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# taz.de -- Deutsch-türkische Beziehungen: Wenig Chancen auf Schutz
> Flüchtlinge aus der Türkei haben kaum Aussicht auf Asyl in Deutschland.
> Dabei zeichnet das Auswärtige Amt ein düsteres Bild der Lage im Land.
Bild: Das Auswärtige Amt macht sich keine Illusionen, welchen Kurs die Türkei…
Berlin taz | Diplomatisch klingen diese Zeilen nicht: „Die Regierung hat
seit dem Putschversuch eine fast alles beherrschende nationalistische
Atmosphäre geschaffen, die gleichermaßen auf Furcht, Euphorie, Propaganda
und nationale Einheit setzt.“ Der türkische Präsident „missbraucht die
Justiz für persönliche Machtinteressen“, Kernelement seines
„nationalistischen Kurses“ sei „das bedingungslose Vorgehen im
Kurdenkonflikt“.
So steht es im jüngsten internen Lagebericht, den deutsche Diplomaten in
der Türkei verfasst haben. Diese Berichte werden auch vom Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei Asylverfahren genutzt. Sie sind
geheim, auch um Außenpolitik mit Partnern wie Erdoğan nicht schwieriger zu
machen als sie schon ist.
Auch jetzt klingt das, was Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in den
letzten Tagen öffentlich zur Türkei sagte, anders als das, was seine
Diplomaten notieren. Nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen
Mevlüt Çavuşoğlu sprach Gabriel von einer „schwierigen Phase“ der
Beziehungen, nach der er „Schritt für Schritt“ zu einem „freundschaftlic…
Verhältnis“ zurückkehren wolle.
## Terrorismusvorwürfe inflationär genutzt
Tatsächlich macht sich das Auswärtige Amt (AA) keine Illusionen darüber,
welchen Kurs die Türkei einschlägt. Die Diplomaten verwenden Erdoğans, als
Zitat ausgezeichnet, Vokabel „Säuberung“ für die Verhaftung von bislang
über 86.000 Menschen und die Suspendierung von 76.000 Beamten wegen
angeblicher Putschunterstützung.
„Die meisten politisch Oppositionellen können sich nicht mehr frei und
unbehelligt am politischen Prozess beteiligen“, schreiben sie.
Terrorismusvorwürfe würden „inflationär genutzt“, Meinungs- und
Pressefreiheit seien „akut bedroht“. 3.000 Journalisten hätten ihren Job
verloren. Die übrigen könnten nicht schreiben, was sie denken: „Unfreiheit
entsteht auch durch Selbstzensur.“
Bei linken und kurdischen Versammlungen würden „teils aus sachlich nicht
nachvollziehbaren Gründen Verbote ausgesprochen“. Massive Gewalt der
Sicherheitskräfte komme „nicht selten vor“ – eine recht freundliche
Formulierung.
## Schlechte Chancen auf Asyl
Deutlicher werden die Diplomaten, was die türkische Justiz angeht: „In
großem Umfang wurden erfahrene Richter und Staatsanwälte durch unerfahrenes
Personal ersetzt, was die Aussicht auf ein ordnungsgemäßes und faires
Verfahren einschränkt“, schreiben sie. „Zudem ist davon auszugehen, dass
sich der Druck auf die Justiz seit dem Putschversuch deutlich verstärkt
hat.“ Dies wirft die Frage auf, warum das AA im Fall des
Welt-Korrespondenten Deniz Yücel ein „rechtsstaatliches Verfahren“
forderte.
Insgesamt klingt die interne Einschätzung des Auswärtigen Amts, als hätten
TürkInnen in Deutschland gute Aussichten auf Asyl. Das Gegenteil ist aber
der Fall. Nach Angaben des BAMF stellten von September 2016 bis Februar
2017 insgesamt 3.686 TürkInnen Asylanträge in Deutschland. Das waren rund
zwei Prozent aller Anträge in dieser Zeit. In der gleichen Zeit entschied
das BAMF über 1.628 Anträge – fast jeder zweite (674) wurde abgelehnt. 821
Anträge wurden nicht geprüft – meist, weil die Person über einen anderen
EU-Staat nach Deutschland gekommen war.
Ganze 133 positive Bescheide gab es – das ergibt eine Quote von 8,2
Prozent. Damit wurden TürkInnen erheblich öfter abgelehnt als die meisten
anderen Flüchtlinge. Deren Gesamtschutzquote lag im Februar bei etwa 46
Prozent. Wer vor Erdoğan flieht, hat also schlechte Chancen auf Asyl in
Deutschland.
15 Mar 2017
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Deutsch-Türkische Beziehungen
Schwerpunkt Türkei
Asyl
Auswärtiges Amt
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Türkei
Türkei
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Suruç
Putschversuch Türkei
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