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# taz.de -- Prozess gegen Schlecker: Ein schwarzer Tag für Anton
> Die Unternehmerfamilie muss sich wegen schweren Bankrotts verantworten.
> Sie soll kurz vor der Insolvenz Millionenbeträge beiseitegeschafft haben.
Bild: Sein Imperium zerfiel, jetzt muss er sich ducken
STUTTGART taz | Eisgrau sind die nach vorn gekämmten Haare, das Gesicht hat
tiefe Furchen, der Mund des 72-Jährigen ist schmal. Fast schüchtern schaut
Anton Schlecker in das Blitzlichtgewitter, als er den Saal des Stuttgarter
Landgerichts betritt. Es geht hier um sein Lebenswerk, das seit fünf Jahren
in Trümmern liegt. Es geht für ihn darum, ob er nicht nur als harter bis
hartherziger Unternehmer in Erinnerung bleibt, sondern auch als
[1][krimineller Bankrotteur].
Mehr als 20 Jahre ist es her, dass sich der öffentlichkeitsscheue
Unternehmer zum letzten Mal der Presse stellen musste. Auch damals stand er
vor dem Strafrichter, weil er seinen Angestellten vorgetäuscht hatte,
Tariflohn zu bezahlen. Schlecker hatte getrickst und wurde verurteilt. Bei
dem Prozess 1998 gingen Bilder eines Mannes mit seltsam unnatürlicher
Haarfarbe und wild gemustertem Versace-Hemd zum weißen Anzug durch die
Medien. Spätestens da wurde er zum Sinnbild eines knauserigen Unternehmers,
der in seinem Betrieb ein System aus Druck und Überwachung aufgebaut hatte,
sich selbst und seiner Familie aber einen extravaganten Lebensstil gönnte.
Diesmal beim Prozess in Stuttgart, der den Untergang dieses Imperiums
juristisch aufarbeiten soll, erscheint die angeklagte Familie Schlecker wie
in Trauerkleidung. Anton Schlecker im dunklen Nadelstreifenanzug, mit
schwarzem Rollkragenpullover, sein Sohn Lars, trägt die gleiche
Kombination. Auch seine Frau und die Tochter tragen Schwarz.
Es geht um viel. Schwerer Bankrott, so lautet die Anklage. Fast eine Stunde
verliest der Staatsanwalt die Anklageschrift. Insgesamt 20 Millionen soll
Anton Schlecker mit Hilfe seiner Familie vor den Gläubigern in Sicherheit
gebracht haben. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft. In den Prozesstagen, die
bis in den Herbst vorgesehen sind, wird es um Geldzahlungen an Kinder und
Enkel gehen, die Renovierung der Berliner Wohnung des Sohns mit Kosten in
Höhe von mehr als einer Million Euro. Außerdem soll Schlecker Bilanzen
geschönt und die Insolvenz des Unternehmens verschleppt haben. Zwischen all
den Millionensummen, Kontonummern und Jahreszahlen taucht immer wieder eine
Formulierung auf, die auch einen hart gesottenen Unternehmer wie Schlecker
schwer treffen muss: Die Familie habe mit „überzogenem, rücksichtslosem,
sittlich anstößigem Gewinninteresse gehandelt“, erklärt der Staatsanwalt
gleich mehrfach.
## Genugtuung für die Angestellten
Dass sich Anton Schlecker und seine Familie vor Gericht verantworten
müssen, mag für die „[2][Schleckerfrauen]“, jene Angestellten, die früher
in den Drogerie-Filialen oft unter widrigen Bedingungen Dienst getan haben
und von denen heute einige den Prozess als Zuschauer verfolgen, bereits
eine Genugtuung sein. Die Unternehmerfamilie, die auch in Zeiten des
Erfolgs extrem zurückgezogen gelebt hat, empfindet wohl bereits diesen
öffentlichen Auftritt als schwere Demütigung.
Anton Schleckers Verteidiger Norbert Scharf hebt denn auch in seiner
Stellungnahme auf die Berichterstattung vor dem Prozess ab, die einer
Vorverurteilung gleiche. Da seien offenbar Akten an die Presse
weitergegeben worden, beklagt Scharf, und ein kürzlich ausgeschiedener
Leitender Staatsanwalt habe etwa in einem Fachvortrag Details
ausgeplaudert. Die Gefahr einer „vorverurteilenden Treibjagd“ sei jetzt
schon sichtbar.
Das Bild vom Ehinger Unternehmer als der verfolgten Unschuld, der schon an
der Insolvenz seines Lebenswerks schwer genug zu tragen habe, ist offenbar
Teil der Verteidigungsstrategie. Die Zahlungen in Millionenhöhe lassen sich
kaum bestreiten. Stattdessen versucht die Verteidigung offenbar zu belegen,
dass Anton Schlecker den Niedergang seines Unternehmens nicht habe kommen
sehen. „Er konnte sich schlicht nicht vorstellen, dass sein Unternehmen
insolvent sei“, erklärte der Anwalt. Schlecker könne wie jeder andere im
Land Schenkungen machen. Da lachen einige der Schleckerfrauen im Saal
empört auf.
Tatsache ist, dass Anton Schlecker sein Imperium über 40 Jahre wie ein
Fürst geführt hat. Die Drogeriemarktkette war keine GmbH und keine KG, der
Chef führte das Unternehmen als eingetragener Kaufmann. Schlecker habe im
Unternehmen „schalten und walten können, wie er wollte“, sagt der
Staatsanwalt, aber in Krisenzeiten sei er bei dieser ungewöhnlichen
Gesellschaftsform auch verpflichtet, sein privates Vermögen, mit dem er
haftet, zusammenzuhalten.
„Der Sachverhalt ist komplex und verschließt sich einer einfachen und
schnellen Beurteilung“, sagt Schleckers Verteidiger. Das sieht wohl auch
das Gericht so. 26 Prozesstage sind bis in den Herbst vorgesehen, und da
Zeugen in der Schweiz gehört werden müssen, könnte es auch noch länger
dauern, kündigte Richter Roderich Martis an. Die Angeklagten schweigen.
Anton Schlecker will sich an einem der nächsten Prozesstage äußern.
Vermutlich hofft er auf weniger öffentliche Aufmerksamkeit.
6 Mar 2017
## LINKS
[1] /Schlecker-Pleite-drohte-schon-2009/!5086579
[2] /Ein-Jahr-nach-der-Pleite/!5075112
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Schlecker
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