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# taz.de -- Kolumne Habibitus: Außergewöhnliche Alman-Magie
> Schluss mit Unterdrückungs- und Empowermentneid: Kartoffeln können sich
> nun endlich über eigene Zauberkräfte freuen.
Bild: Mundwinkel bis in den Keller hängen: Kartoffeln sind ja auch nicht für …
Man gibt es ja nicht gerne zu, aber weißsein verliert – abgesehen von den
ollen Privilegien – ganz schön an Attraktivität, während Personen of Color
und Schwarze Personen sich im Zuge des Empowerments richtig zelebrieren
können.
Nun werden Eigenschaften, die üblicherweise rassifiziert wurden, sogar
schon von mediokren weißen Frauen wie dem Kardashian-Nachwuchs Kylie Jenner
angeeignet: buschige Brauen und dicke Haare statt des üblichen
Drei-Strähnen-Looks, richtig Junk In The Trunk statt dem Handy in der
Arschtasche der Jeans als einzige Rundung, Braids statt Bauernzopf. Kurzum
Black Girl Magic statt Merlins billigem Hokuspokus. Und es geht über
Beauty-Trends hinaus.
Früher in Deutschland als eklig geltende Küche wie etwa die koreanische
gilt jetzt als Szene-Essen. Außergewöhnliche Namen machen viel mehr her als
Jochen und Otto, die mittlerweile als Beschimpfungen fungieren. Kein Grund
zu Feiern für Kartoffeln? Nicht ganz. Deutsche haben nämlich ihre eigenen
Superpowers. Sie brauchen gar kein gut gewürztes Essen oder
aneignungswürdige Ästhetik in Mode, Musik und Make-up.
Ihre geheime Magie besteht nämlich darin, wie von Zauberhand die Gefühle
von allen im Raum Anwesenden zu kontrollieren. Funktioniert meistens nur in
eine Richtung, nämlich nach unten, aber das allein ist schon bemerkenswert.
Ist euch das schon mal aufgefallen? Kartoffeln sind leicht und oft schlecht
gelaunt.
## In Deutschland lebend ist belastend
Dafür gibt es viele Gründe: Das deprimierende Wetter, das fade Essen, das
miese Fernsehprogramm, die bemerkenswert hohe Quote, sich Wertgegenstände
klauen zu lassen oder sie zu verlegen, zersplitterte Smartphone-Displays,
enttäuschende Fußballergebnisse, geschlossene Läden, limitierende
Gema-Regelungen, überall Hundescheiße auf der Straße, you name it. In
Deutschland leben heißt unter belastenden Umständen leben.
Kein Wunder, dass allen die Mundwinkel bis in den Keller hängen. Kartoffeln
sind ja auch nicht für ihre Herzlichkeit und Besonnenheit bekannt. Nicht
mal Trump, der Hund, wollte Merkel die Hand geben. Wer es trotzdem schafft,
sich diesen Wermutstropfen zu entziehen, dem machen Kartoffeln dann mit
ihren Zauberkräften einen Strich durch die Rechnung. Wenn sie irgendwo oder
irgendwas verloren haben beispielsweise, ziehen sie so lange eine Fresse
und meckern darüber, dass andere nach einer Zeit das Gefühl haben, es sei
ihr eigener Geldbeutel, der in der Mittagspause geklaut wurde.
Oder sie seien dran schuld und müssten ihnen nun vielleicht ihren eigenen
geben, auf jeden Fall aber einen Kaffee oder ein Bier ausgeben, damit sich
ihre Laune ein bisschen hebt und etwas Ruhe einkehrt. Wie es sich wohl
anfühlt, wenn einer_einem das Auto gestohlen, ein lauwarmes Bier serviert,
an der Kasse der falsche Betrag abgerechnet, die Kieselsteine in der
Einfahrt durcheinander gebracht werden oder das Abitur nicht bestanden zu
haben, kann ich mir mittlerweile originalgetreu vorstellen, weil es
Kartoffeln in meinem Umfeld bereits erlebt und mir das Gefühl übertragen
haben. Wenn das keine außergewöhnliche Alman-Magie ist, was ist es dann?
24 Mar 2017
## AUTOREN
Hengameh Yaghoobifarah
## TAGS
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