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# taz.de -- Aufregung um Theaterstück in Frankreich: Katholische Erregungskurve
> „Stoppen wir dieses Stück“, schreibt ein Vertreter der religiösen
> Rechten. Er sorgt sich um die Jugend und will „Five Easy Pieces“
> verbieten lassen.
Bild: Geht es ihnen gut? Szene aus „Five Easy Pieces“ von Milo Rau
Noch bis Sonntag zeigt das Theater von Nanterre in Frankreich „Five Easy
Pieces“ von Milo Rau, dann zieht die Produktion weiter nach Manchester,
England. In Frankreich hat der Politiker Jean-Frédéric Poisson, Präsident
der kleinen Christdemokratischen Partei, ein Verbot der Inszenierung
gefordert.
In einer Petition, die sich an den Justizminister richtet, ist von der
Sorge um die Kinder, die in „Five Easy Pieces“ auf der Bühne stehen, die
Rede, dass sie ausgenutzt und traumatisiert werden könnten von der
Geschichte, mit der sie sich auf der Bühne beschäftigen. Denn es geht um
Missbrauch in dem Stück, das sich um Marc Dutroux, einen berüchtigten
Pädophilen und Mörder aus Belgien, dreht.
Im letzten Herbst tauchte Jean-Frédéric Poisson als ein Kandidat im
Präsidentschaftswahlkampf auf, der vielen bis dahin unbekannt war. Der
überzeugte Katholik ist ein Verteidiger der Familie, setzt sich für das
Verbot der homosexuellen Ehe ein, ist gegen den Familiennachzug in der
Einwanderungspolitik. Die französische Gesellschaft will er nicht als eine
multikulturelle sehen.
Die Petition für das Verbot, die, nachdem sie über Zeitungen und
Internetportale verbreitet worden war, am Freitag schon 10.000 Personen
unterzeichnet hatten, suggeriert, das die Integrität der Kinder nicht
respektiert würde in der Inszenierung. Der Vorwurf wird aber weder der
Konstruktion des Stücks, noch den sieben 9- bis 13-jährigen Darstellern
gerecht.
## Wie sie sich das Böse vorstellen
Die gehören dem Genter Theater Campo an, das sich seit Jahren sehr genau
damit auseinandersetzt, was Kindheit bedeutet, wie sie sich verändert,
welche öffentlichen Bilder von ihr kursieren, wie Kinder und Jugendliche
damit klarkommen. Genau das macht eine der Qualitäten von Raus Arbeit aus,
die bewusste und vorsichtige Umschau in dem fluiden Gelände zwischen
Selbstfindung und medialen Bildern.
Mit „Five Eays Pieces“ fährt der Schweizer Theatermacher Milo Rau gerade
große Erfolge ein. Das Stück ist zum Theatertreffen in Berlin und zu den
Mülheimer Theatertagen eingeladen, und es erhält den 3sat-Preis. Jede Jury
begründet ihre Wahl auch damit, wie gut die Kinder über sich, über ihre
Darstellungswünsche erzählen und darüber, wie sie sich das Böse vorstellen
können. „So feiern Raus ‚Five Easy Pieces‘, was die Dutrouxs dieser Welt
vernichten wollen: kindliche Weisheit, kindlichen Willen, kindlichen
Trotz“, begründet die 3sat-Jury.
Philippe Quesne, Leiter des Theaters in Nanterre, gibt sich gelassen, auch
wenn es möglicherweise noch zu Demonstrationen kommt. Am meisten stört
ihn an der Polemik, „dass diese Leute das Stück nicht mal gesehen haben“.
Aber dennoch ist dieses rechte Muskelspiel in seiner Absurdität auch
unheimlich, ein Austesten neuer Kampfplätze.
17 Mar 2017
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Milo Rau
Zensur
Disney
Marquis de Sade
Theatertreffen Berlin
Schwerpunkt Frankreich
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