# taz.de -- Konflikt in der Ukraine: Betriebe in Rebellenhand | |
> Prorussische Kämpfer in den „Volksrepubliken“ stellen Produktionsstätten | |
> unter Zwangsverwaltung. Sie wollen Steuern kassieren. | |
Bild: Blockierte Kohlelieferung im Donezker Gebiet | |
Kiew taz | Alle auf dem Gebiet der „Volksrepubliken“ von Donezk und Lugansk | |
angesiedelten Produktionsstätten, die ihren Sitz in der Ukraine haben, sind | |
seit Mittwoch unter Aufsicht der „Volksrepubliken“ gestellt. Für die | |
betroffenen Firmen kommt dies einer Verstaatlichung gleich. | |
Man habe sich zu diesem Schritt entschlossen, heißt es in den | |
„Volksrepubliken“, weil Kiew ein am 27. Februar gestelltes Ultimatum, die | |
Eisenbahnblockade zu beenden, habe verstreichen lassen. Bislang zahlten | |
große Fabriken in Donezk und Lugansk, die in der Zentralukraine registriert | |
sind, ihre Steuern an Kiew. Die Gewinne gehen ebenfalls an die | |
Firmenzentrale in der Ukraine. | |
Bereits am 10. Februar hatte daher das Parlament der „Volksrepublik | |
Lugansk“ ein Gesetz in erster Lesung verabschiedet, das von auf dem Gebiet | |
der „Volksrepublik“ tätigen Firmen verlangt, ihre Steuern an die | |
„Volksrepublik“ zu bezahlen. Andernfalls würden sie unter staatliche | |
Aufsicht gestellt. | |
Seit dem 26. Januar blockieren ukrainische Nationalisten und Angehörige der | |
Partei „Selbsthilfe“ den Güterverkehr auf der Schiene entlang der | |
Waffenstillstandslinie zu dem Gebiet Lugansk. Man sehe nicht ein, Handel | |
mit einem Geschäftspartner zu treiben, der das eingenommene Geld für Waffen | |
verwende, die auf den ukrainischen Geschäftspartner gerichtet würden. | |
## Gewinne für Oligarchen | |
Ziel der Blockade, so die Blockierer, sei es, diesen „Bluthandel“ zu | |
unterbinden. Hier würden riesige Gewinne gemacht, die in die Taschen der | |
Oligarchen wanderten. Gleichzeitig wolle man Druck auf die | |
„Volksrepubliken“ ausüben, die ukrainischen Kriegsgefangenen freizulassen. | |
Wirtschaftlich gesehen sind die Zugblockade und die De-facto-Enteignung der | |
ukrainischen Betriebe in den „Volksrepubliken“ ein schwerer Schlag – für | |
beide Seiten. Nun stehen metallurgische Werke in Donezk und Lugansk still, | |
weil sie keinen Koks mehr von der anderen Seite der Waffenstillstandslinie | |
erhalten. | |
Und der Ukraine gehen durch diese Entscheidung mehrere Milliarden Euro an | |
Einnahmen und Steuern verloren. Dadurch dürfte die ukrainische Grywna in | |
den nächsten Wochen weiter an Wert verlieren. | |
Ob die Rechnung der „Volksrepubliken“, die bisher an Kiew überwiesenen | |
Gelder selbst erwirtschaften zu können, aufgeht, wird sich zeigen. Einfach | |
wird es wegen internationaler Sanktionen nicht werden, einen neuen Vertrieb | |
aufzubauen. Es ist auch fraglich, ob Russland nur aus politischen | |
Überlegungen heraus Waren aus dem Donbass abnehmen wird. | |
## Fehlende Anthrazitkohle | |
Die ukrainische Regierung lehnt die Eisenbahnblockade ab. Nun könne die | |
Ukraine nicht mehr Koks an die metallurgischen Werke in Donezk und Lugansk | |
liefern und verliere so eine wichtige Einnahmequelle, heißt es. | |
Gleichzeitig fehlt der Ukraine die für ukrainische Kohlekraftwerke | |
notwendige Anthrazitkohle. | |
Regierungschef Wladimir Grojsman schlug den Blockierern vor, Fabriken zu | |
besuchen, die wegen der Blockade ihre Arbeiter habe nach Hause schicken | |
müssen. Präsident Petro Poroschenko ließ den Appell von Innenminister Arsen | |
Awakow, die Blockade mit Polizeigewalt zu beenden, ungehört verhallen. | |
Dies macht deutlich, wie unsicher die Regierung ist. Beendet sie die | |
Blockade mit Gewalt, drohen Demonstrationen in Kiew. Lässt sie die | |
Blockierer, die einen großen Rückhalt in der Bevölkerung haben, gewähren, | |
hat sie sich de facto von ihrem Gewaltmonopol verabschiedet. Und sie muss | |
gleichzeitig die Bevölkerung auf eine weitere Verschlechterung der | |
wirtschaftlichen Situation vorbereiten. | |
Nun rächt sich, dass man sich nicht um Alternativen zur Donbass-Kohle | |
gekümmert hat. Anthrazitkohle gibt es außer im Donbass nur noch in China, | |
Südafrika und den USA. Eine Anlieferung dauert sechs Wochen. Dann ist die | |
Heizperiode beendet. Es gibt Hoffnung: Die Behörden von Kiew wollen | |
angesichts frühlingshafter Temperaturen das Ende der Heizperiode auf Mitte | |
März vorverlegen. Hält das Wetter, dürften die Kohlevorräte auch bei einer | |
Fortsetzung der Blockade reichen. | |
1 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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