollah
gründen und sie ist diesem Ziel mit dem Aufbau des Milizenbündnisses unter
der Führung von Badr näher gekommen. Diese Miliz herrscht auch über weite
Teile der wichtigen Provinz Diyala bei Bagdad. Es könnte geschehen, dass
dort ein Staat im Staate ähnlich wie im Libanon entsteht. Noch gibt es aber
starke Kräfte im Irak, die genau dies nicht wollen. Viel hängt davon ab,
wie die neue US-Regierung mit diesem Problem umgeht.
Lässt sich sagen, je größer die Erfolge im Irak gegen den IS, desto mehr
bröckelt die Autorität der Zentralregierung im Irak?
Das ist etwas zu scharf formuliert, denn wenn Mossul fällt, wird dies vor
allem ein Sieg der Zentralregierung sein. Allerdings muss sie anschließend
große Teile der schiitischen Milizen tatsächlich unter ihre Kontrolle
bringen. Gelingt dies nicht, droht eine weitere Schwächung der irakischen
Zentralregierung.
Was wird auf die Rückeroberung von Iraks zweitgrößter Stadt folgen? Städte
wie Tikrit, Falludscha und Ramadi, aber auch Ost-Mossul wurden dem IS ja
bereits wieder entrissen. Wie ist die Erfahrung dort?
Die Erfahrungen in einigen dieser Städte und dem Umland waren so schlimm,
dass die schiitischen Milizen in Mossul auf Druck der USA an den Rand
gedrängt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass sie in Tal Afar auf schlimmere
Gewalttaten gegen die Bevölkerung verzichten und keinen Zugang nach Mossul
erhalten. Für eine künftige Beruhigung der politischen Lage im Irak ist es
zwingend, dass nicht noch mehr religiös motivierte Gewalttaten verübt
werden.
Lesen Sie auch: [1][“Sie werden keinen Staat aufbauen“] (Interview mit
Guido Steinberg im Juni 2014, kurz nachdem der IS Mossul eingenommen
hatte.)
22 Mar 2017
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## AUTOREN
Jannis Hagmann
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