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# taz.de -- Abschaffung der Todesstrafe in den USA: Hank Sanders' einsamer Kampf
> In Alabama werden so viele Todesurteile verhängt wie sonst kaum in den
> USA – oft gegen Schwarze. Der Widerstand dagegen wächst langsam.
Bild: Sollte abgeschafft werden: Hinrichtungsraum in Alabama
Montgomery ap | Hank Sanders hat längst aufgehört zu zählen. Seit fast
zwanzig Jahren reicht er einen Antrag nach dem anderen ein – jedes Mal ohne
Erfolg.
Jedes Mal wurde am Ende entschieden, die Todesstrafe in Alabama
beizubehalten. Trotzdem gibt der 74-Jährige nicht auf. Oft ist es
allerdings ein recht einsamer Kampf. Auf nationaler Ebene liegt Sanders mit
seiner Haltung zwar voll im Trend. Doch in seinem Heimatstaat scheint die
erforderliche Anpassung der Gesetze noch immer fast undenkbar – zumindest
offiziell.
„Ob du kämpfst, hängt nicht davon ab, ob du gewinnen wirst oder nicht“,
sagt der demokratische Politiker in seinem Büro im Kapitol des südlichen
US-Staates. „Du kämpfst, wenn du überzeugt bist, dass deine Position die
richtige ist.“ Auch in diesem Jahr hat Sanders wieder einen Antrag
eingereicht. Und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass er auch in diesem
Jahr wieder scheitern wird.
Der Afroamerikaner Sanders stammt aus der Kleinstadt Selma. Seit 1983 ist
er Abgeordneter in Montgomery, der Hauptstadt von Alabama. Schon in jungen
Jahren engagierte er sich für Bürgerrechte – an der Seite von Martin Luther
King nahm er an den berühmten „Märschen von Selma nach Montgomery“ teil,
die schließlich zum Wahlrechtsgesetz von 1965 führten. Eine später von ihm
mitgegründete Anwaltskanzlei erstritt vom US-Landwirtschaftsministerium
mehr als eine Milliarde Dollar Entschädigung für diskriminierte schwarze
Farmer.
Mit seinen hartnäckigen Forderungen nach einer Abschaffung der Todesstrafe
will Sanders nach eigenen Angaben ein weiteres Mal für Gerechtigkeit in
Alabama sorgen. „Es ist eine Fortsetzung meines Kampfes für Bürgerrechte“,
sagt er.
## Überdurchschnittlich viele Schwarze im Todestrakt
Insgesamt 183 zum Tode verurteilte Menschen warten derzeit in Alabama auf
ihre Hinrichtung. Nur in drei anderen US-Staaten sind es mehr – obwohl
Alabama nur knapp fünf Millionen Einwohner hat. Und was für Sanders
entscheidend ist: Von den fünf Millionen sind nur etwa 25 Prozent
Afroamerikaner. Demgegenüber zählt aber mehr als die Hälfte der
Todeskandidaten zu dieser Bevölkerungsgruppe.
Experten betonen immer wieder, dass Minderheiten in den USA besonders
häufig zum Tode verurteilt werden. „Das ist untrennbar verbunden mit den
historischen Debatten über Rasse, Sklaverei und Lynchmorde“, sagt Robert
Dunham, Leiter der Organisation Death Penalty Information Center (DPIC),
die sich wie Sanders für eine Abschaffung der Todesstrafe einsetzt.
Die landesweite Zahl der Hinrichtungen ist in den vergangenen 25 Jahren
stark zurückgegangen. Nach Angaben des DPIC liegt das zum Teil an Problemen
bei der Beschaffung der Substanzen für die Giftspritzen, vor allem aber an
einer zunehmend ablehnenden Haltung in der amerikanischen Gesellschaft. Im
Jahr 2016 wurden 20 Menschen hingerichtet, so wenige wie seit 1991 nicht
mehr. Auch die Zahl der Verurteilungen ist seit 2000 um fast 90 Prozent
gesunken.
In 31 US-Staaten ist die Todesstrafe noch erlaubt. Allerdings sitzen etwa
80 Prozent der Betroffenen in den Todestrakten von nur zehn Staaten. Die
mit Abstand meisten, 749, warten in Kalifornien auf ihre Hinrichtung –
wobei in dem mit Abstand auch bevölkerungsreichsten Staat seit 1976 nur 13
Todesurteile vollstreckt wurden, wie aus Unterlagen des DPIC hervorgeht. In
Alabama wurden im gleichen Zeitraum demnach 58 Menschen hingerichtet.
## Schutz vor „abscheulichen Taten“
Der Abgeordnete Sanders sieht die nationalen Statistiken als ermutigendes
Zeichen dafür, dass der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die
Todesstrafe eines Tages ganz verbieten könnte. Doch gerade in Alabama
halten viele andere Politiker dagegen. Der Republikaner Trip Pittman
verweist etwa auf besonders schwere Verbrechen wie den Bombenanschlag in
Oklahoma durch den 2011 hingerichteten Timothy McVeigh oder die Tötung von
neun Menschen in einer Kirche in South Carolina durch den kürzlich zum Tode
verurteilten Dylann Roof. „Das einzige Mittel, Menschen von solch
abscheulichen Taten abzuhalten, ist die Todesstrafe“, sagt er.
Auch unter den Angehörigen von Opfern gibt es viele, die dem Engagement von
Sanders wenig abgewinnen können. „Ich verstehe nicht, warum manche Leute so
viel Mitgefühl für die Leute in den Todestrakten aufbringen“, sagt Janette
Grantham. Ihr Bruder, der Bezirkssheriff war, wurde 1979 von einem Mann
ermordet, der später eine lebenslange Haftstrafe erhielt. Heute leitet die
Frau die Interessensgruppe Victims of Crime and Leniency.
Doch Sanders bleibt unbeirrt. Und trotz des bisher ausbleibenden Erfolgs
gibt es nach seiner Aussage auch im Senat von Alabama etliche Abgeordnete,
die eigentlich zwar ebenfalls gegen die Todesstrafe sind, dies aus Angst
vor dem Verlust von Wählerstimmen aber nicht öffentlich zugeben würden. Im
Vertrauten hätten andere Politiker schon zu ihm gesagt: „Du hast ja recht,
aber von dem Thema muss ich die Finger lassen.“
17 Mar 2017
## AUTOREN
Anthony Izaguirre
## TAGS
USA
Todesstrafe
Alabama
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