| # taz.de -- Die Wahrheit: Einmal K-Gruppe, immer K-Gruppe | |
| > Plattenaufleger wollen „Künstler“ sein. Weil man aus vorhandenem Material | |
| > etwas Neues schaffe. Haben DJs wirklich etwas mit Kunst zu tun? | |
| Wann genau wurde eigentlich aus der ehrenwerten Dienstleistung des | |
| Musikauflegens das größenwahnsinnige Konstrukt des DJs als „Musiker“, als | |
| „Künstler“? | |
| Keine Frage: Für eine Party ist außer der adäquaten Menge – je nach Milieu | |
| legaler oder illegaler – Drogen und einer atmosphärischen Beleuchtung | |
| nichts wichtiger als jemand, der die richtige Musik auswählt und sie dann | |
| möglichst unfallfrei in einer die Stimmungskurve steil nach oben steigen | |
| lassenden Reihenfolge auf den Plattenteller legt. Oder vom Rechner abfahren | |
| lässt. Möglichst ohne Leerzeilen dazwischen. | |
| So jemand arbeitet hart und sollte großzügig entlohnt werden. Und er ist | |
| bitte nicht mit klugscheißernden Vorschlägen zu nerven, die nur die | |
| Insider-Indie-Qualifikation des Fragestellers beweisen sollen: „Haste was | |
| von Cabbage oder Gurr?“ Dafür engagiert man ja einen Profi. Damit er selbst | |
| weiß, was er auflegt. | |
| Selbstverständlich braucht man für diesen Job eine gewisse Sensibilität und | |
| – ja: auch Kreativität. So wie auch Werbetexter und Brillendesigner kreativ | |
| sein müssen. Deswegen sind sie aber noch lange keine Künstler. Was aber | |
| nicht heißt, dass sie keine Künstler sein könnten. Dazu müssten sie eben | |
| nur was anderes machen als werbetexten, Brillen designen oder Musik | |
| auflegen. Kunst zum Beispiel: Romane schreiben, Filme drehen, Comics | |
| zeichnen . . . | |
| Nun argumentiert ein junger Mensch in meiner Umgebung, DJs seien sehr wohl | |
| Künstler, sie würden ja aus vorhandenem Material etwas Neues schaffen. Also | |
| dieses ganze Mash-up-Sampling-Mix-Remix-Ding. Schönes Argument in einem | |
| kulturwissenschaftlichen Seminar, aber jetzt mal in echt, liebe DJs: Wenn | |
| ihr Musiker sein wollt, verdammte Kacke nochmal, kauft euch ein Instrument | |
| und geht üben! Und tretet vor Publikum auf, das euch beim Spielen der | |
| Instrumente zuhört und dem ihr etwas zu erzählen habt. | |
| Ja, sicher, ich weiß, das ist Alterskonservatismus. Und gehört sich nicht. | |
| Aber immer noch besser, ich gebe ich mich popkulturell restaurativ, als | |
| dass ich politisch vergreise wie so mancher aus den Vorgängergenerationen. | |
| Inzwischen kann man ja gar nicht mehr zählen, wie viele einstmals schwer | |
| systemkritische 68er und 78er nun inbrünstig die bestehende Ordnung | |
| preisen, inklusive Kapitalismus, Gymnasium, Kirche und „abendländischer“ | |
| Kultur. Wobei einige dieser Menschen sich nur auf dialektische Art treu | |
| geblieben sind. Wie sagte schon die gelegentlich unterhaltsame | |
| Pointen-Queen Jutta Ditfurth über den Grünen/CDU-Hybrid Winfried | |
| Kretschmann: „Früher KBW, heute katholische Kirche – einmal K-Gruppe, immer | |
| K-Gruppe.“ | |
| Aber zurück zum DJ-Mash-up-Kram: Wenn ich abends stundenlang durch die | |
| Fernsehprogramme zappe und dabei im postmodernen Sinne ein neu collagiertes | |
| Metaprogramm entsteht, kann ich ja auch keine Filmförderung beantragen. | |
| Wobei: In einer Welt, in der Schallplattenunterhalter als Künstler gelten, | |
| ist wahrscheinlich auch das möglich. | |
| 29 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Hartmut El Kurdi | |
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