# taz.de -- Urteil im Schleckerprozess: Schlecker-Kinder müssen in Haft | |
> Wegen vorsätzlichen Bankrotts bekommt Anton Schlecker eine | |
> Bewährungsstrafe. Seine Kinder sollen dagegen für mehr als zweieinhalb | |
> Jahre in Haft. | |
Bild: Seit heute verurteilt: Meike, Anton und Lars Schlecker (v.li.) | |
STUTTGART taz | Es war der 30. Januar 2012, als Anton Schlecker seine | |
Tochter Meike vorschickte, um die unangenehmste aller Aufgaben zu | |
erledigen. Im schwäbischen Ehingen verkündete sie vor Journalist*innen die | |
Insolvenz des Drogeriekonzerns. „Verstehen Sie, es ist nichts mehr da!“, | |
wiederholte sie damals mehrfach, ihr Vater habe alles in die Firma | |
eingebracht. | |
Jetzt sind die Schlecker-Kinder Lars (46) und Meike (44) erneut diejenigen, | |
die zum Gesicht werden für den Schlecker-Irrsinn der vergangenen Jahre. | |
Nach knapp neun Monaten auf der Anklagebank wurden sie heute vom | |
Landgericht Stuttgart zu mehr als zwei Jahren Gefängnis verurteilt, unter | |
anderem wegen Insolvenzverschleppung, Betrugs, Beihilfe zum Bankrott und | |
Untreue. Ihr 73-jähriger Vater wurde dagegen wegen vorsätzlichen Bankrotts | |
nur zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 54.000 Euro | |
verurteilt. | |
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hatte Anton Schlecker frühzeitig von der | |
drohenden Insolvenz der einst größten Drogeriemarktkette Europas gewusst | |
und Millionenbeträge vor dem Zugriff der Gläubiger beiseitegeschafft. Vor | |
allem aber soll das Mutterunternehmen überhöhte Stundensätze an die | |
Logistik-Tochterfirma LDG gezahlt haben – die Firma gehört den beiden | |
Schlecker-Kindern und wickelte die gesamte Logistik der Drogeriefilialen | |
ab. Um mindestens 25 Millionen Euro soll es dabei gegangen sein. | |
## „Ich kriege das schon noch hin“ | |
In der Öffentlichkeit stand Anton Schlecker nie gerne. Ein Foto aus dem | |
Jahr 1999 zeigt ihn mit mattbraunem Haar, wachen Augen, skeptischem | |
Gesichtsausdruck. Erst 18 Jahre später entsteht die nächste Aufnahme: | |
abgelichtet auf dem Weg zum Landgericht in Stuttgart, inmitten seiner | |
Familie, mit schlohweißem Haar, sichtlich gealtert. Es soll zeigen: | |
Mitgehangen, mitgefangen – eine Familie wie Schlecker hält zusammen. | |
Schlecker selbst betonte vor Gericht stets, eine Insolvenz sei für ihn | |
unvorstellbar gewesen – er habe immer an sein Lebenswerk geglaubt. Er sei | |
sogar der festen Überzeugung gewesen: „Ich kriege das schon noch hin“, | |
zitiert die Süddeutsche Zeitung einen Insider. | |
Obwohl bereits seit 2010 ein Berater aus München, ein Spezialist für | |
Familienunternehmen, ihn immer wieder auf die roten Zahlen hinwies, wollte | |
Schlecker nicht sehen, dass nicht nur einige Dutzend oder Hundert seiner | |
Filialen Verluste schrieben, sondern Tausende. Schlecker sperrte sich gegen | |
jede Schließung. „Wir verzichten doch damit auf Umsatz“, zitiert ihn das | |
Handelsblatt. Die Berater hätten geantwortet: „Herr Schlecker, Sie | |
verzichten nicht auf Umsatz. Sie verzichten auf Verluste“. | |
## Am Ende fast eine Milliarde Euro Schulden | |
Verzichten war jedoch das letzte, das Anton Schlecker wollte. Nicht auf | |
Umsatz, nicht auf Verluste und schon gar nicht auf Filialen. Er machte | |
einfach weiter wie bisher, entfernte sich zunehmend von der Wirklichkeit. | |
Schwelgte in Erinnerungen an glorreichere Tage. | |
Bevor Anton Schlecker zum größten Drogisten Europas wurde, lernte er das | |
Handwerk des Vaters – und wurde mit 21 Jahren der jüngste Metzger in | |
Baden-Württemberg. Mit 30 Jahren bekam Schlecker junior von seinem Vater | |
alles übertragen, die Metzgereien, die Fleischfabrik, die Brotfabrik, die | |
Warenhäuser. | |
Als 1975 die Preisbindung im Handel fiel, machte der Unternehmer den | |
nächsten Schritt und stieg in die Drogeriebranche ein. Zwei Jahre später | |
hatte Schlecker 100 Läden. Sie standen dort, wo die Konkurrenz sich nicht | |
hinwagte: in schlechten Lagen, in Dörfern. | |
## Entführung der Schlecker-Kinder | |
Im Jahr 1987 traf die Familie ein Schicksalsschlag: Am 23. Dezember wurden | |
Lars und Meike vor der Villa der Familie verschleppt. Zunächst forderten | |
die Entführer 18 Millionen D-Mark Lösegeld. Vater Anton Schlecker – ganz | |
der Geschäftsmann – handelte die Forderungen auf 9,6 Millionen D-Mark | |
herunter; die Summe, über die Schlecker versichert war. | |
Am 24. Dezember 1987, dem Tag nach der Tat, machte sich ein Prokurist | |
Schleckers mit der vereinbarten Summe von Ulm aus auf den Weg nach Ehingen, | |
wo das Geld übergeben wurde. Die Erpresser verschwanden mit dem Auto des | |
Mitarbeiters und blieben unentdeckt. Lars und Meike Schlecker konnten sich | |
derweil selbst von den Handschellen befreien und fliehen. | |
## Zehntausende verloren ihren Job | |
2007 war das Jahr, in dem das Schlecker-Imperium seine maximale Größe | |
erreichte. In 17 Ländern wurden in 14.000 Filialen nunmehr 52.000 | |
Mitarbeitende beschäftigt. Doch bereits damals stand unterm Strich ein | |
Verlust von 80 Millionen Euro. Was man jetzt weiß: Mit jedem Jahr wurde es | |
von jetzt an nur schlimmer. 2010 schrieb Schlecker 200 Millionen Euro | |
Verluste, der Insolvenzverwalter wird zwei Jahre später ernüchtert | |
feststellen, dass sich fast eine Milliarde Euro Schulden bei Schlecker | |
angehäuft haben. Zehntausende Mitarbeitende verloren ihre Arbeitsplätze. | |
Mit dem heutigen Urteil ist der Schlecker-Fall keineswegs ausgestanden. | |
Experten rechnen mit einem langwierigen Insolvenzverfahren. In Zwickau und | |
Österreich beginnen Mitte Dezember zwei Zivilprozesse gegen die Familie. | |
Insgesamt geht es um Forderungen in Höhe von 21,4 Millionen Euro. | |
27 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Hanna Voß | |
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