# taz.de -- Olaf Scholz präsentiert ein Buch: Deutsche Hoffnungen | |
> Der Hamburger Bürgermeister wünscht sich eine positivere Sicht auf | |
> Deutschland. Sein Gast Joseph Fischer widerspricht ihm nicht. | |
Bild: Hoffnungsträger bei der Buchvorstellung | |
BERLIN taz | Launige Bemerkungen sollen hin und her fliegen und den | |
manchmal drögen Inhalt vergessen machen. So kalkulieren Verlage gerne bei | |
Buchvorstellungen im politischen Berlin: Merkel präsentiert daher Schröder, | |
Hans-Werner Sinn Wagenknecht. Am Freitag saß nun Exaußenminister Joschka | |
Fischer als Sidekick neben Olaf Scholz, als der Hamburger Erste | |
Bürgermeister sein Buch „Hoffnungsland. Eine neue deutsche Wirklichkeit“ | |
(Hoffmann und Campe) vorstellte. | |
Aber die Rechnung ging nicht recht auf. Scholz und Fischer saßen beide im | |
rot-grünen Schröder-Kabinett, der Spannungsbogen zwischen beiden war eher | |
gering. Fischer erklärte, schon bei den Grünen „nicht für die gute Laune | |
zuständig“ gewesen zu sein, verzichtete am Freitag aber auch auf seine | |
bekannt düsteren Zukunftsvisionen und sein Fischer-Grummeln. | |
Dabei hat es Scholz’ Buch durchaus in sich. Auf Seite 66 etwa schreibt er: | |
„Es gibt Aktivisten, die sich für eine völlige Öffnung der Grenzen als Akt | |
der Humanität aussprechen. Ihnen gerät dabei völlig aus dem Blick, welch | |
einschneidende Folgen ein solcher Schritt hätte. Denn Deutschland könnte | |
kein Sozialstaat mehr sein, weil der Sozialstaat nicht grenzenlos jeden | |
unterstützen kann und schon gar nicht auf dem heutigen Niveau.“ Fischer | |
erwähnte die Stelle nicht. Horst Seehofer als Sidekick hätte Scholz dazu | |
vielleicht gefragt, warum die SPD dies nicht schon 2015 ausgesprochen hat. | |
Scholz wirbt für Zuwanderung und ein Europa, das die SPD-Klientel nicht | |
überfordert. So plädiert er für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, hält aber | |
eine gemeinsame Sozialversicherung für nicht machbar, weil die | |
wohlhabenderen EU-Staaten dazu ihr Sozialleistungsniveau absenken müssten | |
und die ärmeren ihres anheben. Deutsche Sozialleistungen für Bürger aus | |
anderen EU-Staaten müssten weiter eingeschränkt werden, etwa für | |
Hartz-IV-Aufstocker. Deutschland könne nur dann ein „Hoffnungsland“ für | |
Menschen auf der ganzen Welt bleiben, wenn auch die Deutschen selbst ihr | |
Land so sähen, sagte Scholz am Freitag. Deutschland brauche einen robusten | |
Sozialstaat, gering Qualifizierte müssten besser bezahlt werden. | |
Fischer war zum Abschluss dann doch für ein paar deutliche Worte gut. | |
Erstens verteidigte er die Agenda 2010 angesichts der damaligen hohen | |
Arbeitslosenzahlen, zweitens das grüne Spitzenduo Özdemir und | |
Göring-Eckardt trotz der schlechten Umfragewerte. „Das Erfolgsmodell | |
Kretschmann“ habe leider keine Konsequenzen auf der Bundesebene gehabt, | |
stellte er als Hauptproblem der Grünen fest. Und behauptete schließlich, | |
dass er „keine substanziellen Unterschiede in der Europapolitik zwischen | |
Merkel und Schulz“ sehe. Scholz widersprach dem nicht. In Athen, Rom und | |
Lissabon, wo sie in der deutschen Politik die wesentliche Ursache ihrer | |
Krise sehen, dürfte das nicht für Freude sorgen. | |
17 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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