Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Voll ins Schwarze
> Nach etlichen Fehlversuchen wollen US-Astrophysiker ästhetisch
> ansprechende Aufnahmen eines Schwarzen Lochs im All präsentieren.
Bild: Supernova verwackelt, dunkle Materie nicht ausgeleuchtet? Die interstella…
Diesmal aber wirklich! Im April will ein Team des Harvard-Smithsonian
Center für Astrophysik in Cambridge (Massachusetts) zum ersten Mal
erfolgreich ein Schwarzes Loch fotografieren. Seit zwei Jahrzehnten
probieren es die Forscher – und scheitern dabei immer wieder. Die Idee, ein
solches Objekt überhaupt zu fotografieren, geht buchstäblich auf eine
Sektlaune zurück.
„Unser leitender Buchhalter Ronny hatte zur Millenniums-Campusparty total
witzige Bilder geschossen, und da haben alle gesagt: Ronny, wer so genial
wie du ein Tischfeuerwerk in Szene setzen kann, der kann sicher auch ein
Schwarzes Loch einfangen“, erinnert sich Shepherd Doeleman.
Wir treffen den Projektleiter in seinem Büro. Inoffiziell. Das
abzubildende, sogenannte supermassereiche Schwarze Loch Sagittarius A*
befindet sich mitten in der Milchstraße und ist dem gemeinen Steuerzahler
(Donald Trump) naturgemäß ein Dorn im Auge. „Diese alles verschlingenden
Monster sind bei uns nicht willkommen“, heißt es aus dem Weißen (!) Haus,
und weiter: „Black hole lives matter, trotzdem gibt es in jedem
Sonnensystem bad guys, und denen muss man nicht auch noch durch aufwendige
Fotostrecken Aufmerksamkeit schenken.“
Jedenfalls stand die erste Mission unter keinem guten Riesenstern, wie
Doeleman berichtet: „Unser Mann war nur noch zwei, drei Lichtjahre vom Ziel
entfernt, da funkt er uns auf einmal an: ‚Sorry, Leute, ich hab das externe
Blitzgerät vergessen!‘ Das sah Ronny wieder mal ähnlich. Wir also: Abbruch,
Rückzug, eine Milliarde Dollar in den Wind geblasen.“
## Schwarzes Loch mit roten Augen
Ohne Blitzlicht, das gilt als gesichert, sind Schwarze Löcher so gut wie
nicht zu erkennen, zudem kann das Resultat in völlig verfälschten Farben
erscheinen (Rote-Augen-Effekt). Mit zwei Elektronenblitzgeräten, Ersatzakku
und einer Extra-Speicherkarte ausgestattet, machte sich der Buchhalter im
Sommer 2004 erneut auf den Weg. Doch dann der Schock. „Diesmal war er zu
nah an das Loch herangeflogen. ‚Nimm doch dein Weitwinkelobjektiv!‘, riefen
wir noch, aber er wollte nicht hören und ist schließlich in der vier
Millionen Grad Celsius Hitze bei lebendigem Leib verglüht. Haha, typisch
Ronny! Seine auf Kieselgröße zusammengeschrumpelten Überreste flutschten
ein paar Wochen später aus einem Wurmloch in unserer Cafeteria heraus.“
Doeleman deutet auf einen graphitähnlichen Klumpen, der auf dem
Schreibtisch als Briefbeschwerer dient. „Ich habe all das nur anhand
unserer Protokolle konstruiert. Gott sei Dank werden beim Durchqueren eines
Schwarzen Lochs nämlich auch alle Erinnerungen an den oder die
Durchreisenden getilgt. So mussten Ronnys Angehörige wenigstens nicht
traurig sein.“
## Fehlerquelle Drogeriemarkt
Als nächstes verzichtete man weitgehend auf den Faktor Mensch und setzte
auf Teleskoptechnik. Die Ergebnisse schätzte man als recht brauchbar ein,
doch erneut gab es eine Panne. „Wir nahmen die Filmrolle aus dem Teleskop
und brachten sie in den nächsten Drogeriemarkt. Als wir die entwickelten
Fotos abholten und begutachten wollten, mussten wir feststellen, dass man
offenbar unsere Auftragsnummern vertauscht hatte: Die Fotos zeigten
allesamt verwackelte Aufnahmen einer Grundschulinszenierung von Tennessee
Williams Stück ‚Die Nacht des Leguan‘. Und irgendwo im Großraum Boston
besitzt jetzt eine Familie unbezahlbare Zeugnisse eines der größten
kosmischen Phänomene unserer Zeit …“
Für das im kommenden Monat startende Projekt ist man daher komplett auf
digital umgestiegen. Und als „Fotograf“ dient dieses Mal weder eine Person
noch eine Maschine, sondern: ein Tier. „Der Weltraumhund Leika – eine
Reminiszenz sowohl an die Sowjethündin Laika als auch an die zum Einsatz
kommende Kamera der Firma Leica – kriegt eine Digicam um den Kopf
geschnallt, die im Abstand von zwanzig Sekunden Bilder macht und diese
direkt an unsere Bodenstation überträgt“, erklärt der Teamchef. „Und fal…
Leika sich das Gerät herunterreißt und Selfies von sich knipst, haben wir
immerhin was zu lachen.“
## Paparazzi in Zeit und Raum
Neben all dem technischen und organisatorischen Stress regen sich obendrein
vereinzelt moralische Zweifel bezüglich des Themas Weltallfotografie.
„Jeder Himmelskörper hat ein Recht aufs eigene Bild. Ungefragte
Schnappschüsse sind eine Verletzung der Intim-Exosphäre“, liest man etwa
auf der Homepage des Vereins Safe space space, der das Smithsonian Center
für Astrophysik und andere Raumschiff-Paparazzi öffentlich anprangert.
Männliche Vertreter der goldenen Ära der Pin-up pictures wie Stephen
Hawking betrachten die Angelegenheit dagegen aus einem ganz anderen
Blickwinkel: „Man kann sich schon fragen, ob das wirklich nötig ist, derart
wuchtige Objekte auf Hochglanz zu bannen. Mit circa vier Millionen
Sonnenmassen ist Sagittarius A* nicht gerade ein Leichtgewicht. Aber wenn’s
ästhetisch gemacht ist …“ Im Zweifel müsse man halt den Kuipergürtel eng…
schnallen. Cheese!
27 Mar 2017
## AUTOREN
Torsten Gaitzsch
## TAGS
Fotografie
Astrophysik
Schwarze Löcher
Georgia
Black Panther
Wissenschaft
Neurologie
Flüchtlinge
Schwerpunkt Überwachung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: So süß wie der elektrische Stuhl
Die Georgien-Woche der Wahrheit: Immer im Sinn bleibt Georgia, das
liebliche Land der zuckrigen Pfirsiche und des hohen Stromverbrauchs.
Die Wahrheit: Ein Mann sieht nicht schwarz
Diesen sagenhaft tollen Film „Black Panther“ muss man einfach gesehen haben
– wenn man dazu kommt. Tagebuch eines Scheiterns.
Britischer Astrophysiker: Stephen Hawking ist tot
Sein Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ und die Theorie über schwarze
Löcher machten ihn weltberühmt. Jetzt ist der Wissenschaftler mit 76 Jahren
gestorben.
Die Wahrheit: Plötzlich Persisch
Neues von der Neurologie: Zentrale und periphere Hirngeschichten aus aller
Welt erzählen von den Leistungen des Denkkastens.
Die Wahrheit: Stoppt die Schwemme!
Celebrities not welcome: Es braucht dringend eine Obergrenze für Prominente
in den Flüchtlingslagern rund um den Erdglobus.
Die Wahrheit: Vollbremsung beim TÜV
Selbstjustiz beim Technischen Überwachungsverein: Endlich fasst man sich
dort an die eigene Prüfnase.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.