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# taz.de -- Einschüchterungen und Tricks: Leichter vermieten ohne Betriebsrat
> Die Deutsche Wohnen macht Rekordgewinne. Die Mitarbeiter haben aber wenig
> zu sagen – einen Betriebsrat verhindert das Unternehmen.
Bild: Eine richtige Mitarbeitervertretung ist im Unternehmen offenbar nicht erw…
Berlin taz | Der Wohnungskonzern Deutsche Wohnen steht wieder einmal in den
Negativ-schlagzeilen. In Berlin setzt sich der größte Vermieter der Stadt
über den Mietspiegel hinweg. Mieter klagen über verschleppte Reparaturen.
Zuletzt hat das Unternehmen angekündigt, fast 4.000 Altbauwohnungen in der
Stadt aufzukaufen – und deren Bewohner aufgeschreckt.
Die Großaktionäre des Konzerns, darunter der US-Vermögenverwalter Blackrock
und der Norwegische Staatsfonds, können sich indes freuen. Der Berliner
Immobiliengigant, der deutschlandweit 160.000 Wohnungen besitzt, hat im
vergangenen Jahr mit 1,6 Milliarden Euro einen hohen Gewinn eingefahren –
ein Drittel mehr als 2015. Sein Börsenwert hat sich in den vergangenen zwei
Jahren mehr als verdoppelt. Doch das Geschäftsmodell scheint nicht nur auf
Kosten der Mieter, sondern auch auf Kosten der Beschäftigten zu
funktionieren.
Ehemalige Beschäftigte und die Gewerkschaft Verdi berichten der taz von
Einschüchterungen und Tricks, um die Mitbestimmung zu umgehen. Eigentlich
müsste in der Aktiengesellschaft mit knapp 750 Mitarbeitern der
Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt sein. Im
sechsköpfigen Gremium sitzen aber nur Vertreter der Kapitalseite –
ausschließlich Männer, darunter der ehemalige SPD-Politiker Wolfgang
Clement.
Die sogenannte Drittelbeteiligung, die in Unternehmen ab 500 Mitarbeitern
gilt, umgeht der Konzern mit einem legalen Trick: Die Mehrzahl der
Beschäftigten ist auf drei 100-prozentige Töchter verteilt, die formal
eigenständige GmbHs sind. Die eigentliche Deutsche Wohnen AG firmiert laut
Geschäftsbericht als Holding mit nur 150 Mitarbeitern. Eine Sprecherin
nennt dies eine „freie unternehmerische Entscheidung“.
Normalerweise zählen die Mitarbeiter von Tochtergesellschaften mit –
allerdings nur, wenn diese in das sogenannte herrschende Unternehmen
„eingegliedert“ sind. Was das genau bedeutet, ist strittig und aus Sicht
der Gewerkschaften eine Gesetzeslücke. Auch eine 100-prozentige Beteiligung
reicht bislang nicht als Nachweis für eine „Eingliederung“.
## „In Teufels Küche“
Einige Mitarbeiter, die noch aus der aufgekauften, ehemals kommunalen
Berliner Wohnungsbaugesellschaft GSW stammten, wollten im vergangenen Jahr
einen Betriebsrat gründen. Der Moment schien passend: „Uns standen das
Auslaufen der Arbeitsplatzgarantie und der Tarifbindung bevor. Dagegen
wollten wir uns wehren“, sagt Tobias Krug, der in Wirklichkeit anders
heißt. „Mein Abteilungsleiter riet mir von den Betriebsratsplänen ab, weil
wir sonst in Teufels Küche kämen.“
Er und seine Mitstreiter machten trotzdem weiter und bereiteten eine
Betriebsratswahl vor – was Folgen hatte: Einem Kollegen mit befristetem
Vertrag legte der Vorgesetzte nahe, die Finger vom Vorhaben zu lassen. Der
Kollege folgte dem Rat, der eigentlich eine Drohung war. Krug selbst wurde
vom Geschäftsführer zu einem Gespräch einbestellt: „Er fragte mich, ob ich
noch glaube, dass ich in der richtigen Firma arbeite, und bot mir prompt
eine Freistellung plus Abfindung an.“ Die Betriebsratspläne erwähnte der
Geschäftsführer nicht, aber für Krug ist der Zusammenhang offensichtlich.
Eine weitere Mitarbeiterin, die inzwischen ausgeschieden ist, berichtet von
einem „mitbestimmungsfeindlichen Klima“ in der Deutschen Wohnen. „Der
Vorstand will alle Überbleibsel der zugekauften kommunalen Unternehmen
heraushaben. Denn ein Betriebsrat stellt Fragen und ist unbequem“, sagt
sie. Der Vorstand, so die ehemalige Führungskraft, führe das Unternehmen
„autoritär“ und „stark hierarchisch“.
## Die Deutsche Bank griff zu
Die Deutsche Wohnen ist ein Produkt der Privatisierungen auf dem deutschen
Wohnungsmarkt. In den neunziger Jahren verscherbelten viele Unternehmen
ihre Werkswohnungen und mehrere Bundesländer ihre Wohnungsbestände. Die
Deutsche Bank griff zu und formte anschließend die Deutsche Wohnen. Durch
den umstrittenen Kauf zweier ehemals landeseigener Berliner
Wohnungsbaugesellschaften – der Gehag und der GSW – wurde das Unternehmen
erst richtig groß. Allerdings kaufte es damit auch starke Betriebsräte ein,
die ihm offensichtlich von Beginn an ein Dorn im Auge waren.
Barbara Tulke ist bei Verdi Berlin-Brandenburg zuständig für die
Immobilienbranche. Ihre Gewerkschaft hat keine Drähte in das Unternehmen.
Sie räumt ein, dass die Deutsche Wohnen wegen der relativ kleinen
Mitarbeiterzahl für Verdi nicht im Vordergrund steht – kritisiert aber auch
die Angestellten: „Junge Mitarbeiter haben oft keinen Bezug mehr zur
Betriebsräten“, sagt sie.
Dadurch fehle es an einer kritischen Masse an aktiven Mitarbeitern, durch
die Betriebsratsgründungen selbstverständlich würden. Einzelne Aktive könne
ein Unternehmen leicht isolieren. Sie erklärt die Passivität mit einer
Mischung aus Angst um den Job und einem Wandel der Arbeit: „In der Branche
sind die Prozesse immer standardisierter geworden. Eigenständiges Arbeiten
wird weniger als früher verlangt.“ Das habe Konsequenzen für Selbstbild und
„Kampfbereitschaft“ der Mitarbeiter.
## „Kein Bedürfnis“ nach einem Betriebsrat
Die Sprecherin der Deutsche Wohnen sagt der taz, dass es „kein Bedürfnis“
in der Belegschaft nach einem Betriebsrat gäbe. „Die Unternehmensleitung
würde es nicht hintertreiben, wenn es dieses Bedürfnis gäbe“, sagt sie.
Anstelle eines Betriebsrats existiert ein Arbeitnehmergremium namens
Fokusgruppe, das mit dem Vorstand über „Verbesserungswünsche auch in
Tarifangelegenheiten“ reden könne, heißt es. Die „Fokusgruppe“ wird
allerdings nicht in einem ordentlichen Verfahren gewählt und hat keine
gesetzlichen Mitbestimmungsrechte. Für Barbara Tulke ist das Gremium ein
Alibi. „Derartige Gremien ohne verbindliche Rechte und Ansprüche können
Betriebsräte nicht ersetzen“, sagt sie.
Der Initiator der gescheiterten Betriebsratsgründung hat das
Abfindungsangebot inzwischen angenommen und ist in einem anderen
Unternehmen der Branche untergekommen.
28 Mar 2017
## AUTOREN
Gunnar Hinck
## TAGS
Deutsche Wohnen
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