# taz.de -- AfD-Wahlkampf im Saarland: Am liebsten als Alterspräsident | |
> Josef Dörr ist Spitzenkandidat der saarländischen AfD, im März will er in | |
> den Landtag einziehen. Seine Chancen stehen gut. | |
Bild: Vor der Wahl des saarländischen Landtags: Kandidat Dörr träumt von ein… | |
Neunkirchen/Saar taz | Josef Dörr, der AfD-Vorsitzende im Saarland, ist ein | |
rüstiger Pensionär. Zu Fuß hat sich der 78jährige auf den Weg gemacht. In | |
Etappen wandert er an den Grenzen um das Saarland herum. So sucht er den | |
Kontakt zu den Menschen, die ihn und seine Partei bei der Landtagswahl am | |
26. März wählen sollen. | |
Das Ziel ist klar. Der Mann, der zuvor bei der CDU und sogar bei den Grünen | |
sein Glück versucht hatte, will im März in den Landtag einziehen, am | |
Liebsten als Alterspräsident. Laut Umfragen hat er gute Chancen, auch wenn | |
die AfD an der Saar stets schwächer bewertet wird als die Bundespartei. | |
Die hatte Dörr im vergangen Jahr noch loswerden wollen – mit einem | |
Parteiausschlussverfahren wegen des Vorwurfs, er habe mit Neonazis | |
gemeinsame Sache gemacht. Doch Dörr und sein Landesverband haben sich | |
erfolgreich gewehrt. | |
Der Mann mit den leicht eingesackten Schultern des Alters wird gerne | |
unterschätzt. Mit wachen Augen mustert er sein Gegenüber, leicht spöttisch, | |
weil er ja mit der „Lücken- und Lügenpresse“ spricht. Er meint es aber | |
bitter ernst. | |
## Bis zur letzten Minute | |
In Neunkirchen, beim offiziellen Wahlkampfauftakt Mitte Februar, beschwört | |
Dörr seine Partei, bis zur letzten Minute zu kämpfen, gegen die | |
„Altparteien“ und das angeblich feindliche „Medienkartell“. Er erinnert | |
seine Parteifreund*innen daran, dass die Behörden der AfD im November 2015 | |
eine Demonstration vor dem Saarbrücker Landtag verboten haben, wegen der | |
Bannmeile. Was er nicht sagt: Damals sind zahlreiche Rechtsextremisten | |
mitmarschiert, darunter neben NPD-Mitgliedern auch deren Landesvorsitzender | |
sowie Aktivsten der rechtsextremen „Saarländer gegen Salafisten“ Sagesa. | |
Unter anderem wegen der zahlreichen Kontakte in die rechtsextreme Szene | |
hatte der Bundesvorstand hat den saarländischen Landesverband auflösen | |
wollen. | |
Nun verspricht Dörr, dass die AfD in den Saarbrücker Landtag einziehen | |
wird: „Doch am Abend des 26. März sind wir drin, drin, drin!“, ruft er mit | |
sich überschlagender Stimme: „Wir kämpfen nicht um 5 und auch nicht um 10, | |
sondern um 51 Prozent“. | |
Auf den Tischen im Karchersaal des Gutshof Furpach, in einem ländlichen | |
Vorort Neunkirchens, sorgen bei diesem Wahlkampfauftakt Primeltöpfe für | |
Farbtupfer. Darin stecken Wimpeln in den Nationalfarben. Man gibt sich hier | |
„bürgerlich freiheitlich“, nicht radikal. Die Wände sind mit Plakaten voll | |
gehängt. | |
## Ganz viel „Volkswillen“ | |
Es sind die üblichen Parolen: „Politik für das eigenen Volk!“, „Meister | |
statt Bachelor“, „Mut zur Wahrheit“, aber auch „Russland-Sanktionen | |
kippen“. Weil es im Saarland stets auch ums gute Essen geht, zeigt ein | |
Motiv einen Schwenkbraten auf einem Grillrost über dem offenen Feuer. „Zeit | |
zum Umschwenken“ steht auf dem Plakat. Aktivisten der „jungen Alternative“ | |
verkaufen Bier und Bretzel. | |
Man begrüßt vom Podium „den Armin und den Lutz“, „der Peter“ ist der | |
Gastredner aus Hessen, sie feiern ihn als „unseren Stargast“ und heißen | |
auch „den Josef, das Urgestein der AfD“ willkommen. Sogar JournalistInnen | |
werden geduldet. Alle RednerInnen berufen sich ausdrücklich auf die | |
Meinungsfreiheit, aber eben auch auf den „Volkswillen“. | |
Es sind nur rund 50 ParteifreundInnen zum offiziellen Wahlkampfauftakt | |
gekommen, deutlich mehr Männer als Frauen, mehr Alte als Junge. Es gibt | |
nicht mal eine Gegendemonstration. Rudolf „Rolf“ Müller, der | |
Spitzenkandidat der AfD für den Landtag, macht den Anfang. | |
## Gute alte Zeit | |
Er, der in Neunkirchen aufgewachsen ist, gerät ins Schwärmen: „Damals kamen | |
die Fußballer aus Hamburg, Köln und Dortmund hierher und mussten Punkte | |
lassen“, erinnert er an die gute alte Zeit, als man im Saarland noch in der | |
ersten Liga mitmischte. „Die Schornsteine haben geraucht und dem Saarland | |
ging es gut“, so Müller. Doch der Bergbau ist abgewickelt und die | |
Stahlindustrie kämpft mit dem Strukturwandel. | |
Schuld am Niedergang sind in seiner Lesart die „Altparteien“. Müller | |
polemisiert gegen den „maßlos übertriebenen Brandschutz, der vernünftiges | |
Bauen unmöglich macht“. Der Klimaschutz ist für ihn ein „Modethema“. Der | |
„Unsinn vom menschengemachten Klimawandel“ verhindere Wachstum und koste | |
Arbeitsplätze. | |
Er plädiert für ein Europa der Vaterländer, fordert „raus aus dem Euro und | |
raus aus der EU!“. US-Präsident Donald Trump, die Front-National-Chefin | |
Marine Le Pen und sogar Russlands Präsident Wladimir Putin sind für ihn | |
Vorbilder. | |
Schuld sind die Fremden | |
Den größten Beifall gibt es an diesem Abend immer dann, wenn ein Redner auf | |
die „unkontrollierte Masseneinwanderung“ zu sprechen kommt. Auch Müller | |
klagt beredt über die Fremden, die nach seiner Überzeugung auf Kosten der | |
Allgemeinheit leben und für die steigende Kriminalität verantwortlich sind. | |
Er sei neulich bei einer arabischen Familie zu Gast gewesen; „das war alles | |
ganz schön, freundlich und sympathisch“, beginnt Müller im Plauderton, als | |
habe er sich nett mit den Gästen unterhalten. Doch dann ändert sich die | |
Tonlage: „Diese ganze vielköpfige Familie lebt auf Kosten der | |
Steuerzahler“, ruft Müller empört in den Saal und fügt hinzu: „Dieser | |
Familienvater wird es nie und nimmer schaffen, die Familie mit seiner | |
eigener Arbeit zu ernähren!“ Müllers Konsequenz: „Obergrenze Null“ für… | |
Flüchtlingszuzug. Die Regierung mache sich schuldig, weil sie „die von uns | |
erarbeiteten Sozialkassen plündert.“ | |
Es ist alles ganz einfach: „Das Geld muss für uns ausgegeben werden!“, | |
fordert Müller. | |
## Unbedingt mehr Kontrollen | |
Auf Nachfrage erläutert der AfD-Spitzenkandidat später, wie er den Zuzug | |
stoppen will: An den deutschen Außengrenzen müsse man zwar nicht eine Mauer | |
bauen, es müssten aber unbedingt wieder Kontrollen durch Polizei und | |
Grenzbeamte eingeführt werden, „wie in den 90er Jahren“. | |
Auf den Einwand, dass im Dreiländereck inzwischen Hundertausende | |
Berufspendler täglich die Grenzen zwischen dem Saarland, Frankreich und | |
Luxemburg in alle Richtungen passieren, antwortet Müller: „Die Sicherheit | |
geht vor!“ | |
In seinem erlernten Beruf, als Gymnasiallehrer, arbeitet Müller nicht. In | |
Saarbrücken betreibt er zusammen mit seiner Ehefrau, die ebenfalls bei der | |
AfD ist, ein Antiquitätengeschäft. Im vergangenen Jahr hatten Journalisten | |
herausgefunden, dass es bei Müllers auch KZ-Geld und Naziordnen mit | |
Hakenkreuzen zu kaufen gab. | |
## Frage nach den Geschäften | |
In Neunkirchen, nach den offiziellen Reden, bittet die Partei zu einer | |
„Fragestunde“. Ein selbsternannter „radikaler Freidenker“ mit langen Ha… | |
und Rauschebart meldet sich zu Wort. Er fragt nach den Geschäften der | |
Müllers mit KZ-Geld und Naziorden. Ein bisschen verlegen antwortet Müller, | |
er würde gerne ausführlich zu den Vorgängen Auskunft geben, doch man habe | |
ihm dringend geraten, dazu zu schweigen. | |
Im Gespräch mit Journalisten gibt sein Landesvorsitzender Dörr später eine | |
Ehrenerklärung ab: Die Vorwürfe, Müller handle mit Nazi-Devotionalien, | |
seien haltlos. | |
Eine grauhaarige Frau ärgert sich darüber, dass sie sich im Freundeskreis | |
für ihre Parteimitgliedschaft rechtfertigen muss; sie fragt, warum es „die | |
Medien“ geschafft hätten, die AfD im Saarland als braune Partei zu | |
brandmarken. | |
## Zu weit gegangen | |
Allerdings sind auch der AfD-Bundesspitze die Kooperationsbemühungen | |
zwischen dem Landesverband mit rechtsextremen Splittergruppen – wie der | |
„Freie Bürger Union“, den „Pfälzer Spaziergängern“, der Sagesa und m… | |
NPD-Funktionären – zu weit gegangen. | |
Neben den Kontakten zu Rechtsextremisten hatte die Bundespartei | |
Dörr„monatelange Vetternwirtschaft“ und die „Manipulation von | |
Mitgliederlisten“ vorgeworfen. | |
Beim Landesparteitag im vergangenen April, bei dem sich Dörr nach seiner | |
Absetzung erneut den Landesvorsitz sichern konnte, hat er von der AfD als | |
„Bewegung“ gesprochen und wörtlich gesagt: „Wir spüren eine tiefe Glut … | |
uns. … An ihr werden wir das Feuer entfachen. Die Missstände in unserem | |
Land sind der Wind, der diese Glut entfacht… Die Flammen wachsen zu | |
einem Flammenmeer und schließlich zu einem Feuersturm. Dieser | |
Feuersturm wird alles hinwegfegen und vernichten, was schlecht ist.“ | |
Und was ist mit Höcke? | |
Auch das Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke, dem umstrittenen | |
AfD-Chef in Thüringen, ist in Neunkirchen erst in der Fragestunde Thema. | |
Die Saar-AfD will sich dazu aber lieber nicht äußern. | |
Stattdessen bezieht schließlich der Gastredner Stellung: Ausdrückliche | |
Rückendeckung gibt der hessische Landessprecher Peter Münch dem | |
Parteifreund in Thüringen: „Wir sollten Streitigkeiten intern lösen“, sagt | |
Münch und bewertet das Ausschlussverfahren gegen Höcke als „überzogene | |
Reakton“. Da spricht er der saarländischen AfD aus der Seele und erntet | |
viel Applaus. | |
13 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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