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# taz.de -- Attentäter Anis Amri in Berlin: Nicht der gefährlichste Gefährder
> Laut Polizeichef Kandt hat die Polizei keine Fehler gemacht bei der
> Überwachung Amris. Und dennoch könnte so ein Attentat wieder passieren.
Bild: Kerzen zum Gedenken an die Opfer am Breitscheidplatz
Ist Anis Amri ein Attentäter neuen Typs? Das ist gut möglich, findet
zumindest Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt gegen Ende seiner
Ausführungen über die jüngsten Erkenntnisse zum Anschlag in Berlin. Denn
trotz aller umfangreichen Bemühungen und Überwachungen, so Kandt im
Innenausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag, habe die Polizei nichts
finden können, was auf die Planung eines Attentats hingedeutet hätte.
Diese Verteidigungstaktik kommt nicht unbedingt überraschend – schließlich
sagt der Polizeipräsident letztlich nichts anderes, als dass man keine
Fehler gemacht habe bei der Überwachung Amris in Berlin. Aufschlussreich
sind die Ausführungen von Kandt und der Staatsschutzchefin Jutta Porzucek
trotzdem. Denn auch mit mehr Personal für eine umfassendere Überwachung, so
Porzucek, hätte man keine weiteren Erkenntnisse über die Pläne von Amri
bekommen. Eine bemerkenswerte Aussage für eine Behörde, die standardmäßig
auf Mangel an Beamten hinweist.
Ebenso standardmäßig beschäftigt sich der Innenausschuss mit dem Anschlag
am Breitscheidplatz, bei dem der Tunesier Amri am Abend des 19. Dezember
insgesamt zwölf Menschen getötet und mehr als 60 teilweise schwer verletzt
hatte. Amri wurde wenige Tage später auf der Flucht in Italien von
Polizisten erschossen.
In jeder Sitzung beschäftigen sich die Berliner Innenpolitiker nun mit
diesem schwersten islamistischen Attentat in Deutschland. Am Montag standen
Polizeipräsident Kandt und Innensenator Andreas Geisel (SPD), der bei dem
Attentat gerade elf Tage im Amt war, besonders unter Druck. Vergangene
Woche hatte der RBB unter Verweis auf bisher unveröffentlichte Unterlagen
auf einen Widerspruch hingewiesen: Einerseits sei die Observation des
bereits zuvor vor der Polizei als sogenannter Gefährder eingestuften Amri
Mitte Juni beendet worden, anderseits sei Amri noch im Juli und August 2016
als Mensch mit einem hohen Gewaltpotenzial und als Sicherheitsrisiko
gesehen worden, aber nicht ständig observiert worden.
Das sei keineswegs ein Widerspruch, sagt Staatsschutzchefin Porzucek im
Ausschuss. Trotz der Beobachtung Amris bis Juni 2016 hätten ihre
Mitarbeiter „nicht jene Erkenntnisse erlangt, die wir uns wünschen“, um
Amri „das Handwerk zu legen“ – sprich ihn zum Beispiel vorläufig
festzunehmen. Amri sei zu jener Zeit auch nicht als der gefährlichste der
rund 70 Gefährder in Berlin angesehen worden.
## Letzte Zweifel
Dennoch habe man das Gefühl gehabt, ihn weiter überwachen zu müssen, um
letzte Zweifel auszuschließen. Deswegen sei sein Telefon noch weiter
abgehört worden, um gegebenenfalls die Observierung wieder fortzusetzen.
„Es wurde aber zu keinem Zeitpunkt über einen Anschlag gesprochen und über
nichts, was in diese Richtung ging“, sagt Parzucek. Sie zieht daraus den
Schluss, dass auch künftig Anschläge von Menschen verübt werden könnten,
die der Polizei zwar bekannt sind, deren Pläne aber bis zum Schluss unklar
bleiben.
Innensenator Geisel betont denn auch, dass derzeit alle von der Berliner
Polizei überwachten Gefährder überprüft werden. Die Forderung von Teilen
der Opposition, sie einfach abzuschieben, sei sinnlos: Der „Großteil“ der
Berliner Gefährder habe einen deutschen Pass.
Zu weiteren Detailfragen der Abgeordneten bleiben die Aussagen der Polizei
vage. Meist weist Kandt auf die laufenden Ermittlungen hin, während denen
keine Details veröffentlicht würden – und wenn, dann nur von der
Staatsanwaltschaft. Ob Amri also tatsächlich ein Attentäter neuen Typs war
und was diesen ausmacht, wird sich nicht so schnell klären.
3 Apr 2017
## AUTOREN
Bert Schulz
## TAGS
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Anis Amri
Andreas Geisel
Terrorismus
Klaus Kandt
Polizei Berlin
Anis Amri
Anis Amri
Gefährder
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