# taz.de -- Eskalation Niederlande und Türkei: Armdrücken in Rotterdam | |
> Nach dem verhinderten Auftritt einer türkischen Ministerin spitzt sich | |
> die Situation zu. Das ist auch dem niederländischen Wahlkampf geschuldet. | |
Bild: Das türkische Konsulat in Rotterdam in der Nacht auf Samstag | |
AMSTERDAM taz | Als die Ministerin weg war, kamen die Wasserwerfer in | |
Aktion. Gegen halb zwei in der Nacht zum Sonntag griff die Polizei in | |
Rotterdam zu schwerem Geschütz, um die Demonstranten vor dem türkischen | |
Konsulat zu vertreiben. Die Spannung, die sich den ganzen Abend über | |
aufgebaut hatte, entlud sich: Türkische Demonstranten bewarfen die Polizei | |
mit Steinen, diese setzte Schlagstöcke und Hunde ein. Erst spät in der | |
Nacht wurde es ruhig im Zentrum der Hafenmetropole. | |
Früh am nächsten Tag wurde vor dem Konsulat aufgeräumt. Die Scherben im | |
niederländisch-türkischen Verhältnis dagegen werden sich nicht leicht | |
zusammenkehren lassen. Seit dem Wochenende hatte sich der Streit über | |
Auftritte türkischer Minister zugespitzt, die in den Niederlanden für das | |
türkische Verfassungsreferendum werben wollten. | |
Am Samstagmorgen wurde zunächst Außenminister Çavuşoğlu die Landeerlaubnis | |
verweigert. Am Abend kam dann Familienministerin Kaya in einem Autokonvoi | |
aus Deutschland nach Rotterdam. Der Zugang zum Konsulat wurde ihr | |
verweigert. | |
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits Hunderte türkischstämmige | |
Niederländer mit Flaggen vor dem Konsulat versammelt. Die Behörden | |
versuchten die Ministerin zum Umkehren zu bewegen. Kaya bestand darauf, das | |
Konsulat zu betreten. Gegen ein Uhr nachts erklärten die Niederlande sie zu | |
einer „unerwünschten Ausländerin“. Unter Polizeibegleitung ging es zurück | |
zur deutschen Grenze, wo sie in das Nachbarland abgeschoben wurde. | |
## Folgenreiche Eskalation | |
Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb warf dem türkischen Generalkonsul | |
vor, er habe die Behörden „auf schändliche Weise irregeleitet“. Der Konsul | |
habe angegeben, am Samstag seien keine weiteren Aktivitäten zum türkischen | |
Referendum geplant, zugleich aber auf sozialen Medien türkischstämmige | |
Niederländer aufgerufen, zum Konsulat zu kommen. | |
Die Tageszeitung Volkskrant sprach am Samstag noch von einer „Partie | |
Armdrücken“ zwischen dem niederländischen Premier Mark Rutte und dem | |
türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Wer diese gewonnen hat, war am | |
Tag danach fraglich. Für Rutte allerdings steht außer Frage, Ankara habe | |
die Sache „aufgeblasen“ und auf die Spitze getrieben. | |
Am Sonntag erklärte Rutte im Fernsehen, er wolle das Problem gemeinsam mit | |
seinem türkischen Amtskollegen Yıldırım lösen. Zugleich wies er die | |
türkische Drohung mit Sanktionen zurück und betonte, die Niederlande ließen | |
sich nicht erpressen. Das größte Problem, so Rutte, sei, dass die türkische | |
Regierung die türkischstämmigen Niederländer als ihre Bürger betrachte. | |
Rutte bezeichnete sie dagegen als „niederländische Staatsbürger, die | |
womöglich auch in der Türkei Wahlrecht besitzen“. | |
## Auffällige Einigkeit | |
Die Frage, die spätestens am Sonntag in den Mittelpunkt rückte, ist aber: | |
Wie werden die Ereignisse in Rotterdam die niederländischen | |
Parlamentswahlen an diesem Mittwoch beeinflussen? Fest steht: Der Wahlkampf | |
ist seit dem Wochenende ein anderer, womöglich werden auch die Karten noch | |
einmal neu gemischt. Die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid (PVV) | |
von Geert Wilders hat die Kampagne weniger geprägt, als im Vorfeld | |
erwartet. In den letzten Wochen ist sie sogar hinter die liberale VVD von | |
Premier Rutte zurückgefallen. | |
Auf der Hand liegt da die Vermutung, Rutte wolle sich mit seiner harten | |
Haltung gegenüber Ankara von Wilders absetzen. Erdoğan-Propaganda in | |
Rotterdam wäre für den PVV-Chef zweifellos eine Steilvorlage gewesen, um | |
seine ins Stocken geratene Kampagne wieder in Gang zu bringen. Die | |
Reaktionen am Sonntag aber nuancieren dieses Bild. Auffallend einig sind | |
sich die Vertreter der Parteien in ihrer Unterstützung des Auftretens gegen | |
die türkischen Minister. | |
Der christdemokratische Spitzenkandidat Sybrand Buma plädierte dafür, den | |
EU-Assoziationsvertrag mit der Türkei zu kündigen. GroenLinks-Kandidat | |
Jesse Klaver sprach von einem „ziemlich unverschämten“ türkischen | |
Auftreten. Bereits vor der Eskalation von Rotterdam hatte Klaver gefordert, | |
man dürfe sich „nicht gegeneinander ausspielen“ lassen. Deutliche Worte | |
fand am Samstag die türkischstämmige Kandidatin der Socialistische Partij, | |
Sadet Karabulut: „Die Niederlande sind keine türkische Provinz, in die man | |
einfach so eingefahren kommt.“ | |
Fleur Agema, hinter Wilders auf Platz zwei der Kandidatenliste der Partij | |
voor de Vrijheid, sagte wegen der Vorfälle eine für Sonntag geplante | |
Debatte in Amsterdam ab. Und Wilders kommentierte, Ruttes Partei habe „nur | |
Eier, wenn die PVV dies fordert“. | |
12 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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